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Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, nach dem Kasinolizenzen EU-rechtswidrig vergeben worden seien, hat erste Konsequenzen: Ein Innsbrucker Gericht hat einen illegalen Automatenbetreiber freigesprochen:

Es sei eine "irrige Rechtsauffassung", die Glücksspielentscheidung des Europäischen Gerichtshofs als Freibrief für die Eröffnung neuer Spielhöllen zu sehen. Mit dieser Aussage reagierte VP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka Mitte September im Gespräch mit dem Standard auf die Ansicht von Juristen, das Glücksspielgesetz könne nach dem Urteil der Luxemburger Höchstrichter nicht mehr exekutiert werden.

Allein, die Richter scheinen nicht viel von Lopatkas Einschätzung zu halten. In einem ersten Urteil nach dem EuGH-Entscheid hat das Innsbrucker Bezirksgericht am Dienstag einen Automatenbetreiber freigesprochen, wie Richterin Georgia Stix-Jaudl auf Anfrage bestätigte. Er war wegen illegalen Glücksspiels angeklagt worden. Die Strafandrohung lautet auf sechs Monate Freiheitsentzug. Das Gericht habe sich unmittelbar auf das Erkenntnis der Kollegen in Luxemburg berufen, so Stix-Jaudl zum Standard. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Staatsanwalt hat drei Tage Zeit für eine allfällige Berufung, mit der aber nicht gerechnet wird.

Die Höchstrichter haben im September festgestellt, dass die Vergabe der zwölf österreichischen Kasinolizenzen (künftig 15) intransparent, diskriminierend und somit gemeinschaftswidrig über die Bühne gegangen sei. Anlassfall der Entscheidung war eine 2000-Euro-Strafe gegen den deutschen Staatsbürger Ernst Engelmann, der zwischen 2004 und 2006 in Linz und Schärding zwei nichtangemeldete Spielkasinos betrieb. Er wurde im März 2007 vom Bezirksgericht Linz wegen illegalen Glücksspiels verurteilt. Er ging in Berufung, das Landesgericht legte die europarechtlich relevanten Fragen dem EuGH vor. Die Linzer Richter müssen nun auf Basis des Luxemburger Urteils eine Entscheidung treffen.

Engelmann wird übrigens ebenso wie der in Innsbruck freigesprochene Lokalbesitzer von Patrick Ruth vertreten. Der Rechtsanwalt ist überzeugt, dass es bis zu rechtskonformen Vergabe der Kasinolizenzen zu keiner Verurteilung in Österreich kommen werde. Diese Ansicht vertritt auch der Chef des Automatenverbands, Helmut Kafka. Er rechnet mit "Chaos" auf dem Glücksspielmarkt und fordert das Finanzministerium dazu auf, die für nächstes Jahr geplante Ausschreibung der Lizenzen zu beschleunigen. Ansonsten würden neben kleinen Lokalbetreibern auch zusehends internationale Anbieter das rechtliche Vakuum ausnützen und Automaten in Österreich aufstellen oder Spielbanken eröffnen, erklärt Kafka.

Ein fahles Licht wirft die aktuelle Entwicklung auch auf die Schwerpunktaktionen der Soko Glücksspiel, die vom Finanzministerium bei der Kiab (Kontrollstelle für illegale Ausländerbeschäftigung) eingerichtet wurde. Sie hat bereits Razzien in Oberösterreich, Salzburg und im Burgenland durchgeführt, Geräte beschlagnahmt. Auch diese Aktionen werden infrage gestellt, da mit keinen Verurteilungen zu rechnen ist. Im Gegenteil: Es drohen Schadenersatzklagen der Betreiber. Polizeijuristen sollen die Kiab-Verantwortlichen bereits darauf aufmerksam gemacht haben, doch das Finanzressort bleibe hart und drohe mit Amtshaftungsklagen, sollte die Polizei die Razzien nicht unterstützen.

Apropos Amtshaftung: Entsprechende Klagen stehen auch der Republik ins Haus, weil sie die Lizenzen den Casinos zugeschanzt und potenzielle Anbieter verhindert hat. Ausbreiten könnte sich das Chaos auf die Lotterien, die den Casinos gehören, da auch Verfahren gegen "illegale" Lotto-Anbieter laufen. Wenn dieser Fall beim EuGH landen sollte, rechnet Kafka mit dem gleichen Ausgang wie in der Causa Spielbanken, weil es ebenfalls keine transparente Vergabe gab.

[URL]http://derstandard.at/1285199498723/Urteil-stellt-Spielhoellen-einen-F
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foerster



Gepostet am 29.09.2010 um 15:46 von:
Benutzer: foerster
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