Forum-Gewerberecht

» Reisegewerbekarte «

Hallo Frau Tielke,

ich habe mal hinsichtlich der Definitionsfrage Wikipedia bemüht. Hiernach sind Champagner und Sekt wegen des „Gehaltes an perlendem Kohlendioxid“ Schaumweine. Diese zählen zu „Weinen im weiteren Sinne“ zu denen auch Likörweine (wie Sherry oder Portwein) und nicht ausgegorener Wein (z.B. Federweißer) zählen.

Quelle: [URL]http://de.wikipedia.org/wiki/Wein[/URL]

Unter: [URL]http://de.wikipedia.org/wiki/Sekt[/URL] findet man übrigens die entsprechende Definition für Sekt, wonach Sekt einen Alkoholgehalt von mindestens 10 Vol. % und einen Überdruck von 3,5 bar haben muss.

Koll. Steinmetz hat hinsichtlich des Verweises auf die grundsätzlich enge Auslegung der Ausnahmevorschriften vollkommen Recht.

Anders als Koll. Steinmetz sehe ich die Trennung zwischen Wein und Sekt unter Beachtung der oben angeführten Definitionen nicht so streng. Vielmehr würde ich den Sekt zum Begriff des Weines hinzurechenen.

Der Schutzzweck der Vorschrift des § 56 Abs. 1 Nr. 3b GewO dürfte schwerpunktmäßig im Bereich des Jugendschutzes bzw. der Bekämpfung des Alkoholmissbrauches liegen. Aber gerade das Jugendschutzgesetz trifft keine Unterscheidung zwischen Wein und Sekt sondern grenzt in § 9 Abs. 1 JuSchG branntweinhaltige Lebensmittel und Getränke aus und unterwirft diese einer höheren Altersbeschränkung hinsichtlich des Verkaufs als andere alkoholische Getränke (gemeint sind hier alle nicht branntweinhaltigen Getränke außer die sog. Alkopops). Für letztere wurde nachträglich § 9 Abs. 4 eingefügt, da Alkopops als besonders kritisch hinsichtlich der Gewöhnung Jugendlicher an den Alkohol eingestuft werden.

Durch den bereits von Herrn Steinmetz erwähnten Ausnahmetatbestand des § 56 Abs. 1 Nr. 3b GewO i.V.m. § 67 Abs. 1 Nr. 1 zweiter und dritter Halbsatz GewO: „…zugelassen sind alkoholische Getränke, soweit sie aus selbstgewonnenen Erzeugnissen des Weinbaus, der Landwirtschaft oder des Obst- und Gartenbaus hergestellt wurden; der Zukauf von Alkohol zur Herstellung von Likören und Geisten aus Obst, Pflanzen und anderen landwirtschaftlichen Ausgangserzeugnissen, bei denen die Ausgangsstoffe nicht selbst vergoren werden, durch den Urproduzenten ist zulässig;“ ist es für die benannten Anbietergruppen möglich, auch „hochprozentige Getränke“ im Reisegewerbe in Verkehr zu bringen.

Beachtlich ist weiterhin § 55a Abs. 1 Nr. 9 GewO. Hiernach bedarf der Reisegewerbekarten nicht, wer „von einer nicht ortsfesten Verkaufsstelle oder einer anderen Einrichtung in regelmäßigen, kürzeren Zeitabständen an derselben Stelle Lebensmittel oder andere Waren des täglichen Bedarfs vertreibt; das Verbot des § 56 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b findet keine Anwendung;“.
Auch in diesem Fall ist der Vertrieb jedweder alkoholischer Getränke zulässig (vgl. Landmann/Rohmer, Komm. Zur GewO § 55a RdNr. 53).

Letztendlich kann die zuständige Behörde gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 [B]für ihren Zuständigkeitsbereich[/B] im Einzelfall eine Ausnahme vom Verbot des § 56 Abs. 1 Nr. 3b GewO erlassen.

Nach all diesen Betrachtungen und der regelmäßigen Beobachtung, dass gerade der Personenkreis, auf dessen Schutz es dem Gesetzgeber ursprünglich ankam, seinen Bedarf an alkoholischen Getränken aus Kostengründen tatsächlich eher im nächsten Supermarkt befriedigt (für den eine solche Verbotsnorm nicht gilt), denn bei einem Reisegewerbetreibenden, halte ich die Vorschrift des § 56 Abs. 1 Nr. 3b GewO für deregulierungsbedürftig.

Den konkreten Fall betreffend würde ich Sekt und Champagner zum Begriff des Weines zählen, gleichwohl den Betroffenen darauf verweisen, dass dies freilich die nächste Behörde anders sehen kann.

Freundliche Grüße aus dem Spreewald

R. Land



Gepostet am 21.01.2007 um 23:50 von:
Benutzer: René Land
Der Original-Beitrag :
https://www.forum-gewerberecht.de/thread.php?postid=10944#post10944


Beitrags-Print by Breuer76