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Bingo-Spielen gehört zu den beliebtesten Hobbys in der Region – unsere Autorin hat sich in Husum an den Spieltisch gesetzt.

Die einen nennen es Lotto, die anderen Bingo, viele sagen auch Verspielen dazu. In jedem Fall aber zählt das traditionelle Spiel um die Glückszahlen zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen in Nordfriesland. Fast immer sind es die örtlichen Vereine, die ihre Mitglieder dazu einladen. Daneben gibt es auch öffentliche Veranstaltungen, wie etwa die sonntägliche Bingo-Zeit im Schwesinger Tanztreff Engelsburg.

Wenn sich die Husumer Landfrauen alle zwei Jahre im Handwerkerhaus zum Verspielen verabreden, ist der Saal immer rappelvoll. Diesmal sind es mehr als 90 Frauen, die – hübsch zurechtgemacht, bestens gelaunt und gespannt zugleich – auf ihre mit Nummern bedruckten Karten starren, immer getrieben von der Hoffnung, dass ihre persönlichen Glücksnummern heute aufgerufen werden. Die meisten haben mehr als eine Spielkarte gekauft, drei bis vier kann man eigentlich recht gut im Auge behalten. Verdienen wird am Ende keiner an dem Spiel, es gilt: Was beim Kartenverkauf an Geld eingenommen wird, geht in Form von Sachpreisen auch komplett wieder raus.

Jeden Treffer markieren die Damen auf ihren Karten mit einem durchsichtigen Plättchen und füllen so langsam die Reihen. Bald sind nur noch zwei Felder frei, dann noch eins . . . und die Luft fängt an zu knistern. Jeden Moment wird sich jemand mit dem Ausruf „Pott“ den Rundensieg sichern.

Und dann, bei der 87, ist es soweit: „Pott!!!“ ertönt es aus einer Ecke des Saals. Dieser Ausruf wird mit einem kollektiven Aufstöhnen quittiert. „Wer hat da gewonnen? Die schon wieder!? Das ist ja nicht zu glauben! So ein unverschämtes Glück!“ Kommentare dieser Art sind an den Nachbartischen ebenso zu hören wie ein bisschen Gejammer: „Ich war so knapp davor, mir fehlte nur noch eine Zahl“, sagt eine Dame, während die Gewinnerin strahlend ihren Preis entgegen nimmt. Mal ist es ein Paket Kaffee oder eine Mettwurst, dann wieder ein ganzer Präsentkorb oder eine Tüte voller Leckereien.

Schriftführerin Brigitte Behrens hat an diesem Tag den wichtigsten Job: In schneller Folge zieht sie die Glückszahlen aus ihrem Beutel und verkündet diese laut und deutlich, bis jemand die Runde mit einem Jubelschrei beendet. Zeit sich zu freuen (oder zu ärgern) lässt sie den Damen nicht: „Abräumen! Neue Runde, neues Glück“, sagt sie resolut und greift erneut in den Beutel.

Damit der Spaßfaktor trotz aller Ernsthaftigkeit erhalten bleibt, baut sie kleine Konzentrationsstolpersteine ein: Sie sagt „Baby“ und meint die 1. Aus der 90 wird die „Großmutter“. Und wenn sie die 6 mit einem scharfen „s“ ansagt, hört man immer irgendwo ein Glucksen.

Wird Bingo op Platt gespielt, gibt es ein zusätzliches Handicap. Dann wird aus 88 schon mal „tachuntachentich“ und aus 90 „de ole Mann“. Wer des Plattdeutschen nicht ganz so mächtig ist, braucht bei solchen Zusammenkünften zusätzlich zum guten Gehör die wohlmeinende Übersetzungshilfe der Mitspieler. Für lediglich Hochdeutsch sprechende Bingo-Neulinge ist Bingo op Platt also nicht unbedingt das Spiel der Wahl.

[URL]http://www.shz.de/lokales/husumer-nachrichten/das-laster-der-nordfries
en-id15420471.html[/URL]



Gepostet am 25.11.2016 um 08:28 von:
Benutzer: räubertochter
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