Forum-Gewerberecht

» Was ist eigentlich "ohne vorhergehende Bestellung" «

Natürlich kenne ich den komentar Landmann /Romer - aber welchen meinen sie genau. Papa Landmann hatte da ganz andere ansichten.

Hier ein paar Gedanken zum Reisegewerbe:




Manche Behörden verstehen die Bestellung als Auftragsvergabe und informieren, dass ein Reisegewerbe nur vorliegt, wenn ohne „ausdrückliche Auftragsvergabe“ ein Vertrag zustande kommt. Das ist natürlich nicht möglich, denn wer darf schon ohne ausdrückliche Auftragsvergabe bei jemandem arbeiten? Andere nehmen das Wort Bestellung zu wörtlich und glauben, dass wenn ich jemanden herbeirufe, es sich hier um eine Bestellung handelt.

Wer sich heutzutage z.B. in eine Pizzaria setzt und laut ruft „Ich hab Hunger!“ wird dadurch auch nichts zu essen bekommen. Er muss sich an die Karte halten und kann dann zwischen den Angeboten entscheiden, kennt dann auch Preis und Größe der Mahlzeit und hat sogar Einfluss auf die Reihenfolge der verschieden Gerichte.

Natürlich haben sich mit der „vorhergehenden Bestellung“ auch schon Juristen beschäftigt und in alten Gesetzeskommentaren oder Urteilen wird man erfreulicherweise fündig. Zusammenfasend muss eine Bestellung also in seiner Art, Qualität und Menge bestimmt sein – sonst ist es eben keine Bestellung.

Bestellung im Sinn des Reisegewerbes

Nach § 55 Gewerbeordnung liegt ein Reisegewerbe nur dann vor, wenn der Reisegewerbetreibende „ohne vorherige Bestellung“ des Kunden tätig wird. Eine Bestellung in diesem Sinne ist eine geschäftsähnliche Handlung. Der Verbraucher/Kunde muss den Unternehmer zu Vertragsverhandlungen eingeladen haben. Zur Verhandlung muss es auf Wunsch des Verbrauchers und nicht auf Initiative des Unternehmers gekommen sein. Das Interesse des Verbrauchers an einem Hausbesuch, an einer Warenpräsentation oder an einer Information genügt nicht , auch nicht die Einladung zur Erörterung eines Kostenvoranschlags . Die „Bestellung“ muss dem Verbraucher Zeit zur Vorbereitung lassen und hinreichend gegenständlich bestimmt sein . Gerade bei Handwerkern wird die Bestellung eines Vertreters oder eines Handwerkers zur Abgabe eines Angebots regelmäßig nicht ausreichen, um eine „Bestellung“ in diesem Sinne annehmen zu können, solange der Vertreter oder der Handwerker nicht ausdrücklich zu mündlichen Vertragsverhandlungen bestellt worden ist. Hierbei ist ein Hinweis des Anbieters auf den Zweck des Hausbesuches, nämlich in mündliche Vertragsverhandlungen einzutreten, unerlässlich

Die Notwendigkeit dieses Hinweises folgt auch aus Sinn und Zweck der Regelung. Die Vorschrift dient dem Schutz des Kunden; sie soll ihm vor einem übereilten und unüberlegten Abschluss eines Geschäftes schützen, wenn ihm bei einem nicht bestellten Hausbesuch des Anbieters, der bei Geschäften dieser Art meist psychologisch besonders geschult ist, die für Ladengeschäfte typische Umkehrmöglichkeit und Überlegenszeit fehlt

Nach der Rechtsprechung des BGH entfällt das besondere Schutzbedürfnis des Kunden und liegt eine „vorherige Bestellung“ im Rechtssinne vor, wenn der Kunde zuvor ausreichend Informations- und Vertragsmaterial, insbesondere schriftliches Angebotsmaterial erhalten hat und darauf hin, eine Antwortkarte zurücksendet oder telefonisch oder auf sonstige Weise den Handwerker zu sich bittet. Denn in diesem Falle konnte er sich auf die Vertragsverhandlungen vorbereiten und insbesondere Angebote anderer Unternehmer prüfen. Der BGH führt aber in seinem Urteil so dann wie folgt aus:

„Seine Lage gleicht dann der des Kunden, der von sich aus ein Ladengeschäft betritt . Dabei wurde zur Zeit der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften zu § 55 Abs. 1 Gewerbeordnung überwiegend die Auffassung vertreten, daß der Kunde im Rahmen der vorhergehenden Bestellung die anbietenden Waren oder Leistungen nach Art und Qualität sowie den Ort und den Zeitpunkt der gewünschten mündlichen Verhandlungen wenigstens annähernd bezeichnen muß (; teilweise abweichend im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise “(Hervorhebung durch Unterfertiger.
In Übereinstimmung damit entspricht es allgemeiner Auffassung, daß die Bestellung zu einer allg. Informationserteilung und zur Warenpräsentation den Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Haustür-Widerrufsgesetz und damit auch des § 55 GewO nicht erfüllt . Die Frage, ob die Aufforderung des Kunden zur Fertigung eines Kostenvoranschlages die Annahme einer vorhergehenden Bestellung zur mündlichen Vertragsverhandlungen rechtfertigt, ist dagegen umstritten . In diesem Falle ist nach Ansicht des BGH zu unterscheiden:

Die Aufforderung des Kunden zur Abgabe eines Angebots kann die Einleitung von Vertragsverhandlungen bedeuten. Bringt der Kunde diese Aufforderung klar und eindeutig zum Ausdruck, so wird häufig ein Wunsch zur Abgabe einer die andere Vertragspartei bindenden rechtsgeschäftlichen Erklärung und damit der Auftakt zu Vertragsverhandlungen vorliegen. In diesem Fall muß der Kunde redlicherweise damit rechnen, daß der Anbieter über das gewünschte Angebot verhandeln und einen Vertrag schließen will; er wird mithin nicht überraschend und unvorbereitet mit einem Vertragsangebot konfrontiert.

Die Bitte um Unterbreitung eines Angebotes kann aber andererseits auch nur das allg. Interesse des Kunden zum Ausdruck bringen, zunächst unverbindlich über Art und Qualität der Ware sowie über den Preis unterrichtet zu werden.

Eine derartige Bitte ist nicht eine „Bestellung“ im Sinn des Haustür-Widerrufsgesetzes oder des § 55 Gewerbeordnung. Der Kunde bringt hier zum Ausdruck, zunächst einmal das Angebot der anderen Vertragspartei kennen zulernen und unbefangen prüfen zu wollen. Dann aber kann selbst der erbetene Hausbesuch den Kunden in eine vom Zweck des Gesetzes mißbilligte Situation führen, wenn die andere Vertragspartei über das allg. Interesse des Kunden am Angebot hinaus in der Wohnung des Kunden auf einen Vertragsschluss drängt . Der BGH führt sodann in der selben Entscheidung wie folgt aus:
„Diese, in erster Linie auf den Einzelfall abstellende Beurteilung führt zu sach- und interessengerechten Ergebnissen. Sie berücksichtigt zum einen das Interesse des Anbieters, Gewissheit über einen unwiderruflich geschlossenen Vertrag zu haben, und zum anderen das Interesse des Kunden, vor übereiltem Vertragsschluss geschützt zu sein.“

Die Frage, ob nun eine Bestellung im Rechtssinne unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien vorliegt, muß an objektiven Anknüpfungspunkten gefunden werden. Es spricht insbesondere dafür, daß ein Kunde lediglich einen Besuch zu Informationszwecken beabsichtigt hat , wenn bisher zwischen den Parteien keine Geschäftsbeziehung bestand, wenn der Kunde die Ware oder Leistung, die ihm angeboten werden soll, von der Art und Qualität her nicht kennt, wenn es sich um ein aus objektiver Sicht größeres Geschäft mit erheblichen finanziellen Belastungen für den Kunden handelt oder wenn der Kunde ein Vergleichsangebot noch nicht eingeholt hatte .

Danach werden im Rahmen des Abschlusses von Bauverträgen häufig Hausbesuche des Bauhandwerkers zum Zwecke der Besichtigung oder Bestandsaufnahme aus Anlaß größerer Instandsetzungsarbeiten dafür sprechen, daß sich der Kunde zunächst informieren will, auch wenn er um ein Angebot gebeten hatte. Denn erst die Kenntnis des Umfanges der Arbeiten und ihrer Kosten ermöglicht dem Kunden die Entscheidung, ob er sich überhaupt in Vertragsverhandlungen einlassen will, zumal wenn die Reparatur nicht dringlich ist. Je geringer der Reparaturaufwand ist und je weniger sie kosten, insbesondere wenn diese sofort an Ort und Stelle ausgeführt werden soll (etwa der tropfende Wasserhahn) wird eher die Annahme einer „vorherigen Bestellung“ begründen, wenn die Bestellung und Terminsabsprache vom Kunden ausgegangen ist. .


Der letzte Absatz zeigt auf, dass es eher selten wirkliche handwerksaufträge im "stehenden gewerbe" gibt. Deswegen wird auch auf EU Ebene darüber nachgedacht auch einem stehenden handwerksbetrieb, der außerhalb seiner Niederlassung um Aufträge wirbt, den gleichen Schutzbedingungen zu unterwerfen. vermutlich wird es ein "erweitertes" Haustürgeschäft für stehende Betriebe geben.

Zusammenfassend kann man sagen, wenn man sich ausführlichst mit der aktuellen und historischen rechtssprechung zum reisegewerbe/haustürgeschäft/"vorhergehnder Bestellung" befasst, die aktuellen darstellung von behörden und Handwerkskammern eher falsch, fälschlich oder sogar verfälscht sind.

Dabei darf man nicht übersehen, dass manche Verwaltungsbeamten es einfach nicht besser wissen, aber manche es eben auch nicht anders wissen wollen.
In Schleswig Holstein verteilen Behörden ein Merkblatt der Handwerkskammer über das Reisegewerbe was keiner rechtliochen Prüfung standhält. Andere Mitarbeiter der Schlewig-Holsteiner schmeißen das Merkblatt gleich in die Blaue Tonne. Denn: Eine Handwerkskammer hat nicht das Reisegewerbe zu definieren, geschweige denn ein Recht eine Behörde zur illegalen Datenübermittlung aufzufordern.


PS: Ein Agent Provokateur tritt doch anonym auf - und im Auftrag des Staates. Dies tue ich nicht. Auch provoziere ich keine Straftaten. Ganz im Gegenteil. Je besser die Verwaltungsbeamten hier die Rechtslage kennen - umso weniger kriegen sie Ärger/Schadensersatzklagen.

Jonas Kuckuk (so heiße ich wirklich!)



Gepostet am 16.12.2010 um 12:45 von:
Benutzer: jonas kuckuk
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