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Der Plan des Pharmakonzerns, das weltweit teuerste Medikament, Zolgensma, zu verlosen, empört auch Ärzte zunehmend.

Wien. Zolgensma heißt das teuerste Medikament der Welt. Der Schweizer Pharmakonzern Novartis hat für das Gentherapeutikum für Kinder mit Spinaler Muskelatrophie die Zulassung im Mai 2019 in den USA erhalten. In Europa allerdings noch nicht. Eine Infusion kostet zwei Millionen Dollar. Kleinkindern, die an dieser lebensbedrohlichen Muskelerkrankung leiden, kann mit einer einmaligen Behandlung geholfen werden. Kein Wunder, dass Eltern erkrankter Kinder in Europa alles daran setzten, die Behandlung erstattet zu bekommen.

Novartis erklärte sich grundsätzlich bereit, 100 Injektionen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Man habe nach einem Verfahren gesucht, „Patienten fair und gleichberechtigt zu behandeln“, teilte Andrea Hofmaier, Geschäftsführerin von Avexis mit. Das Unternehmen ist eine Novartis-Tochter, die sich auf die Behandlung von seltenen neurologischen Erkrankungen spezialisiert und Zolgensma entwickelt hat. Der Konzern habe einen unabhängigen Ethikbeirat zurate gezogen, der vorgeschlagen hatte, das Medikament zu verlosen. „Wir glauben, dieses Verfahren ist absolut fair, auch wenn es vielleicht nicht perfekt ist“, so Hofmaier.

Tatsächlich stieß die Wahl des Zufallsprinzip auf harsche Kritik bei Behörden, Patientenvereinen, Krankenkassen und Ärzten. Die Patientenvertretung SMA Europe sagte, dieses Vorgehen lasse Zolgensma „wie einen Gewinnspiel-Preis aussehen“. Besser wäre es gewesen, Patienten mit den höchsten Bedürfnissen Priorität einzuräumen.

Interessant ist, dass deutsche Krankenkassen in Deutschland die Behandlungskosten mit dem Medikament schon in drei Fällen übernommen haben, obwohl es noch nicht zugelassen ist. Ein ungewöhnliches Vorgehen. Ein Rechtsanwalt in Nordrhein-Westfalen versucht nun, auch für andere erkrankte Kinder die Übernahme der Kosten zu erstreiten.

Kürzlich haben Ärzte verschiedener deutscher Uni-Kliniken im deutschen Ärzteblatt eine Protestschrift verfasst. Darin prangern sie an, dass im Fall Zolgensma „nicht mehr nach medizinischen Kriterien entschieden werde“. Überdies sei die Wirkung des Medikaments medial vielfach zu positiv dargestellt worden. Schäden, die vor der Diagnose der Erkrankung eingetreten seien, könnten auch durch Zolgensma meist nicht mehr rückgängig gemacht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2020)



Gepostet am 14.01.2020 um 10:42 von:
Benutzer: schindel
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