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Zum Ende der Seite springen Nichts geht mehr in der Kasinostadt
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räubertochter räubertochter ist weiblich
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Nichts geht mehr in der Kasinostadt

Im Büro klingelt das Telefon. Florio Bernasconi will den Anrufer abwimmeln. Schließlich lässt er ihn zu sich durchstellen. Ein Freund. "Ich bin ziemlich zerstört", sagt Bernasconi. "Ich glaube nicht, dass viele andere diese neun, zehn höllischen Monate überstanden hätten. Seit Juli habe ich keinen Urlaub mehr genommen." Der Bekannte redet ihm gut zu. Bernasconi beharrt auf seiner schlechten Laune. "Eine starke Eiche war, als ich jung war. Jetzt bin ich alt", sagt er und hängt auf. Bernasconi ist der stellvertretende Bürgermeister von Campione d'Italia. Die 2000-Einwohner-Stadt am Luganer See, berühmt für das Kasino, ist neben Büsingen am Hochrhein, Baarle-Hertog, Baarle-Nassau und Llívia eine der Exklaven in der EU. Campione d'Italia gehört zu Italien, befindet sich aber komplett auf Schweizer Gebiet. Die geografische Lage ist zu einem ernsten Problem geworden. Kurz: Campione d'Italia steht vor dem Bankrott.

Schuld an der Misere ist der starke Franken. Die Schweizer Währung hat gegenüber dem Euro enorm aufgewertet. Musste man vor zehn Jahren für einen Euro noch 1,55 Franken hinlegen., so reichten 2014 nur noch 1,20 Franken. Seit dem 15. Januar 2015 ist die Valuta vollends durch die Decke geschossen. Die Schweizer Nationalbank koppelte den Franken vom Euro los. Binnen Sekunden kletterte er bis auf 0,85 Franken je Euro. Seitdem pendelt er nahe der Parität.

Der Frankenschock hat das Wirtschaftsmodell der Stadt kaputt gemacht. Campione d'Italia ist Eigentümerin des Kasinos. Das Kasino verdiente in Euro und überwies einen festen Beitrag in Franken – zuletzt bis zu 60 Millionen Franken im Jahr – in die Kasse die Stadt, die ihre Bilanz in Franken ausweist. Das funktioniert nicht mehr. Die Euro-Einnahmen des Kasinos sind in Franken umgerechnet zusammen geschnurrt. Den Zuschuss an die Stadt kann die Spielbank nicht mehr stemmen. Seit drei Jahren schreibt sie Verluste, in der Gemeindekasse klafft ein Loch.

Vize-Bürgermeister Bernasconi muss die Pleite abwenden. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich Blätterberge. Er hat seitenweise Texte und Tabellen erstellt. Zum Kasino. Zur Finanzlage der Gemeinde. Zu den Ausgaben, die gegenüber der Schweiz anfallen. Zu den Bezügen der Rentner, die in Campione d'Italia leben. Die Zahlenreihen zeigen meist nach unten oder sind in knalliges Rot gefärbt. Auf keinem Blatt fehlt der Wechselkurs, gefolgt von Prozentzeichen. "+35,23%" steht da in großen, fetten Lettern geschrieben. Um so viel hat der Franken zwischen 2007 und 2014 zugelegt. Das gesammelte Material hat Bernasconi fein säuberlich in Klarsichtfolien abgelegt. Er muss alles griffbereit haben. Denn ein wichtiges Treffen steht an. Er ist auf dem Sprung nach Rom. Zusammen mit einer Delegation der Gemeinde. In der Hauptstadt spricht er im italienischen Finanzministerium vor. Und bettelt um eine Geldspritze. "Wir in Campione waren früher berühmt und reich", sagt er: "Jetzt sind wir berühmt und arm." Dann fügt er mit einem bitteren Lachen hinzu: "Das ist ein guter Spruch. Schreiben Sie das!"

Auf viel Mitgefühl darf Bernasconi bei seinen Landsleuten nicht hoffen. In den meisten italienischen Gemeinden herrscht akute Geldnot. Lange blickten die Bürgermeister neidisch nach Campione d'Italia. Die Stadt badete förmlich in Münzen und Scheinen. Das Kasino ist ein enormes Privileg. In ganz Italien gibt es nur viel Spielbanken. In San Remo, Saint-Vincent, Venedig und eben in Campione d'Italia. Die Italiener aus dem Norden, also aus Como, Mailand oder Varese, pilgerten deshalb vorwiegend an die Roulette-Tische am Luganer See.

Campione D'Italia ließ es krachen. Die Stadt zahlte ihren Bediensteten gute Löhne und verwöhnte die Bürger mit großzügigen Sozialleistungen. Die Goldgräberstimmung wurde auch architektonisch verewigt. Campione d'Italia beauftragte Stararchitekt Mario Botta mit einem futuristischen Prachtbau. Die neue Kasino-Burg umfasst eine Fläche von 55.000 Quadratmetern und reckt sich weit in die Höhe. Wer mit dem Auto oder Zug von Italien ins Tessin einfährt, kann den Glücksspieltempel nicht übersehen. Er beherrscht das Panorama des Luganer Sees.

Der Übermut kommt Campione d'Italia nun teuer zu stehen. Die Stadtregierung spart, wo sie kann, seitdem die Kasino-Quelle eingetrocknet ist. Gab sie 2008 noch mehr als 70 Millionen Franken aus, so waren es im vergangenen Jahr nur noch knapp 48 Millionen Franken. Die Bevölkerung ist erbost. In den Bars und Restaurants liegen Flugblätter aus. Der Präsident des Händlerverbands, Massimo D'Amico, ruft auf auf einem Handzettel zu einer öffentlichen Versammlung auf. Die Wirtschaftsdynamik sei "zum Erliegen gekommen". Viele Bürger würden aus Campione d'Italia in die Schweiz fliehen, schreibt D'Amico. Ein "dunkler Schatten" liege über dem Ort.

Der Exodus droht auch Büsingen am Hochrhein. Die 1300-Einwohner-Gemeinde ist in zwei Welten zu Hause. Sie gehört politisch zu Deutschland, aber wirtschaftlich zur Schweiz. Sie besitzt als einziger Ort zwei Postleitzahlen. Der Fußballverein FC Büsingen spielt in der Schweizer Liga. Das Beste aus beiden Welten? Nein, momentan ein doppelter Nachteil. Denn: Die Bürger erledigen ihre Einkäufe in der teuren Schweiz, bezahlen ihre Steuern aber im Hochsteuer-Land Deutschland. Netto bleibt da am Ende nicht mehr viel übrig. Nach der rasanten Franken-Aufwertung tragen sich einige Bürger mit Abschiedsgedanken.

Im Vergleich zu Campione d'Italia ist die Lage in Büsingen aber rosig. Denn in der italienischen Stadt ballt sich zur Zeit alles Schlechte zusammen. Nicht nur der Franken-Schock lässt den Ort erzittern, sondern auch die italienische Finanzpolizei. Mitte Januar stürmte die Guardia di Finanza das Kasino. Der Verdacht lautet auf Beihilfe zur Geldwäsche. Die Behörden geben sich schmallippig. Irgendwie hänge die Razzia mit der Operation "Chemin de fer" in Palermo zusammen, heißt es. Da geht es um die organisierte Kriminalität und schmutzige Gelder, die unauffällig in den Wirtschaftskreislauf geschleust worden sein sollen.

Frankenschock, Schwarzgeld. Ein bisschen viel auf einmal. Carlo Pagans Gesicht ist gerötet, die Augen sind blutunterlaufen. Pagan ist der Chef des Kasinos. Seit Wochen bemüht er sich um Schadensbegrenzung. Seine Botschaft lautet frei formuliert "Wir vom Kasino haben alles richtig gemacht. Doch der Schweizer Franken macht uns einen Strich durch die Rechnung."

Pagan stammt aus Venedig. Er ist ein gedrungener Mann mit einem blonden Haarschopf, der sich im Dauerstechschritt bewegt. Seine schwarze Limousine hat er vor dem Rathaus geparkt. Die Fahrt hoch ins Kasino dauert vielleicht zwei Minuten. Doch schon im Auto kommt er auf den Franken zu sprechen. Er wirft mit Zahlen und Kursen um sich. Im Parkhaus angekommen, schießt Pagan förmlich vom Sitz und eilt auf dem roten Teppich der Spielbank voran. In seinem Büro lässt er sich in den Sessel plumpsen und kramt sofort eine PowerPoint-Präsentation hervor. Wieder Grafiken und Kurven. Doch im Gegensatz zu denen von Vize-Bürgermeister Bernasconi sind sie alle gerade oder zeigen nach oben. Der Marktanteil des Kasinos? Steigt seit 2010, also mit dem Antritt Pagans, von knapp 26 auf über 30 Prozent. Die Besucherzahlen? Halten sich trotz Rezession in Italien bei jährlich rund 700.000. Die Einnahmen in Euro? Betragen seit drei Jahren rund 90 Millionen Euro, während die Konkurrenz deutliche Einbußen verzeichnet.

Campione d'Italia und das Kasino hoffen auf Hilfe aus Rom. Eines stimmt optimistisch: Italien und die Schweiz reden wieder miteinander. Die Eidgenossenschaft, die auf der Schwarzen Liste Italiens stand, erklärte sich bereit, den italienischen Behörden zu helfen, sofern ein Verdacht auf Steuerhinterziehung vorliegt.

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1 06.03.2015 07:58 räubertochter ist offline E-Mail an räubertochter senden Beiträge von räubertochter suchen
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