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Geschrieben von IHKgn am 04.10.2011 um 11:14:

  Voraussetzung für Handwerksuntersagungsverfahren

Hallo,
ich bin Mitarbeiter einer IHK. Wir nehmen regelmäßig zu Handwerksuntersagungsverfahren gem. § 1l6 Abs. 3 Satz 1 Stellung. In der Regel werden wir und die Handwerkskammer vom Landkreis bzw. der Stadt nach einer örtlichen Überprüfung eingeschaltet, nachdem auch dem beschuldigten Unternehmen Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde. Jetzt habe ich bereits die zweite Sache vorliegen, wo das Gewerbeamt (ein und derselbe Mitareiter) ein Verfahren eingeleitet hat, nachdem dort eine Beschwerde eingegangen war. Das heißt, es gibt einen Rechtsstreit wegen unsachgemäß ausgeführter Handwerksleistungen, in dem der Kläger festgestellt hatte, dass das betroffene Unternehmen nicht in die Handwerksrolle eintragen war. Also verfasst er eine Beschwerde an den Landkreis (bzw. in einem anderen Fall an die HWK). Daraufhin leitet der Landkreis das Handwersuntersagungsverfahren ein.
Meine Frage ist nun, ist das ein Grund ein solches Verfahren einzuleiten oder würde hier nur ein Bußgeldbescheid in Frage kommen. Dem Betroffenen muss doch auch Gegenheit zur Äußerung gegeben werden. Was ist, wenn er dort Besserung gelobt?



Geschrieben von J. Simon am 04.10.2011 um 14:35:

 

Hallo IHKgn,

ich glaube euer Gewerbeamtsmitarbeiter macht es sich ein wenig zu einfach. Wegen einem möglichen Verstoß gegen die HWO hätte ich bedenken, ein Verfahren nach § 16 Abs. 3 HWO einzuleiten.

Wozu soll das dienen? Vielleicht hat er nur einmal eine eintragungspflichtige Tätigkeit ausgeübt und macht sonst nur das, was er auch darf (könnte ja sein ).

Für solche Fälle wäre aus meiner Sicht erstmal die Prüfung vorzunehmen, ob nur ein einmaliger Verstoß gegen die HWO vorliegt, oder ob noch evtl Schwarzarbeit in Betracht käme.

Eine Betriebsuntersagung habe ich bisher nur bei Kameraden durchgezogen, die ganz überwiegend und fortgesetzt eintragungspflichtige Tätigkeiten ausgeübt haben, ohne eingetragen zu sein. Ein einmaliger nachgewiesener Verstoß reicht nicht und hat auch unserer IHK nie gereicht.

§ 16 Abs. 3 HWO kommt in der Praxis wirklich nur selten vor und ist dann auch nur schwer durchzusetzen und zu überwachen. Ein oderntliches Owi-Verfahren mit angemessener Geldbuße hilft da weiter.

VG J. Simon



Geschrieben von domar am 04.10.2011 um 14:44:

 

Kurz und knapp:

Normalerweise bekommt der Gewerbetreibende eine Frist gesetzt, um die Eintragung in der Handwerksrolle zu erhalten. Dazu muss er nicht unbedingt selbst Meister sein, sondern kann auch einen Betriebsleiter einstellen, der den Meistertitel hat.

Zunächst sollte man die Firma anhören. Da bekommt man schon einiges heraus, oder auch nicht. Man kann ein Bußgeldverfahren einleiten und das rückwirkende an durchgeführte Tätigkeiten bebußen, sollte aber dementsprechend auch nachgewiesen werden können.

Untersagungsverfahren versus Bußgeldverfahren.

Da ist die Frage, wo ist denn da der Unterschied?
Klar, die Zielsetzung, aber die Methoden sind doch die gleichen, oder?



Geschrieben von IHKgn am 04.10.2011 um 15:25:

 

Vielen Dank für die schnellen Mitteilungen! Ich bin auch der Meinung, dass bei einmaligen Verstößen nicht gleich ein Untersagungsverfahren angezeigt ist. Interessant finde ich auch den Hinweis, von J. Simon, dass ein Handwersuntersagungsverfahren in der Praxis nur sehr selten vorkommt. Das ist nämlich bei dem hier beteiligten Landkreis nicht der Fall. In der Regel haben wir hier einmal monatlich einen solchen Fall, meistens auf Betreiben der Handwerkskammer. Sehr schön, dass ich jetzt dieses Forum entdeckt habe!
Bei der Gelegenheit noch eine Frage: Wenn der Beteiligte gar kein Gewerbe angemeldet hat, würde meiner Meinung nach ein Handwerksuntersagungsverfahren auch nicht in Betracht kommen, oder? Dann handelt es sich doch einfach nur um Schwarzarbeit. Oder liege ich da falsch?

Grüße

Karen



Geschrieben von domar am 04.10.2011 um 15:58:

 

Es kann Schwarzarbeit sein.
Es kann aber auch Nachbarschaftshilfe sein.

Nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz handelt ordnungswidrig, wer:
...
der Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes (§ 14 der Gewerbeordnung) nicht nachgekommen ist...

...und Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang erbringt...

Und da ist es: *erheblicher Umfang* Dieser muss gegeben sein, dass wir von Schwarzarbeit nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz reden, ansonsten Blick in die GewO.

Scheitert es an den gesetzlichen Voraussetzungen, wird es auch mit einem Bußgeldverfahren schwer.



Geschrieben von IHKgn am 04.10.2011 um 16:31:

 

Um Nachbarschaftshilfe handelt es sich hier wohl nicht. Es liegt nämlich ein Vertrag vor. Kostenpunkt: 15.000 Euro! Und das ist dann wohl eher nicht "in unerheblichem Umfang".



Geschrieben von J. Simon am 06.10.2011 um 08:53:

 

Moin Also - 15.000 € für einen Auftrag sind schon eine Menge. Und davon ausgehend, daß das nicht der erste Auftrag war, sind m.E. noch weitere Ermittlungen notwendig, um festzustellen, in welchem Umfang der Betr. möglicherweise unberechtigt Handwerk oder ggf. Schwarzarbeit ausgeübt hat. Das mündet dann eigentlich immer in einem mehr oder weniger hohen Bußgeld, je nach Rechtsgrundlage.

Das mündent aber fast nie in einem § 16 Abs. 3 -Verfahren. Soll ich dem Maler den Pinsel wegnehmen oder dem Maurer die Kelle??

Eine Autowerkstatt kann ich schließen, aber wie will ich den bei einem Handwerker, der auf der Baustelle ist und quer durchs Land Aufträge abarbeitet kontrollieren, ob er nur das macht, was er darf.

Ich sehe das §16er-Verfahren daher eher als stumpfes Schwert. Bezeichnenderweise kommt diese Verfahren auch im Forum Schwarzarbeitsbekämpfung als auch auf den einschlägigen Bundesfahndertreffen so gut wie nie vor.

Gruß J. Simon



Geschrieben von IHKgn am 06.10.2011 um 16:01:

 

Ich kann mir auch nicht erklären, warum einer unserer Landkreise die Handwerksuntersagungsverfahren so ausgiebig betreibt. Kollegen anderer IHKs haben auch so gut wie gar nichts mit diesen Verfahren zu tun und auch die anderen Landkreise unserers Kammerbezirks verhalten sich diesbezüglich eher ruhig. Vielleicht sollten wir mal ein Gespräch mit dem Sachbearbeiter und der IHK führen.



Geschrieben von F.Lichtenstern am 13.04.2017 um 11:09:

 

Zitat:
Original von J. Simon
Moin Also - 15.000 € für einen Auftrag sind schon eine Menge. Und davon ausgehend, daß das nicht der erste Auftrag war, sind m.E. noch weitere Ermittlungen notwendig, um festzustellen, in welchem Umfang der Betr. möglicherweise unberechtigt Handwerk oder ggf. Schwarzarbeit ausgeübt hat. Das mündet dann eigentlich immer in einem mehr oder weniger hohen Bußgeld, je nach Rechtsgrundlage.

Das mündent aber fast nie in einem § 16 Abs. 3 -Verfahren. Soll ich dem Maler den Pinsel wegnehmen oder dem Maurer die Kelle??

Eine Autowerkstatt kann ich schließen, aber wie will ich den bei einem Handwerker, der auf der Baustelle ist und quer durchs Land Aufträge abarbeitet kontrollieren, ob er nur das macht, was er darf.

Ich sehe das §16er-Verfahren daher eher als stumpfes Schwert. Bezeichnenderweise kommt diese Verfahren auch im Forum Schwarzarbeitsbekämpfung als auch auf den einschlägigen Bundesfahndertreffen so gut wie nie vor.

Gruß J. Simon



Und wenn nun eine Anfrage der HwK eintrudelt mit der Bitte, ein Handwerksuntersagungsverfahren durchzuführen? Dann wird der Betroffene angehört und bekommt nur ein Bußgeld oder wie läuft das bei euch? Habe so ein Verfahren noch nie durchgeführt und würde mich über ein bisschen Erfahrung freuen smile



Geschrieben von J. Simon am 13.04.2017 um 11:20:

 

Nun, das Verfahren nach § 16 Abs. 3 HWO setzt erstmal voraus, dass die Voraussetzungen für eine Untersagung vorliegen.

D.h. der Betrieb eine zulassungspflichtigen Gewerbes und dessen Ausübung entgegen der Vorschriften der HWO (zumeist fehlende Eintrgaung in die HWR nach Anlage A wegen fehlender Qualifikation oder fehlendem Betriebsleiter).

Dann Anhörung der zuständigen Handwerkskammer und IHK zur geplanten Schließungsmaßnahme.

Diese geben im Normalfall eine gemeinsame Erklärung ab, dass sie die Voraussetzungen einer Untersagung als gegeben ansehen.
Dann die Anhörung an den Betroffenen nach § 28 VwVfG. Würdigung des Vortrags des Betroffenen. Endat aber meist damit, dass der nix Substanzielles vortragen kann.

Dann Erlass des Untersagungsbescheids an den Betroffenen. Zuletzt haben wir im Winter einen Dachdeckerbetrieb untersagt, welcher die Eintragung in die HWR nicht bewerkstelligen konnte.
Die Überwachung der Untersagung läuft noch.

VG J. Simon



Geschrieben von domar am 13.04.2017 um 11:45:

 

@ Kollege Lichtenstern

wie sieht es denn aus? Handelt es sich um einen Betrieb, der bereits eingetragen ist oder der nicht eingetragen ist und trotzdem Handwerk ausübt?

Möglicherweise reicht ein Bußgeldverfahren im Vorfeld aus.



Geschrieben von Civil Servant am 13.04.2017 um 14:27:

 

Wir haben hier einen Friseur, der schon länger - immer mit Hilfe von Strohleuten - aktiv war. Deswegen war der Nachweis seiner Herrschaft über den Betrieb immer etwas difizil. Er ist kein Meister und keiner, der von Verstand ist, würde für diesen Herren als Meister arbeiten.

Der Fall ist nicht mehr weit entfernt von der Anwendung des § 16 Abs. 3 HWO.

Handelt es sich - wie hier - um einen Betrieb der vollständig handwerksrechtlich illegal ist, kommt die Untersagung eher in Betracht, weil ich einen entsprechenden Bescheid durch versiegelung der Betriebsstätte auch vollstrecken kann.

Bei Mischbetrieben ist das deutlich schwieriger.

Generell gilt aber schon, dass man erst einmal das weniger schwer wiegende Instrument des Bußgeldbescheides einsetzt.

Der beflissene unbekannte Kollege hat auch noch ein anderes Problem. Den Schilderungen zu Folge hat er ja kaum geprüft, ob z.B. ein unerheblicher handwerklicher Nebenbetrieb oder etwas vergleichbares vorliegt. Hat er denn geprüft, ob der Gewerbetreibende oder ein Mitarbeiter die Voraussetzung einer Handwerksrolleneintragung z.B. über die Alt-Gesellen-Regelung bewirken kann? Die Untersagung nach § 16 Abs. 3 HWO ist definitiv die ultima ratio, weil ein erheblicher Eingriff in Art 12 GG.

Beste Grüße

CS



Geschrieben von F.Lichtenstern am 13.04.2017 um 14:35:

 

Zitat:
Original von domar
@ Kollege Lichtenstern

wie sieht es denn aus? Handelt es sich um einen Betrieb, der bereits eingetragen ist oder der nicht eingetragen ist und trotzdem Handwerk ausübt?

Möglicherweise reicht ein Bußgeldverfahren im Vorfeld aus.


Er ist angemeldet, allerdings hat sich wohl bei einer Überprüfung durch die HwK herausgestellt, dass er tatsächlich ein anderes Handwerk in eintragungspflichtigem Umfang ausübt. Er wollte bisher nichts nachweisen und hat auch nichts vorgelegt. Das entnehme ich aus dem Antrag der HwK.



Geschrieben von F.Lichtenstern am 13.04.2017 um 14:37:

 

Zitat:
Original von J. Simon
Nun, das Verfahren nach § 16 Abs. 3 HWO setzt erstmal voraus, dass die Voraussetzungen für eine Untersagung vorliegen.

D.h. der Betrieb eine zulassungspflichtigen Gewerbes und dessen Ausübung entgegen der Vorschriften der HWO (zumeist fehlende Eintrgaung in die HWR nach Anlage A wegen fehlender Qualifikation oder fehlendem Betriebsleiter).

Dann Anhörung der zuständigen Handwerkskammer und IHK zur geplanten Schließungsmaßnahme.

Diese geben im Normalfall eine gemeinsame Erklärung ab, dass sie die Voraussetzungen einer Untersagung als gegeben ansehen.
Dann die Anhörung an den Betroffenen nach § 28 VwVfG. Würdigung des Vortrags des Betroffenen. Endat aber meist damit, dass der nix Substanzielles vortragen kann.

Dann Erlass des Untersagungsbescheids an den Betroffenen. Zuletzt haben wir im Winter einen Dachdeckerbetrieb untersagt, welcher die Eintragung in die HWR nicht bewerkstelligen konnte.
Die Überwachung der Untersagung läuft noch.

VG J. Simon


Danke für die schnelle Rückmeldung mit dem Ablauf. Werde erstmal danach vorgehen und sehen, was die IHK und der Betroffene dazu sagen.



Geschrieben von SE-Schwarzarbeit am 13.04.2017 um 15:23:

 

Zitat:
Original von F.Lichtenstern
Er ist angemeldet, allerdings hat sich wohl bei einer Überprüfung durch die HwK herausgestellt, dass er tatsächlich ein anderes Handwerk in eintragungspflichtigem Umfang ausübt. Er wollte bisher nichts nachweisen und hat auch nichts vorgelegt. Das entnehme ich aus dem Antrag der HwK.


Na, allein das wäre doch möglicherweise schon ein Verfahren nach § 118 I 2 HWO wert!

Aber ansonsten gebe ich allen vorherigen Schreiberinnen recht. Nach der Schilderung bedarf es zunächst einmal der Sachverhaltsaufklärung!

Aber warum handelt das Ordnungsamt so? Gibt es dort genügend Personal oder kann/muss er/sie nur vom Schreibtisch aus arbeiten? IHKgn, rufen Sie doch einfach mal dort und auch bei der Handwerkskammer an und besprechen Sie den Fall. Da steckt ja vielleicht noch etwas ganz anderes dahinter!?


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