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» Zentralverband Dachdecker im Reisegewerbe können „hervorragend fachlich qualifiziert sein" «

Hallo LKKS,

Hier einwenig Nachhilfe in Sachen Rechtsstaat:

"Das Landgericht ist im Gerichtsaufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland das Gericht zwischen Amts- und Oberlandesgericht. Jeder Landgerichtsbezirk umfasst mehrere Amtsgerichte, mehrere Landgerichtsbezirke stellen den Bezirk eines Oberlandesgerichts dar. Ausnahmen bestehen nur in den Stadtstaaten sowie dem Saarland. So kommt es vor, dass einem Oberlandesgericht nur ein Landgericht zugeordnet ist. In Deutschland existieren derzeit 115 Landgerichte."

In diesem Fall, weil es sich um einen unzulässigen Eingriff in das Wettbewerbsrecht gehandelt hat, war es das Landgericht für Handelssachen.

Sicherlich wollten Sie das Urteil durch die Anzahl der Landgerichte ein wenig abfällig beurteilen und mit Unbedeutsamkeit bewerfen?

Die naive Rechtsvorstellung, dass erst mehr Urteile vor mehreren Gerichten mehr Rechtswirksamkeit besitzen trifft einfach nicht zu.

Es gibt im übrigen nur einen Zentralverband der Dachdecker (ZVDH), der sich als Dachverband der Innungen und Landesinnungsverbände, sich an diese echt mühsam erarbeiteten Unterlassungsansprüche halten muss.

Organisiert sind alle Zentralverbände des Handwerks im ZDH. Ob diese Verpflichtung vorm Landgericht Bremen für Handelssachen nun auch für andere Zentralverbände bindend ist, sollte eigentlich selbstverständlich sein, denn pauschale, diskriminierende und undifferenzierte Äußerungen über Reisegewerbe sollten im 21. Jahrhundert zur Vergangenheit gehören.

Bindend für die Innungen, es gibt zur Zeit ca 7000 Stück, ist außerdem das Anerkenntnisurteil vorm Bremer Verwaltungsgericht. Hier wurde der DachdeckerInnung ein ganzer Katalog von unzulässigen Äußerungen zum Reisegewerbe untersagt.
Verwaltungsgerichte gibt es in Deutschland ca 60 Stück. Dazu kommen die Oberverwaltungsgerichte der Bundesländer.

In Ihrem Bundesland sind Verwaltungsgerichte in Frankfurt, Gießen, Kassel, Darmstadt und Wiesbaden.
Aber auch in Hessen mindert die Anzahl der Gerichte nicht ein Urteil vor nur einem Gericht.

Erst recht nicht, wenn die Beklagte dem Unterlassungsanspruch zustimmt, bzw in letzter Sekunde per Anerkenntnis zusagt.


Zur Erinnerung ein Beitrag der taz :


Neueste Entscheidung:
Der „Dach-Hai“ hat ausgedient
Die Dachdecker-Innung darf ihre reisenden BerufskollegInnen nicht länger diffamieren. Damit ist wieder ein Stückchen Gewerbefreiheit zurückerobert.



BREMEN taz | Wären Dach-Haie eine geschützte Spezies, müsste man langsam deren Aussterben befürchten. Das Verwaltungsgericht hat nun einen wesentlichen Lebensraum dieser seltsamen Fische trockengelegt: die Homepage der Bremer Dachdeckerinnung. Dort darf nicht länger pauschal unterstellt werden, dass reisende Dachdecker unseriöse Haustürgeschäfte anböten.
Wortschöpfungen wie „Dach-Hai“ gehören seit Langem zum Repertoire der Innungen, mit dem sie unliebsame Konkurrenz durch freie Handwerker diskreditieren. Doch immer öfter werden sie deswegen erfolgreich abgemahnt, so 2012 in Ostfriesland und vorgestern in Bremen. Um eine Verurteilung zu vermeiden, verpflichtete sich die Innung in letzter Minute gegenüber drei klagenden freien Dachdeckern, derartige Formulierungen von ihrer Homepage zu nehmen.
Für Jonas Kuckuck, Reetdachdecker, Kläger und im Vorstand des Berufsverbandes der unabhängigen Handwerker und Handwerkerinnen (BUH) aktiv, ist dieses sogenannte Anerkennungsurteil ein wichtiger Etappensieg. Allerdings fürchtet er, dass die Gegenseite nicht verstehe, um was es „eigentlich“ gehe: Die Abkehr von einem „tief verankerten zünftischen Denken“, das freies Handwerkertum prinzipiell nicht akzeptieren wolle.
In der Tat erging schon 2007 vor dem Bremer Verwaltungsgericht eine ähnliche Entscheidung gegen Handwerkskammer und Innung – was Letztere aber nicht davon abhielt, nun wiederum viele Tausend Euro an Verfahrenskosten zu riskieren. Diesmal sind im Wiederholungsfall 15.000 Euro pro Kläger fällig.
Darf die Innung derart die Beiträge von 37 Betrieben und 58 weiteren Mitgliedern verschwenden? Eine Stellungnahme ist derzeit nicht zu erhalten: Der Obermeister macht Urlaub, sein Stellvertreter verweist auf die ausstehende Vorstandssitzung: „Vorher sagen wir nichts.“
Der ehemalige Innungs-Obermeister, Lutz Detring, macht hingegen ausführlich deutlich, was er von den „schwarzen Schafen“ hält, von denen sich „eine Menge auf den Bremer Dächern tummeln“ würden. Schutz vor „Schwarzarbeit, Schein-Firmen und Dach-Haien“ böten allein die in der Innung organisierten meistergeführten Betriebe. Die anderen „sehen Sie im Schadens- und Gewährleistungsfall nie wieder“, so Detring.
Für Handwerker wie Kuckuck, die mit einer Reisegewerbekarte arbeiten, sind solche pauschalen Anschwärzungen ein großes Problem – obwohl sie de facto mit denselben Verbindlichkeiten wie Angebot, Auftragsbestätigung und Rechnung arbeiten wie ihre niedergelassenen Kollegen. Gibt es seiner Einschätzung nach tatsächlich „unseriöse Haustürgeschäfte“, vor denen die Innung so beredt warnt? „Natürlich gibt es die“, sagt Kuckuck. Allerdings gebe es deutlich mehr Meldungen über Dach-Haie als diese selbst. Zudem gelte: „Auch Meisterbetriebe können betrügen und Preise überhöhen.“
Bremen hat seit 1893 eine Dachdeckerinnung, die allgemeine Gewerbefreiheit ist noch 22 Jahre älter. Allerdings wurde sie 1935 stark eingeschränkt, zugunsten der Zwangsmitgliedschaften in Kammern und des Meisterzwangs. Letzter ist in vielen Fällen der Grund, warum Handwerker keinen festen Betrieb gründen können, sondern mit Reisegewerbekarte arbeiten. Stellen sie dabei rein zahlenmäßig eine ökonomische Bedrohung für die Innungsbetriebe dar? Das sei eine „zu vernünftige Frage“, meint Kuckuck. Der Innung gehe es weniger um konkrete Konkurrenz als um die prinzipielle Verteidigung vermeintlicher Privilegien.
Seit vorgestern klafft in dieser Verteidigungslinie ein weiteres Loch. Was den freien Handwerkern neben der Anschwärzung durch die Innungen allerdings weiterhin zu schaffen macht, sind die immer wieder vorkommenden Hausdurchsuchungen samt Beschlagnahmung der Buchhaltung, wegen vermeintlich „unerlaubter Handwerksausübung“. Grundlage ist das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, mit dem übereifrige Gewerbeämter den Freien das Leben schwer machen – in aller Regel zu Unrecht. 25 Verfahren wegen unrechtmäßiger oder unzulänglich begründeter Hausdurchsuchungen hat der BUH bereits erfolgreich bis vor das Bundesverfassungsgericht begleitet. Bis sich in Ämtern und Innungen eine unbefangenere Sicht auf die freien KollegInnen etabliert, ist es ein zäher Kampf.
Wo der Dach-Hai als Bedrohungs-Topos verschwindet, freut sich ein anderes Tier: der Böhnhase. So wurden seit dem Mittelalter die unzünftigen Handwerker genannt, die versteckt auf dem Dachboden – „Böhn“ – arbeiteten. Die „Böhnhasenjagden“ hatten derartige Ausmaße, dass sie 1850 vom Bremer Rat untersagt wurden. Heute nennt sich eine Bremer Gruppe unabhängiger Handwerker so – für die der Erfolg vor dem Verwaltungsgericht ein auch historisch wichtiger Schritt zur gleichberechtigten Wettbewerbs-Teilnahme darstellt.


Mit Grüßen

vom einzigartigen
Jonas Kuckuk



Gepostet am 29.09.2016 um 10:57 von:
Benutzer: jonas kuckuk
Der Original-Beitrag :
https://www.forum-gewerberecht.de/thread.php?postid=103056#post103056


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