Forum-Gewerberecht

» Noch einmal das Vorlageverfahren EuGH vom 4.03.2010 «

@alle

Rechtsanwalt Bernd Hansen, 21266 Jesteburg hat unter [url=http://www.rechtsanwalt-hansen.de/12665.html]www.rechtsanwalt-hansen.d
e/12665.html[/url] weitere Informationen zur Vorlagenfrage erstellt:

Aktuell: Am 04.03.2010 fand die mündliche Verhandlung vor dem EuGH statt.

Zur Vorlagefrage des Bundesfinanzhofs vom 17.12.2008:
[b]Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten eine Regelung gestattet ist, nach der nur bestimmte (Renn-) Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche "sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" von der Steuerbefreiung ausgenommen sind?[/b] 

Nach hier vertretener Ansicht ist die Vorlagefrage mit [b]"Nein"[/b] zu beantworten, was sich u.a. aus folgenden kurz zusammenfassend dargestellten Gründen ergibt:

1) Die Antwort auf die Vorlagefrage ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Urteil des EuGH vom 17.02.2005 in den verbundenen Rechtssachen C-453/02 und C-462/02, [i]Linneweber[/i] und [i]Akritidis.[/i]
Dort heißt es in Randnummer 23:

[i]" Im Hinblick auf die Beantwortung der so umformulierten Frage ist daran zu erinnern, dass sich aus Artikel 13 Teil B Buchstabe f der Sechsten Richtlinie ergibt, dass die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und [b]Glücksspielgeräten[/b][/i] [b](textliche Hervorhebung des Unterzeichners)[/b][i] grundsätzlich von der Mehrwertsteuer zu befreien ist, wobei die Mitgliedstaaten aber dafür zuständig bleiben, die Bedingungen und Grenzen dieser Befreiung festzulegen (Urteil Fischer, Randnr. 25)"[/i]

Der Gerichtshof hat im Urteil vom 17.02.2005 also bereits ausdrücklich erklärt, dass [b]der Betrieb von Glücksspielgeräten[/b] grundsätzlich von der Umsatzsteuer zu befreien ist. Eine Regelung, welche sämtliche Glücksspielgeräte von der Befreiung ausnimmt, steht hierzu im krassen Widerspruch. Selbst wenn man die Ermächtigung der Mitgliedstaaten zu Bedingungen und Beschränkungen soweit fassen wollte, dass ihnen auch Ausnahmen von der Befreiung gestattet sind, müsste der Betrieb von Glücksspielgeräten im Kern von der Mehrwertsteuer befreit werden.

2) Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie gibt den Mitgliedsstaaten nicht das Recht, [b]Ausnahmen von der Befreiung[/b] vorzunehmen. Dort wo Art. 135 der Richtlinie Ausnahmen von der Befreiung zulassen will, sind diese ausdrücklich als solche bezeichnet. Man darf unterstellen, dass sich der Richtliniengeber bei der Gestaltung des Art. 135 über die unterschiedliche Bedeutung des Begriffs [b]"Ausnahme"[/b] einerseits und des Begriffs [b]"Bedingungen und Beschränkungen"[/b] andererseits im Klaren war.

3) Selbst wenn man den Mitgliedsstaaten mit der Gegenansicht [b]"Ausnahmen"[/b] von der grundsätzlich zu gewährenden Umsatzsteuerbefreiung des Glücksspiels mit Geldeinsatz zubilligen wollte, wäre dies keine Ermächtigung, die Ausnahme zur Regel zu machen. Vielmehr müsste weiterhin die grundsätzliche Steuerfreiheit der Glücksspielumsätze gewährleistet sein. Genau das Gegenteil macht allerdings die Bundesrepublik Deutschland, in dem sie in § 4 Nr. 9 Buchstabe b UStG [b]nur einzelne Glücksspiele[/b], nämlich Wetten und Lotterien, von der Umsatzsteuer befreit und alle übrigen Glücksspiele, die etwa 2/3 der gesamten Glücksspielumsätze ausmachen, der Umsatzsteuer unterwirft. Es liegt also zumindest ein [b]Verstoß gegen das Regel-Ausnahme-Prinzip[/b] vor.

4) Nach dem klaren Wortlaut des Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie sind neben Wetten und Lotterien auch [b]"sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz"[/b] (zumindest grundsätzlich) von der Umsatzsteuer zu befreien. Die Bundesrepublik unterwirft jedoch die Umsätze aus "sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz" [b]ausnahmslos[/b] der Umsatzbesteuerung, was nicht richtlinienkonform ist.

5) Die Bundesrepublik Deutschland verstößt auch weiterhin gegen den[b]Grundsatz der steuerlichen Neutralität[/b], in dem nämlich die Umsätze der öffentlichen Spielbanken de facto nicht der Umsatzsteuer unterliegen, da insoweit über die Spielbankengesetze der Länder eine vollständige und [b]centgenaue (!) Anrechnung der Umsatzsteuerschuld auf die Spielbankenabgabe [/b]erfolgt. Die BRD benutzt also das föderale Rechtssystem, um gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zu umgehen.

6) Ein wesentliches Kriterium der Umsatzsteuer ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH deren [b]Abwälzbarkeit auf den Endverbraucher[/b]. Die gewerblichen Automatenaufsteller waren jedoch wegen der [b]durch die Spielverordnung vorgegebene Preisbindung[/b] (sowohl hinsichtlich der Einsätze, als auch hinsichtlich der maximalen und durchschnittlichen Stundengewinne) weder in der Lage, die zum 06.05.2006 eingeführte, noch die zum 01.01.2007 von 16 % auf 19 % erhöhte Umsatzsteuer auf die Spielgäste abzuwälzen. Das von deutschen Gerichten immer wieder (willkürlich) gewählte Konstrukt der "kalkulatorischen Abwälzbarkeit" ist dem EuGH offenbar bislang fremd.



Gepostet am 09.03.2010 um 08:09 von:
Benutzer: anders
Der Original-Beitrag :
https://www.forum-gewerberecht.de/thread.php?postid=44887#post44887


Beitrags-Print by Breuer76