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Rennbahnen werden geschlossen, Wetteinnahmen sinken rapide, die Zuschauerzahlen ebenso. Lediglich ausländische Wettanbieter verdienen noch am Galoppsport. Eine deutsche Tradition leidet.

Pferde und Jockeys reisen an, die Wetthalle wird hergerichtet, das Restaurant vorbereitet. Am kommenden Samstag wird auf der Rennbahn in Neuss wieder spannender Galoppsport geboten. Der Rennsportpark galt lange Zeit als Vorzeigeobjekt: Der Standort in der Innenstadt ist attraktiv, die Flutlichtanlage sorgt für ein besonderes Flair. Bald allerdings könnten die Lichter ausgehen. Der Rennverein kann den teuren Pachtvertrag nicht mehr bezahlen - der 142 Jahre alten Anlage droht das Aus.

Mit diesem Schicksal steht Neuss nicht allein da. Auch die Pferderennbahn in Bremen kämpft ums Überleben. Und auf der Galopprennbahn in Frankfurt-Niederrad wird schon seit mehr als einem Jahr nicht mehr galoppiert. Auf dem Gelände soll das Leistungszentrum des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) entstehen. Noch kämpfen die Pferdesportfreunde dagegen an, in Bremen mit Bürgervereinen, in Frankfurt vor Gericht. Der Ausgang ist ungewiss. Jan Antony Vogel, Geschäftsführer vom Direktorium für Vollblutzucht und Rennen e.V., der Dachverband des Galoppsports, sorgt sich um die Zukunft: "Wenn wir die Einnahmen nicht deutlich erhöhen, könnten weitere Standorte wegbrechen."

Hauptproblem sind die sinkenden Wetteinnahmen. Zwar gibt es noch immer viele Deutsche, die beim Pferderennen ihre Tipps abgeben. Jedoch tun sie das nicht mehr auf der Rennbahn. Stattdessen wird im Internet gewettet. Dem Pferdesport entgeht dadurch sehr viel Geld. "Vor der Einführung der Onlinewetten haben wir gut 100 Millionen Euro im Jahr eingenommen. Voriges Jahr waren es nur noch 26,5 Millionen", sagt Vogel. An den Einnahmen der Onlinewetten wird der deutsche Galoppsport nur beteiligt, wenn der Anbieter seinen Hauptsitz in Deutschland hat. Das trifft auf die wenigsten zu. Peter Schiergen, seit über 30 Jahren als Jockey und Trainer eine prägende Figur im Galoppsport, bringt es auf den Punkt: "Wir machen das Produkt und die anderen leben davon."

Das Zuschauerinteresse ist in den vergangenen Jahren ebenfalls gesunken. Beispiel Hamburg: Jeden Sommer findet dort das Deutsche Derby statt. Es ist das wichtigste Rennen im deutschen Galoppsport. In den Achtziger- und Neunzigerjahren kamen rund 50.000 Zuschauer zur Horner Rennbahn. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 18.000. Auch die Prominenz zeigte sich früher gerne zwischen den schnellen Pferden. Die damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt oder Helmut Kohl waren Stammgäste. Heute ist man glücklich, wenn sich der Hamburger Innensenator blicken lässt.

Die Popularität der Reiter ist auch nicht mehr mit früheren Jahren vergleichbar. In den Fünfzigerjahren war Jockey Hein Bollow fast so berühmt wie Fußballstar Uwe Seeler. Heute weiß kaum jemand, dass der Deutsche Andrasch Starke einen der weltbesten Galoppsportler ist. Er gewann siebenmal das deutsche Derby, siegte sogar beim renommierten Prix de l'Arc de Triomphe in Frankreich. Dort ist Starke ein Star. Genauso wie in England, Japan oder China. "In diesen Ländern ist der Galoppsport viel populärer", sagt sein Trainer Schiergen. "Im Ausland kennen die Menschen mich. Dort muss ich am Eingang nicht meinen Ausweis vorzeigen." In Deutschland kann das schon mal passieren.

Nun ist es nicht so, dass im Ausland keine Konkurrenz durch das Internet existiert. "Aber dort fließen mehr Einnahmen in den Pferdesport zurück", berichtet Vogel. "Außerdem finden viel mehr Veranstaltungen statt. So lassen sich die Verluste kompensieren." In Neuss gab und gibt es in den ersten drei Monaten des Jahres 2017 ganze fünf Renntermine.

Deshalb müssen in Deutschland reiche Pferdesportfreunde die Bilanz ausgleichen. Kaffeemillionär Albert Darboven hat für den Hamburger Galoppsport eine ähnliche Bedeutung wie Klaus-Michael Kühne für die Fußballer des Hamburger SV: Ohne sein Geld geht nichts mehr. Andere Sponsoren für den Galoppsport zu gewinnen, ist schwierig. Darboven gibt den öffentlich-rechtlichen TV-Sendern eine Mitschuld: "Der Galoppsport ist im Fernsehen nicht präsent", sagt Darboven. "Früher wurde das Derby live übertragen, hinzu kamen große Vor- und Nachberichte. Heute läuft nur eine zweieinhalbminütige Aufzeichnung in der 'Sportschau'." Für Sponsoren würden so schlagende Argumente fehlen.

Die Veranstalter müssen sparen. "Unser Umsatz ist nur noch halb so hoch wie in den Neunzigerjahren", sagt Eugen-Andreas Wahler, der Vorsitzende des Hamburger Renn-Clubs. Nicht nur die Werbekosten wurden heruntergefahren, sondern auch Stellen gestrichen. Früher gab es zwei festangestellte Geschäftsführer, heute gibt es gar keinen mehr. Ehrenamtliche Helfer müssen alles übernehmen.

Aufgegeben hat sich der deutsche Galoppsport aber noch nicht. Weil die Wetter wegbleiben, wird Pferderennen zu einem Familienevent: Eine Hüpfburg hier, ein Bobbycar-Parcours da, zwischendurch ein paar Pferde angucken - das dürfte zumindest den kleinen Gästen gefallen. Dass der französische Wettriese PMU deutsche Veranstaltungen in sein Programm aufnimmt, ist ein Hoffnungsschimmer. Eine Kooperation garantiert die Beteiligung an den Wetteinnahmen in Frankreich. Möglicherweise kann das einige Rennbahnen retten.

Zumindest die, für die es noch nicht zu spät ist.

[URL]http://www.spiegel.de/sport/sonst/galoppsport-in-der-krise-wetten-zusc
hauer-und-tv-praesenz-ruecklaeufig-a-1133098.html#ref=nl-dertag[/URL]



Gepostet am 18.02.2017 um 08:38 von:
Benutzer: räubertochter
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