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Guten Tag,

ich bin gerade auf diesen Forumsbeitrag gestoßen. Kürzlich habe ich ein sehr unterhaltsames Interview mit Sandra Naujoks auf Spiegel-Online gelesen. Falls es jemanden interessiert - hier ist es:

Sandra Naujoks hat alles, was unser neuer Pokerkolumnist Lasse König gern hätte: Erfolg, Können, Geld. Also beschloss Deutschlands unerfahrenster Spieler, die Kartenkönigin zu besuchen. Ein Gespräch über Armbänder, Las Vegas und die Frage, ob Frauen besser pokern.
Berlin, Hauptbahnhof. Die Austernbar hat sich hinter viel Glas versteckt, ein edler Schuppen mit After-Work-Partys, DJs und weiß beblusten Kellnerinnen. Die Sonne auf der Terrasse hat sich verzogen, vielleicht mag sie den Hauptbahnhof nicht, wo Berlin so wenig Berlin ist wie nirgendwo sonst. Eigentlich wollten wir uns im Prenzlauer Berg treffen, in ihrem Stammcafé, aber Sandra Naujoks, Pokerprofi, Europameisterin, Aufsteigerin und Wohltäterin ist plötzlich ein bisschen berühmt geworden. Und viele Menschen kommen mit dem Zug zu ihr.
Sie sitzt draußen auf der Terrasse, schwarze Haare, schwarze Bluse, schwarze Hose, schwarze Stiefel, Frau Naujoks ist sie noch für ein paar Minuten, bis sie mir das Du anbieten wird. Mir, Lasse König, dem personifizierten Nichts, in der Theorie ein guter Pokerspieler, aber ohne praktische Erfahrung. Ein Fisch, der in der nächsten Woche sein erstes Mal am Pokertisch sitzen wird - und irgendwann ein Hai sein will.
Ich komme mir jetzt lächerlich vor, weil ich Jogi Löw auch nicht fragen würde, wie man ganz schnell Nationalspieler wird.
Sandra Naujoks guckt skeptisch. Dann steckt sie sich eine Zigarre an. Havanna, mit Bossner-Hölzern. Mustert mich. Verdammt. Ich bin hier, um Sicherheit zu bekommen, letzte Tipps. Und jetzt schaut sie mich an wie einen Aushilfskellner. Aber vielleicht blufft sie ja nur.

Lasse König: Ich habe anderthalb Jahre viele Bücher über Poker gelesen, aber noch nie gespielt. Kann ein Theoretiker ein guter Pokerspieler sein?

Theoretisch ja, sagt Sandra und grinst.

Sandra: Aber das meinst du doch nicht ernst?

Lasse: Doch.

Ich grinse nicht.

Sandra: Theoretisches Wissen ist ja schön und auch wichtig, aber ein guter Pokerspieler wirst du nur, indem du Erfahrung sammelst. Ich war Pokernomade, bin mehr als ein Jahr lang von einem Liveturnier zum anderen gezogen. Ich habe jede Literatur zu diesem Thema verschlungen, ich lese auch heute die aktuellen Bücher. Im Internet habe ich mir Turniere angesehen und tue das auch heute noch. Damals, um mir bei den Profis was abzuschauen. Heute, um die Konkurrenz zu studieren.

Lasse: "Damals" - hört sich an wie ein Bericht aus dem Pleistozän.

Sandra: Das stimmt. Ich spiele ja gerade mal seit anderthalb Jahren Livepoker...

Lasse: ... und hast innerhalb von einem halben Jahr die Europameisterschaft gewonnen und das Turnier in Dortmund. Auch, weil du eine Frau bist?

Sandra: Wie meinst du das?

Mist. Ich hatte diese Frage rot angestrichen wie eine alte Brücke auf einer Radwanderkarte. Vorsicht, kann zusammenbrechen! Und jetzt liege ich im Fluss und muss irgendwie rauskommen.

Lasse: Kann es nicht sein, dass Frauen die besseren Pokerspieler sind? Man schreibt ihnen ja eine große Intuition zu.

Sandra: Es hat sicher einige Vorteile. Ich bin meist entspannt und denke mir: ich finde schon meinen Spot, um zuzuschlagen. Man will als Frau nicht das Alphatier am Tisch sein und kann deshalb eigentlich immer ganz ruhig bleiben, während Männer... Naja, du wirst wissen, was ich meine.

Ja, lüge ich und bleibe ganz ruhig. Mein Gesicht ist eine Maske.

Lasse: Und die Intuition?

Sandra: Die ist definitiv wichtig. Im Poker gibt es viele Zeichen, die man lesen können muss, "Tells", die einem etwas über die Karten des Gegners verraten. Aber trotzdem entscheidet manchmal der Bauch.

Lasse: Wenn man also Turniere mal paritätisch besetzen würde...

Sandra: ... gewännen mehr Frauen als Männer, daran glaube ich.

Lasse: Warum gibt es denn verhältnismäßig wenige erfolgreiche Frauen im Poker?

Sandra: Ich glaube, dass Poker nie ein Spiel für Frauen sein wird. Mit den großen Turnieren ist man 300 Tage im Jahr unterwegs. Das ist mit einer Beziehung nicht möglich. Chancen haben also nur Frauen, denen eine Beziehung oder Familie egal ist. Die auf ihre Karriere fokussiert sind, aber das sind ja die wenigsten.

Lasse: Ihr Frauen seid doch die neuen Männer!

Sandra: Wer's glaubt. Viele meiner Kollegen haben Familie, Kinder, aber sind nur Teilzeitväter oder -ehemänner. Sie kommen mal kurz nach Hause, schütteln die Hand und sind wieder weg. Ein Mann kann das immer noch eher vereinbaren. Ich denke außerdem, dass Frauen Poker vom Naturell nicht liegt. Ein Mann ist auf Konkurrenz gebürstet, ein All-in bedeutet doch tief drinnen auch: Lass uns vor die Tür gehen. Frau hat das nicht, sie denkt eher um die Ecke. Die wenigen Frauen, denen das gelingt, müssen einen Gendefekt haben.

Sie lacht jetzt und zieht an ihrer Zigarre. Ich denke an Annette Obrestad, die Norwegerin, die ein Turnier gewann und dabei nur ein einziges Mal ihre Karten anschaute. Ich hatte schon immer das Gefühl, Obrestad ist irgendwie unheimlich. Sie, die aussieht wie eine Wachsfigur mit Prada-Brille. Aber sie hat wohl auch einfach nur einen Gendefekt.

Lasse: Hast du jemals Freunde vernachlässigt wegen deines Berufs?

Sandra: Ich hatte nie einen wirklich großen Freundeskreis, ich bin ja immer weggezogen. Dessau, Magdeburg, Stuttgart, und irgendwie lässt du immer Freunde zurück. In Berlin wird es genauso sein, wenn ich nach Wien gehe. Die Zeit für Freunde ist weniger geworden.

Lasse: Wann hast du deinen festen Job gekündigt?

Sandra: Relativ schnell. Ich hatte danach zwar nicht viel Geld, aber der Tag war frei für Poker. Und vermisst habe ich den Agenturjob auch nicht. Ich musste jeden Morgen aus dem Haus, 40 Minuten durch Berlin, zehn Stunden Arbeit, dann wieder 40 Minuten zurück. Poker dagegen war toll, eine Herausforderung, und ich musste es nicht allen recht machen.

Es läuft ganz gut bisher, denke ich. Sie hat mit offenen Karten gespielt (glaube ich), ich auch (glaubt sie). Sandra ist mittlerweile tiefenentspannt, ich habe den dritten Espresso getrunken und bin das Gegenteil. Gute Voraussetzungen für DAS heikle Thema. Geld. Bei Geld wird's immer dann schwierig, wenn sich zwei Menschen gegenüber sitzen, von denen einer viel hat und der andere keins. Aber ich muss ja vorbereitet sein, weil sich das bald ändern soll (bei mir!!!, die Red.).

Lasse: Irgendwann wurdest du mit viel Geld konfrontiert, sehr viel Geld.

Sandra: Auch wenn du mir das nicht glauben wirst: Ich spiele nicht fürs Geld, sondern für die Herausforderung. Ich will ganz oben dabei sein. Wenn mich jemand fragt, willst du ein Turnier der European Poker Tour gewinnen oder 900.000 Euro, nehme ich immer die Trophäe.

Lasse: Ich glaub's dir auch nicht!

Sandra: Doch! "Dabei sein ist alles", das ist kein Motto für mich. Du definierst dich ja nicht über zehnte Plätze, ein Titel ist eine andere Hausnummer. Es geht ums Gewinnen. Wenn sich daneben noch ein bisschen Geld ansammelt, ist das schön. Das gibt Sicherheit, man kann frei aufspielen - und Mama und Papa sind auch ruhig.

Ich stelle mir vor, was wohl passieren würde, wenn ich meiner Mutter erzählte, ich bin jetzt Pokerprofi. Sie hat mich schon im Obdachlosenheim gesehen, als ich das Jurastudium abbrach. Und nochmal, als es mit Geschichte auch nichts wurde. Meine Mutter ist sehr konservativ, aber wenigstens spielt sie Bridge. Manchmal auch um Geld.

Lasse: Wie hast du es überhaupt deinen Eltern beigebracht, dass du plötzlich pokerst?

Sandra: Gebeichtet habe ich es, als ich gerade davon leben konnte, aber das Profitum noch weit weg war. Profi zu sein war mein Ziel, aber meine Freunde haben damals alle gelacht. Meinem Vater habe ich erzählt, dass ich Profi werden will und mir eine Deadline bis Ende 2008 gebe. 'Dann bin ich Profi oder lege den Traum ad acta'. Er wusste, dass ich diszipliniert bin, ich hätte es danach auch wirklich nur noch als Hobby betrieben.

Lasse: Und plötzlich warst du Europameisterin und hast einen Scheck über 175.000 Euro in die Kameras gehalten.

Sandra: Und in dem Moment hat er gesagt: Ok, mach es.

Lasse: In Dortmund kamen mehr als 900.000 Euro dazu. Was hast du mit dem Geld gemacht?

Sandra: Ich hab meine Familie bedacht, Papa hat eine Harley bekommen, Oma eine Küche und Mama hab ich das Haus eingerichtet.

Lasse: Und du selbst?

Sandra: Noch nichts. Ich will mir in Las Vegas ein Haus kaufen. Und außerdem von Berlin nach Wien ziehen.
Las Vegas. Wien. Die große weite Pokerwelt. Las Vegas gilt als größter Pokertisch der Welt, Wien als Steuerparadies für die Profis - in Deutschland müssen Pokerprofis pauschal 43 Prozent an den Fiskus abführen. Ich hab eine Tante in Wien. Aber will ich das wirklich noch? Pokerweltmeister werden? Ich hab keinen Gendefekt aber Familie. Ich hab einen guten Job und nicht viel Zeit. Ich würde im Zweifel lieber die 900.000 Euro nehmen als die Trophäe. Mal sehen.

Lasse: Was ist das für eine Welt, dieser Pokerzirkus?

Sandra: Du kommst jeden Tag mit Leuten zusammen, die du sonst vielleicht nie kennenlernen würdest. Da ist der 18-jährige Schüler, da sind Unternehmensberater, Gastronomen, Taxifahrer oder der 65-jährige Pensionär. Es ist aufregend.

Lasse: Hast du dich gleich wohlgefühlt?

Sandra: Ich bin sofort an die richtigen Leute geraten, aber ich hatte als Frau schon starken Gegenwind. Am Anfang belächeln sie dich, dann bekämpfen sie dich und erst am Ende respektieren sie dich. Mit dem zweiten Sieg habe ich bewiesen, dass ich was kann. Ich mache das jetzt ein halbes Jahr, ich frage mich, wo ich in drei Jahren stehe. Ich hoffe es geht so weiter. Es ist noch ganz viel Luft nach oben, der Ehrgeiz ist da, das "Bracelet" (das Armband bekommt der Sieger eines World Series of Poker-Turniers in Las Vegas; die Red.) muss her, vorher gebe ich eh keine Ruhe.

Ich muss jetzt an Phil Hellmuth denken und an Mike Matusow, die beiden berüchtigten Schreihälse der Szene. Und mir fällt ein, dass ich schon mit acht Jahren Veranstaltungen in der Schule moderiert habe. Ich bin eine Rampensau und Sandra wird mir jetzt bestätigen, dass das gute Voraussetzungen sind. Es wäre wenigstens etwas.

Sandra: Also ich bin bestimmt keine Rampensau! Auch im Spiel nicht, ich bin eher introvertiert, zurückhaltend. Aber wenn es darum geht, meinen Sport in den Medien zu repräsentieren, dann bin ich eben die souveräne, toughe Pokerbraut, die spiele ich dann auch ganz gut.

Lasse: Viele Pokerprofis hören Musik während des Spiels. Was hörst du?

Sandra: Das ist ganz unterschiedlich, viel Klassik, Chopin, Oper.

Sie ist so anders. Ich werde Jazz hören, E.S.T., Brubeck und bei "Viaticum" mein erstes Turnier gewinnen. Irgendwann. Die Zeit ist fast rum, eins muss ich noch loswerden. Sandra spricht es nicht von sich aus an, was sie noch sympathischer macht. Sie ist nämlich auch sozial engagiert - und auch ich würde einen Teil meiner Millionengewinne selbstverständlich spenden. Superstars müssen einfach eine soziale Ader haben.

Sandra: Ich möchte irgendwann eine Spendenorganisation aufbauen und alle Pokerprofis dazu bringen, sich zu beteiligen. Vielleicht mit zwei Prozent ihrer Gewinne. Wir könnten so viel helfen, es gibt jede Menge Elend auf dieser Welt.

Lasse: Du engagierst dich in Kambodscha.

Sandra: Ich war im Februar drei Wochen in Kambodscha, ich werde dort im Sommer eine Schule bauen, auch für Waisenkinder. Eigentlich wollte ich nur das Land besuchen, aber als ich dort war, wollte ich auch helfen. Ich traf dann auf einen Mönch, der eine Schule errichten möchte - und den unterstütze ich nun.

Die Zigarre liegt ausgedrückt im Aschenbecher, Sandra Naujoks muss jetzt los. Mit Prominenten pokern fürs Fernsehen. Ende Mai geht in Las Vegas die World Series of Poker los, und wenn alles gut läuft, wird ihr Vater sie wieder im Fernsehen sehen, mit einem dicken Scheck und einem Armband.

Ich werde ganz bald an meinem ersten kleinen Turnier teilnehmen, mit Freunden. Es geht im Wesentlichen um die Ehre. Wenn alles gut läuft, werde ich stolz auf mich sein und drüber schreiben. Meine Mutter hat seit gestern Internet.

Sonnige Grüße,

Waldemar



Gepostet am 03.12.2009 um 20:32 von:
Benutzer: Waldemar
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