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Der europäische Glücksspielsektor ist momentan im Umbruch. Nicht nur die Konsolidierung in der Branche - etwa die Fusion des Wiener Online-Wettkonzerns bwin mit der britischen PartyGaming - führt zur Neuordnung des Bereichs, sondern auch die sukzessive Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen in einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Im Angesicht der krisenbedingt horrend steigenden Staatsausgaben sehen sich viele Länder gezwungen, ihre Glücksspielmonopole aufzuweichen. Von Harmonisierung ist man aber in der Union noch weit weg. Vor allem das Zocken im Internet ist so gut wie gar nicht geregelt. Dafür sei es aber höchste Zeit, sagte der Wiener Universitätsprofessor Wolfgang Zankl im Gespräch mit der APA.

"In jedem Mitgliedstaat sind die Glücksspielrechte unterschiedlich", was in EU-Zeiten sehr unerfreulich sei, kritisiert Zankl, Direktor des e-centers, ein europäisches Zentrum für Internetrecht. Die nationalen Monopole stammten grossteils aus der Zeit vor den Informations- und Kommunikationstechnologien "und können daher nicht mehr zeitgemäss sein. Früher habe man Spieler abhalten können, woanders zu zocken, im Internet sei das nicht mehr möglich. "Das interessiert einen asiatischen Anbieter nicht, ob wir in Österreich ein Monopol haben", so Zankl.

Gerade vor dem Hintergrund der rasanten Zunahme von Spielangeboten im Internet müsse das Online-Zocken zumindest auf EU-Ebene reguliert werden. Ansonsten entstehe ein riesiger Schwarzmarkt. Aufhalten könne man die aktuelle Entwicklung nicht.

Dass sich durch die Legalisierung von Zockseiten die Spielsuchtproblematik verschärfen könnte, glaubt Zankl, Professor am Institut für Zivilrecht der Uni Wien, nicht. "Spielsucht kann online viel besser beherrscht werden." Immerhin könne man die Transaktionen der Spieler im Netz besser nachvollziehen. "Da fällt viel eher auf, wenn jemand ungewöhnlich hohe Einsätze verspielt", so der Experte. "Wir schlagen daher eine europäische Glücksspielagentur vor, bei der alle Fäden in der EU zusammenlaufen." Dort könnten dann nach Vorstellung des e-centers Sperrlisten zentral geführt werden, sodass Personen, die bei einem Anbieter gesperrt sind, auch bei keinem anderen mehr zocken können.

Das e-center hat einen Richtlinienentwurf erstellt, nach dem das Online-Glücksspiel EU-weit geregelt werden könnte. Unter anderem werden Lizenzierungsregeln vorgeschlagen, die auf harmonisierten Mindeststandards beruhen. Diese Voraussetzungen betreffen etwa Informationspflichten, Mindestkapitalerfordernisse oder Massnahmen zu Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung. Damit soll ermöglicht werden, dass Voraussetzungen, die schon einmal in einem Staat geprüft wurden, auch von allen anderen Ländern anerkannt werden. Dieses sogenannte Passporting-Prinzip habe sich schon im Bankensektor bewährt, so Zankl. Dennoch solle man den Nationalstaaten eine gewisse Souveränität zugestehen.

"Natürlich zieht man dadurch legale Anbieter an", ist Zankl überzeugt. Fiskalische Aspekte - also mehr Steuern - sollten aus seiner Sicht aussen vor gelassen werden. Wobei "es für den Fiskus wahrscheinlich kein Nachteil ist, eine gewisse Liberalisierung zu betreiben."

Durch eine derartige Regulierung würde sowohl für die Anbieter als auch für die Spieler Rechtssicherheit geschaffen. Bei Glücksspielunternehmen könnte dies dann zu einem "Motivationsschub puncto Investitionsbereitschaft" führen. Im Sinne der Transparenz fordert das e-center ausserdem ein "europäisches Glücksspielsiegel", das auf jeder Homepage eines lizenzierten Anbieters aufscheinen soll.

Zankl ist "natürlich optimistisch", dass seine Vorschläge in Brüssel Beachtung finden. Derzeit gebe es Tendenzen, sich des Online-Glücksspiels anzunehmen. Beispielsweise will EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier im November ein "Grünbuch" zum Glücksspiel präsentieren.

Mit derzeitigen Judikatur des EuGH, der ja im September das österreichische Casinomonopol gekippt hat, ist Zankl nicht glücklich, zumindest, was den Online-Sektor betrifft. Mit dem Urteil "Liga Portugesa" habe sich der EuGH erstmals zu den Besonderheiten des Online-Bereichs geäussert. Die EU-Richter befanden, dass das Zocken auch im Netz dem portugiesischen Monopolisten Santa Casa vorbehalten werden kann; geklagt hatte damals bwin.

"Die EuGH-Judikatur entwickelt sich in die falsche Richtung", so Zankl. Sauer stösst ihm auf, dass die EU-Richter das Internet als besonders gefährlich ansähen "und daraus verschiedene Rechtsfolgen ableiten". Das viel grössere Problem sei aber, dass die EuGH-Judikatur "kein Ende nimmt". Während Rechtsfragen "normalerweise irgendwann ausjudiziert" seien, gebe es beim Glücksspiel eine Vielzahl von Entscheiden, was nicht gerade für Rechtssicherheit sorge. "Dem EuGH sind die Hände gebunden. Er kann nur das beurteilen, was ihm national vorgelegt wird", so Zankl.

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Gepostet am 24.10.2010 um 22:46 von:
Benutzer: foerster
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