Forum-Gewerberecht

» Spezialfall - sehr viele Tätigkeiten, überhaupt möglich im Reisegewerbe? «

[quote][i]Original von Civil Servant[/i]
Maßgeblich ist Rechtliches und so lange die HWO nicht in toto als verfassungswidrig eingestuft ist, gilt sie.[/quote]
Das stimmt. Aber – hier – eben auch nicht.

Übt ein Inhaber einer Reisegewerbekarte sein Gewerbe als bzw. wie ein stehendes Gewerbe aus, ohne die Voraussetzungen der Handwerksordnung zu erfüllen, liegt in der Tat ein Verstoß gegen die HWO vor. Mit dem Reisegewerbe hat dies aber nichts zu tun, außer dass die Grenzen der Erlaubnis überschritten werden.

Im Reisegewerberecht gilt die Handwerksordnung aber gerade nicht. Die Anforderungen der HWO können also nicht als Voraussetzung für die Erteilung einer Reisegewerbekarte herangezogen werden. Mit anderen Worten: Der Gewerbetreibende muss das oder die ausgeübten Gewerbe eben nicht „meisterlich“ beherrschen. Deshalb kann die – tatsächlich oder vermeintlich – fehlende Qualifikation nicht als Versagungsgrund herangezogen werden.

Der Gesetzgeber hält eine „meisterliche“ Qualifikation im Reisegewerbe aber offensichtlich auch nicht für erforderlich. Das folgt jedenfalls aus der von Pitti81 zitierten Begründung, die davon ausgeht, dass im Reisegewerbe lediglich einfachere Tätigkeiten ausgeübt werden. Er sieht also keine Veranlassung, eine besondere („meisterliche“) Qualifikation für die Erteilung einer Reisegewerbekarte zu verlangen. (Der reisende „Elektriker“ zieht nach der Vorstellung des Gesetzgebers eben nur die Strippen, das „Finish“ und die Abnahme macht dann der Fachmann.) Wer gleichwohl, entgegen der eindeutigen Gesetzeslage, über die Zuverlässigkeit hinaus aus „Gewissensgründen“ „eine Ausbildung“ verlangt, beugt das Recht, wenn auch nicht im strafrechtlichen Sinne.

Ob das alles so sinnvoll geregelt ist, ist eine ganz andere Frage. Das kann jeder für sich beurteilen, gerne auch so wie Pitti81. Aber es steht der Verwaltung nicht zu, dem Antragsteller, der einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Erlaubnis bzw. Ausstellung einer Reisegewerbekarte hat, sein Recht zu versagen, weil einem die gesetzliche Regelung nicht gefällt (auch wenn es im seltenen, Bauchschmerzen verursachenden Einzelfall durchaus sinnvoll sein mag, einen Richter das Nichtvorliegen eines Versagungsgrundes feststellen zu lassen).



Gepostet am 04.04.2024 um 14:21 von:
Benutzer: Ludwig
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