Forum-Gewerberecht

» Gewerbe oder Kunst? «

Guten Morgen,
dazu gibt es eine eindeutige Rechtsauffassung und auch bereits Rechtsprechungen die meine Rechtsabteilung vor einigen Jahren zu einem ähnlichen Fall schriftlich formuliert hatte:
Auszug:
..Gemäß § 14 Absatz 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) muss derjenige, der den selbst-ständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer un-selbstständigen Zweigniederlassung anfängt, dies der zuständigen Behörde anzeigen. Gewerbe im Sinne dieser Vorschrift ist jede nicht sozial unwertige, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit, die nicht zur Urproduktion, zu den freien Berufen oder zur bloßen Verwaltung eigenen Vermögens zu zählen ist. Dass es sich bei der Herstellung Ihrer Arbeiten um eine erlaubte Tätigkeit handelt, steht außer Frage. Frau S. handelt auch mit Gewinnerzielungsabsicht, da die hergestellten Werke vergütet werden, so dass aus den Einkünften auch der Lebensunterhalt ganz oder teilweise bestritten werden kann. Sie ist auch selbstständig tätig, da sie auf eigene Rechnung und auch auf eigene Gefahr nach außen im eigenen Namen auftritt und in persönlicher und sachlicher Unabhängigkeit eigene Verantwortung trägt.
Somit ist allein fraglich, ob das Merkmal einer freiberuflichen künstlerischen Tätigkeit, das die Qualifikation als Gewerbe ausschließen würde, bei Frau S. angenommen werden kann. Zu den freien Berufen zählen neben den in § 6 GewO genannten Tätigkeiten allgemein alle Dienstleistungen höherer Art, aufgrund des Elements der freien schöpferi-schen Gestaltung mithin auch künstlerische Betätigungen.
Nach Sichtung der mir vorliegenden Quellen komme ich zu dem Ergebnis, dass eine sol-che künstlerische Tätigkeit nicht vorliegt.

Wie Ihnen möglicherweise bekannt ist, existiert eine klare Definition des Kunstbegriffs weder im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland noch in den einzelnen Fachgesetzen. Die mit der Prüfung betrauten Behör-den sind daher angehalten, den Gestaltungs- und Wirkungsbereich im konkreten Einzelfall zu beurteilen. Als das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung zu betrachten, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden. Hierbei darf auch nicht verkannt werden, dass im Grenzbereich zwischen Kunst und Gewerbe der gewerbliche Verwendungszweck und die bestimmungsgemäße Verwendung als Gebrauchsgegenstände die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit nicht ausschließen. Entscheidend ist, ob die Arbeiten nach ihrem Gesamtbild eigenschöpferisch sind und über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe erreichen. Maßgeblich ist die auf die Künstlerpersönlichkeit zu-rückzuführende individuelle Ausdruckskraft, wobei nicht auf einzelne Arbeiten, sondern das Gesamtbild der Tätigkeit zu beurteilen ist.
Unzweifelhaft ist für mich, dass die Beherrschung der handwerklichen Tätigkeit durch Frau S. im Vordergrund steht. Für die Fokussierung auf die handwerklichen Techniken spricht der berufliche Werdegang bzw. die Ausbildung von Frau s. Die ohne Frage deutlich zu erkennende Kreativität von Frau S. bezieht sich vordringlich auf die Anwendung erlernter Techniken, die sie im Rahmen der einzelnen Anwendung zusammenstellt. Hierbei wird von mir nicht verkannt, dass es sich ausweislich der Angaben auf ihrer Homepage bei den Produkten um Unikate handele.
Auch dieses Prüfungsergebnis hat zur Folge, dass die hier vorgenommene und von Ihnen gerügte rechtliche Beurteilung nicht zu beanstanden ist.
Was meine Entscheidung betrifft, in der ich leider nicht zu dem von Ihnen erhofften Rechtsergebnis gelangen konnte, möchte ich nochmals betonen, dass dieses rein auf dem Ausfluss einer juristischen Bewertung beruht. ...."

VG und ein gesundes neues Jahr



Gepostet am 04.01.2022 um 10:52 von:
Benutzer: hanisch-beckum
Der Original-Beitrag :
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