Forum-Gewerberecht

» Immer mehr Kasinos «

Wenn jemand auffällig oft dem Glücksspiel frönt, dann dürfen die österreichischen Kasinos nicht tatenlos zusehen. Sie müssen die Bonität des eifrigen Spielers überprüfen. Machen sie das nicht, so werden die Kasinos schadenersatzpflichtig. Dem Spieler ist ein Teil des verlorenen Geldes zurückzuerstatten, sofern die Kasinos grob fahrlässig oder vorsätzlich nichts gegen die Spiellust unternahmen.

Doch diese Haftung ist auf das Existenzminimum des Betroffenen beschränkt. Und das hält der Oberste Gerichtshof (OGH) für verfassungswidrig. Da der OGH Gesetze aber selbst nicht kippen darf, beantragte er nun beim Verfassungsgerichtshof (VfGH), die Haftungsgrenze aufzuheben. Der OGH untermauerte seinen Antrag mit einer Reihe von Argumenten.

•So handle es sich beim Ersatzanspruch des Spielers wegen erlittener Verluste um einen Schadenersatzanspruch aus Verschulden. Nun gebe es im Privatrecht öfters betragsmäßige Haftungsbegrenzungen im Bereich der Gefährdungshaftung (etwa für Betreiber von Eisenbahnen oder Kraftfahrzeugen im EKHG). In diesen Fällen geht es aber um eine Haftung, die auch ohne Verschulden eintritt.

•Eine betragsmäßige Beschränkung bei Verschulden gebe es aber grundsätzlich nicht, betont der OGH. Und die bei der Gefährdungshaftung zur Anwendung kommenden Beträge seien überdies recht üppig bemessen. Ein weiterer Unterschied zum Glücksspielgesetz, bei dem die Haftungsobergrenze mit dem Existenzminimum sehr gering ausfällt.

•Die Kasinos sind also doppelt geschützt: erstens, weil sie nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz gegenüber Spielsüchtigen haften. Zweitens, weil der Betrag auf das Existenzminimum begrenzt ist. Das widerspreche aber dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, meint der OGH. Denn der Konzessionsnehmer (also die Casinos Austria AG) würde dadurch gegenüber anderen Schädigern zu sehr bevorzugt werden.

•Nun gibt es in der juristischen Literatur aber durchwegs Stimmen, die diese Einschränkungen für sachlich gerechtfertigt halten. So wird ins Treffen geführt, dass eine Ersatzpflicht bei Spielverlusten auch gar nicht vorgesehen sein müsste. So gesehen wäre ein Spieler, der zumindest das Existenzminimum zurückbekommt, noch besser gestellt, als gäbe es dazu gar keine gesetzliche Norm.

Dieses Argument sei aber verfassungsrechtlich bedenklich und europarechtlich fragwürdig, meint der OGH. Denn das Glücksspielmonopol der einzelnen Länder werde damit gerechtfertigt, dass die Gefahren des Glücksspiels eingedämmt werden. Dies gehe aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU hervor. Es sei daher fraglich, ob der österreichische Gesetzgeber beim Spielerschutz wirklich freie Hand habe.

•Auf jeden Fall hat der österreichische Gesetzgeber eine Regelung getroffen. Und wenn er eine Regelung treffe, sei klar, dass diese nicht dem Gleichheitssatz widersprechen dürfe, sagen die Höchstrichter.

•Der OGH setzte sich aber auch mit dem Argument auseinander, wonach eine volle Haftung des Kasinos erst recht zu riskantem Spiel mit hohen Einsätzen verleiten würde: Denn entweder, der Spieler gewinne – oder er verliere übermäßig, und dann müsse ihm das Kasino die Verluste wieder ersetzen. Im Ergebnis werde das Fehlverhalten des Spielers also belohnt.

Dem hält der OGH aber entgegen, dass derartige Spieler laut Gesetz vom Spiel auszuschließen sind. Dies sei Aufgabe der Spielbankleitung. Die auch im Zuge der Gesetzwerdung aufgetauchte Argumentation, dass der „pathogene“ Spieler sonst Gelegenheit bekäme, immer weiter zu spielen, sei daher nicht nachvollziehbar.

Überdies sei selbst in den parlamentarischen Materialien zum Gesetz die Rede davon, das der Spielsüchtige seinen Unterhaltspflichten nachkommen solle. Beschränke man die Rückerstattung aber auf das Existenzminimum, so werde eine Gefährdung der Unterhaltspflicht oft die Folge sein, so der OGH (2 Ob 252/09m).

•Zu guter Letzt führt der OGH auch noch den unsachlichen Unterschied bei der Haftung von Kasinos auf: Stürze nämlich ein Spieler im Zuge seines Kasinobesuchs, bekomme er vollen Schadenersatz, wenn das Kasino schuld ist. Verspiele er sein gesamtes Vermögen, sei die Haftung aber mit dem Existenzminimum begrenzt.

Dass sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit dem Glücksspielgesetz auseinandersetzt, ist einem Südtiroler zu verdanken. Der Mann hat zwei- bis dreimal in der Woche in den Casinos Innsbruck und Seefeld sein Geld beim Roulette verzockt. Bis zu 30.000 Euro pro Abend gingen verloren. Die Kasinos hätten ihn aber nie nach seinen Vermögensverhältnissen gefragt, so der Mann.

Die Kasinos seien nämlich der Meinung, dass der Spielerschutz nur für Österreicher gelte. Das stehe mit dem Recht der Europäischen Union im Widerspruch. Der Südtiroler klagte deswegen die Casinos auf Rückzahlung von 360.000 verspielten Euros.

Die Casinos Austria AG wehrte sich und verwies auf das Glücksspielgesetz. In diesem stehe eindeutig, dass der Spielerschutz nur für Inländer gelte. Und falls das EU-widrig sei, dann sei es immer noch Sache des Gesetzgebers, dies zu ändern. Das könne man nicht einer privatrechtlich organisierten Aktiengesellschaft zurechnen, an der der Staat keinen bestimmenden Einfluss habe.

Die Richter urteilten in der Causa noch nicht abschließend, da das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof abgewartet wird. Aber bereits in der jetzigen Entscheidung hält der OGH fest: Die Casinos hätten den Südtiroler schützen müssen, weil auch er EU-Bürger ist. Das Diskriminierungsverbot für Unionsbürger sei hier unmittelbar anwendbar und gehe dem nationalen Glücksspielgesetz vor.

[URL]http://diepresse.com/home/recht/rechtallgemein/570015/index.do[/URL]

march



Gepostet am 30.05.2010 um 20:19 von:
Benutzer: march
Der Original-Beitrag :
https://www.forum-gewerberecht.de/thread.php?postid=47912#post47912


Beitrags-Print by Breuer76