Forum-Gewerberecht

» Ausübung eines Handwerks im Reisegewerbe «

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wer den von mir oben eingebauten Link zum BUH (Bundesverband unabhängiger Handwerker) verfolgt hat wird feststellen, dass hier versucht wird, den Begriff Handwerk im Reisegewerbe möglichst weit auszulegen. Aus Sicht der Handwerker ohne große Befähigungsnachweis ist dies durchaus verständlich. Aber als Mitarbeiter einer Behörde haben wir nunmal den Auftrag, die Gesetze anzuwenden und nicht unsere eigenen Ansichten an die Stelle der Vorgaben des Gesetzgebers zu setzen.

Bei der letzten Handwerksnovelle wurde angestrebt, den Befähigungsnachweis nur bei den Handwerken zu verlangen, bei denen die Prüfung der Fähigkeiten der Abwehr von Gefahren dient. Das Friseurhandwerk ist weiterhin zulassungspflichtig, da es den Gesundheitshandwerken (Verletzungsgefahr, Chemikalien, Übertragung von Krankheiten) zugerechnet wird.

Da der historische Grund für die ausdrückliche Beschränkung im Reisegewerbe (Bader auf Volksfesten) weggefallen ist, wurde die GewO mit der Handwerksnovelle ebenfalls angepasst. Auf Volksfesten habe ich auch noch nie einen Friseurstand gesehen, der Hinweis war daher nur allegorisch.

Wie sich aus dem maßgeblichen Urteil des BVerfG zum [url=http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20000927_1bvr2
17698.html]Handwerk im Reisegewerbe[/url] ergibt, ist die Handwerksausübung im Reisegewerbe in einem relativ weiten Umfang zulässig, muss aber eindeutig wie ein Reisegewerbe ausgeübt werden. Dies ist in der Praxis jedoch nicht so einfach, wie sich dies einige der Reisegewerbetreibenden vorstellen. Die Reisegewerbekarte soll daher vielfach genauso als Alibi dienen, wie die allseits bekannte Gewerbeanmeldung für "Holz- und Bautenschutz".

Eine Gewerbetreibende, die in einem Altenheim von Zimmer zu Zimmer geht, und dort ihre Leistung anbietet betreibt ein Reisegewerbe. Sobald sie aber diese Art der Auftagsgewinnung aufgibt und zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem vom Altenheim zur Verfügung gestellten Zimmer die Haare schneidet, unterhält sie eine Niederlassung und damit ein Handwerk im stehenden Gewerbe. Da letzteres wesentlich praktischer ist, wird die Reisegewerbetätigkeit wohl nicht allzu lange andauern.

Genausowenig kann ich mir vorstellen, dass eine Reisegewerbe-Frisörin von Haus zu Haus geht und dort ihre Leistung anbietet.

Es ist daher theoretisch durchaus möglich, das Friseurhandwerk im Reisegewerbe zu betreiben. Ob dies tatsächlich funktioniert halte ich aber für sehr zweifelhaft. Auch in vielen anderen Handwerken dürfte die Reisegewerbetätigkeit an praktischen Problemen scheitern. Wohl aus diesem Grund hat der Gesetzgeber das Handwerk im Reisegewerbe keinen der HWO vergleichbaren Regelungen unterworfen.



Gepostet am 30.05.2006 um 15:57 von:
Benutzer: Ingolstadt
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