Forum-Gewerberecht

» Änderung § 56a GewO / Wanderlager «

Jein,


Ich habe mich sehr ausgiebig mit dem Thema beschäftig und mir alle Verbote im Reisegewerbe über die Jahrzehnte aufgelistet und mir den Sinn und Zweck in der Kommentierung angeschaut.

Viele Verbote waren einfach nicht (mehr) überzeugend, so zum Beispiel Spielkarten, Bäume und Sträucher, Bijouterien,

Betrug im Reisegewerbe war schon 1956 Thema auf einer BKA Tagung auf der es einen bemerkenswerten Beitrag über das "Ambulantes Gewerbe und Betrug" zu hören war.


Ambulanter Handel und Betrug
Amtsdirektor G u c k e r t, Darmstadt

Die Verkoppelung der beiden Begriffe »Ambulanter Handel und Betrug« in einem Thema ist nicht ganz bedenkenfrei und kann zu einem ungerechten Urteil über eine Berufsgruppe führen, die eine immerhin beachtliche Rolle in unserem Wirtschaftsleben spielt. Bringt man eine solche Berufsgruppe grundsätzlich mit einer so gemeinen und hinterhältigen Handlungsweise wie den Betrug in - wenn auch nur gedankliche - Verbindung, so kann man sich leicht dem Vorwurf aussetzen, diesen Berufs- stand diffamieren zu wollen. Dies ist aber keineswegs beabsichtigt. Im Gegenteil, es soll der viel verbreiteten Auffassung entgegengewirkt werden, daß ein Angehöriger des ambulanten Gewerbes schlechthin ein Betrüger oder zum mindesten ein Mensch sei, dem man mit einer gewissen Vorsicht begegnen müsse. Die Behandlung des Themas muß ehrlich, d. h. objektiv sein. Die Untersuchung darf sich daher nicht darauf erstrecken, beweisen zu wollen, daß sich ambulanter Handel und Betrug - wenn auch nur teilweise - begrifflich decken. Auf der anderen Seite darf jedoch auch nicht ver- kannt werden, daß sich auf dem Gebiete des ambulanten Handelsgewerbes viele Betrüger betätigen. Aber nicht der ambulante Händler ist der Betrüger, sondern der Betrüger dringt in diesen Berufs- kreis ein und bedient sich unter Ausnutzung der vorhandenen Chancen der äußeren Erscheinungs- und Betriebsform dieses Gewerbes. Es ist natürlich klar, daß er unter der Maske des reisenden oder - besser gesagt - des wandernden Kaufmannes ein leichteres Spiel für seine Betrugsmanöver hat.
Bevor wir uns mit diesen Spezialisten unter den Betrügern im näheren befassen, müssen wir zunächst einmal die Frage untersuchen, was überhaupt ambu1anter Handei ist und was man unter einem ambulanten Händler zu verstehen hat. Der Begriff »ambulant« hat verschiedene Bedeutungen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht dieses Fremdwort der Bezeichnung »wandernd« oder »ohne festen Sitz«. Ein ambulanter Händler ist hiernach ein Händler, der seine Waren von Ort zu Ort ziehend - also wandernd - verkauft. Im gewerberechtlichen Sinne fällt unter den Begriff des »ambulanten« Handels dagegen nur das Feilbieten von Waren am Wohnort oder an dem Orte der gewerblichen Niederlassung des Händlers, soweit dies auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen oder ohne vorgängige Bestellung von Haus zu Haus oder an anderen öffent- lichen Orten geschieht. Dieser ambulante Handel im engeren Sinne ist in der Gewerbeordnung im Titel U geregelt und gehört gewerberechtlich zum stehenden Gewerbe. Er spielt bei den hier anzu- stellenden Betrachtungen keine Rolle, weil dieser engere Handelszweig für den Betrüger keinen besonderen Anreiz bietet, jedenfalls nicht mehr als alle anderen seßhaften Berufszweige, insbesondere des seßhaften Handels. In dem hier verstandenen weiteren Sinne entspricht das ambulante Gewerbe dem Wandergewerbe bzw. dem Gewerbe im Umherziehen, wie es in der Fachsprache heißt und in TitelIU der Gewerbeordnung geregelt ist. Gewerberechtlich gesehen handelt es sich also um den Handel, der von Ort zu Ort, ohne seßhaft zu werden, betrieben wird. Nach § 55 GewO ist Wandergewerbetreibender bzw. Wanderhändler nur, wer
t. außerhalb des Gemeindebezirks seines Wohnortes oder der durch besondere Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde dem Gemeindebezirk des Wohnortes gleichgestellten nächsten Umgebung desselben,
2. ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung und
3. ohne vorgängige Bestellung in eigener Person Waren feilbietet oder Warenbestellungen aufsucht.
In einer No v eil e _z u r Ge wer b e0 r d nun g sollen die Begriffe »ambulanter Handel« und »Wandergewerbe« nach den vorgesehenen Änderungen der einschlägigen Bestimmungen der Titel II und IU der Gewerbeordnung durch die Formulierung »R eis e g ewe r b e« ersetzt werden. Wir werden also künftig in gewerberechtlicher Hinsicht nicht mehr von dem ambulanten Händler oder
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Händler im Umherziehen sprechen dürfen, sondern von einem Reisegewerbetreibenden oder Reise- händler oder - was noch treffender wäre - von einem reisenden H ändier. Das sind jedoch alles Kußerlichkeiten. Im Grunde wird sich nichts daran ändern, daß Händler nach wie vor ihre Waren von Ort zu Ort, von Haus zu Haus oder auf Straßen und Plätzen feilbieten werden. Sie werden lediglich in rechtlicher Hinsicht und in der Terminologie des Gewerbefachmannes eine andere Bezeichnung führen. Solange es aber der Gesetzgeber zuläßt, daß - wenn auch unter gewissen Voraussetzungen und Bedingungen - Waren im Umherziehen feilgeboten und verkauft werden dürfen, wird es auch Menschen geben, die sich mit Vorliebe dieser Vertriebsart von Waren bedienen, um andere in betrügerischer Absicht zu täuschen und sich auf diese Art und Weise zu bereichern. Eine grundlegende Knderung, d. h. eine radikale und allein erfolgversprechende Bekämpfung des Betruges auf diesem Gebiet wäre nur durch ein absolutes Verbot zu erreichen, Waren ambulant zu verkaufen. Einem solchen Verbot aber steht das Grundgesetz eindeutig entgegen. Wir müssen uns also damit abfinden, daß wir es auch in Zukunft mit dem Betrüger im ambulanten Handel zu tun haben werden, und man tut gut daran, sich einmal Gedanken darüber zu machen, wie man diesen Spezialisten unter den Betrügern mit Erfolg entgegentreten kann. Wenn man aber diese Betrüger im Gewande des ehrbaren reisenden Händlers bekämpfen will, muß man sie und ihre Metho den kennen.
Der Verwaltungsfachmann sieht diese Menschen mit anderen Augen als der Kriminalist oder der Staatsanwalt. Dennoch vermag der Verwaltungspraktiker auch den Organen der Strafverfolgungs- behörden wertvolle Erfahrungen zu vermitteln und Anregungen zur Bekämpfung von reisenden Betrügern zu geben. Der Kriminalist erfährt gewöhnlich erst dann etwas über einen Betrug, wenn ein geschädigter Bürger zur Polizei kommt und Anzeige erstattet. V or b eu gen d kann jedoch - wie sich aus den weiteren Ausführungen ergeben wird - viel getan werden, um drohenden Schaden zu verhüten.



Gepostet am 13.11.2015 um 19:28 von:
Benutzer: jonas kuckuk
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