Forum-Gewerberecht

» Gewerbeausübung während Bewährungszeit «

Liebe Mitleser und Mitleserinnen,

es wäre falsch, das Gewerberecht völlig isoliert von seiner Aufgabe in der Rechtsordnung zu betrachten. Zum einen muss bei unserer Arbeit immer das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art 12 GG) beachtet werden, zum anderen das Gewerberecht als ein besonderer Bereich des Rechts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gesehen werden. Es geht daher immer darum, Gefahren für die Allgemeinheit abzuwehren, die vor von dem, mit der Ausübung eines Gewerbes untrennbar verbundenen Streben nach Gewinnmaximierung, verursacht werden.

Auch das Strafrecht hat die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schützen, da es ein Instrument darstellt, sozialwidriges und kriminelles Handeln nachträglich zu sanktionieren.

Das Sicherheitsrecht wirkt damit in die Zukunft (Abwehr von Gefahren) das Strafrecht in die Vergangenheit (vollendete oder versuchte Straftat). Wo sich beide Bereiche überschneiden ist eine Abgrenzung erforderlich. Mit der Entscheidung, die Strafe für eine begangene Tat zur Bewährung auszusetzen, trifft der Strafrichter eine Prognose in die Zukunft. Er geht davon aus, der Täter werde sich die Strafe zur Warnung dienen lassen und künftig keine Straftaten mehr begehen. Aus diesem Grund trifft § 35 Abs. 3 eine gesetzliche Abgrenzung:

Will die Verwaltungsbehörde in dem Untersagungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen einen Gewerbetreibenden gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil von dem Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich bezieht auf

1. die Feststellung des Sachverhalts,

2. die Beurteilung der Schuldfrage oder

3. die Beurteilung der Frage, ob er bei weiterer Ausübung des Gewerbes erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 70 des Strafgesetzbuches begehen wird und ob zur Abwehr dieser Gefahren die Untersagung des Gewerbes angebracht ist. Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt

Die Entscheidung über ein vorläufiges Berufsverbot (§ 132 a der Strafprozeßordnung), der Strafbefehl und die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, stehen einem Urteil gleich; dies gilt auch für Bußgeldentscheidungen, soweit sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage beziehen

Die vom Richter angestellte Zukunftsprognose muss daher von der Gewerbebehörde bei der eigenen Prognose berücksichtigt werden. Eine Entscheidung, die der gerichtlichen Prognose widerspricht ist unzulässig.

Die Aussetzung einer Strafe zur Bewährung ist damit prinzipiell eine für den Verurteilten günstige Zukunftsprognose. Da § 35 dem Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Gewerbetreibenden dient, nicht der, durch Art. 103 Abs. 3 GG verbotenen doppelten Bestrafung, muss untersucht werden, ob dieser Aspekt vom Gericht berücksichtigt wurde. Ist dies nicht der Fall, kann ein Untersagungsverfahren eingeleitet werden. Aus diesem Grund sollen die Staatsanwaltschaften nach Nr. 42 der MiStrA (Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen) die Gewebebehörden über gewerbebezogene Verurteilungen unterichten.

In die dann anzustellende Zukunftsprognose sind die Umstände der Straftat, die Einsicht des Täters, die Beurteilung durch das Gericht, die möglichen Gefahrenmomente, der Anspruch auf freie Berufsausübung, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Ergebnis der Anhörung des Betroffenen einzubeziehen. Bestehen trotz der für die Strafaussetzung der Bewährung immer noch Gefahren für die Allgemeinheit durch einen unzuverlässigen Gewerbetreibenden, ist das Gewerbe zu untersagen.

Auch wenn das Gesetz kein Ermessen zulässt, die Untersagung ist immer der größte Rechtseingriff und die ultima Ratio.



Gepostet am 17.02.2006 um 08:36 von:
Benutzer: Ingolstadt
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