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Geschrieben von Stadt GF am 12.04.2006 um 08:08:

  Geeignetheitsbescheinigung

Ein fröhliches Moin aus dem kalten Gifhorn und zunächst ein herzliches Danke für die vielen Hilfestellungen, die das Forum zu bieten hat!!!!!!!!!!!!!!!

Mich würde interessieren, wie Ihr folgenden Fall seht:

In einem Supermarkt gibt es einen Spezialitätenhändler, der ein paar Tische und Stühle aufgestellt hat, damit der Döner u.ä. gleich vor Ort verzehrt werden kann. Eine Gaststättenerlaubnis wurde beantragt. Dieser "Imbiss" ist zu den anderen Einzelhandelsgeschäften nur optisch abgetrennt, es ist kein separater Raum. Nach meiner Meinung steht hier der Einzelhandel und nicht der Imbiss im Vordergrund (neben Döner gibt es noch viele andere Kleinigkeiten wie eingelegtes Gemüse etc., halt mediterrane Spezialitäten).

Der Betreiber will nun Geldspielgeräte aufstellen und beantragt dafür die Bescheinigung.

Wird eine solche Konstellation allgemein genehmigt oder liege ich richtig, wenn ich den Antrag mit der Begründung ablehne, dass es sich um eine Nebenleistung handelt? Landmann-Rohmer stellt bei der Nebenleistung u.a. darauf ab, dass es sich z.B. um einen Imbiss in einer Fleischerei handelt - nach meiner Auffassung genau das, was auch mein Speziälitätenhändler macht - nur eben mit dem Unterschied, dass er künftig auch Alkohol anbieten will. Ich unterstelle mal, dass die Kunden dort einkaufen wollen und nicht zum Alk-trinken dort hingehen.

Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, wie Ihr das seht und handhabt.

Fröhliche Ostern und viele dicke Eier wünscht
Elke Rohrbeck



Geschrieben von Schwarzer am 12.04.2006 um 09:41:

  RE: Geeignetheitsbescheinigung

Schönen guten Morgen aus Aschaffenburg,
leider sehe ich kaum eine Möglichkeit, die Geeignetheitsbescheinigung zu versagen. In der guten alten Zeit war die Aufstellung von Geldspielern im Imbißstuben durch die SpielV verboten. Dies gilt leider so nicht mehr. Meines Erachtens ist für die Beurteilung der Bescheinigungsvoraussetzungen nur die SpielV einschlägig. Die Qualifizierung der Gaststätte als Nebensleistungsbetrieb ist hierfür ohne Belang. Durch die baulichen Gegebenheiten könnte allenfalls § 1 Abs. 2 Nr. 3 letzte Variante der SpielV treffen. Hiernach ist es verboten, ein Geldspielgerät aufzustellen, wenn der Aufstellort tatsächlich von Kindern und Jugendlichen besucht wird. Durch die Eigenart der Gaststätte könnte diese Variante aus Jugendschutzgründen greifen.
Das Landratsamt Aschaffenburg hat zudem (das ist jetzt nach der Deregulierung etwas kitzlig) bei Imbißwirtschaften die Aufstellung der Geldspieler ausgeschlossen, wenn keine Gästetoilette nachzuweisen war, da diese Geräte eine erhöhte Verweildauer (wie der Alkohol) mit sich brachten. Dies wird wohl aber nicht das Problem sein.
Viele Grüße und ebenfalls viele bunte Ostereiergroßes Grinsen

Wolfgang Schwarzer



Geschrieben von Ingolstadt am 12.04.2006 um 09:42:

  RE: Geeignetheitsbescheinigung

Liebe Kollegin,

dieser Thread gehört eigentlich in den Bereich "Spielrecht". Dort finden Sie noch weitere Hinweise.

Nach der herrschenden Meinung in Kommentaren und verwaltungsgerichtlichen Urteilen dürfen Spielgeräte nur in Betrieben aufgestellt werden, die vom unvoreingenommenen Bürger als Gaststätte wahrgenommen werden. Eine Imbissecke in einem Kaufhaus, Einkaufszentrum oder einer Tankstelle ist keine Gaststätte im spielrechtlichen Sinn.

Sinn dieser spielrechtlichen Unterscheidung ist, dass Gaststätten i.d.R von einem älteren Publikum aufgesucht werden, die sich dort länger aufhalten. Insoweit deckt sich der spielrechtliche Gaststättenbegriff mit dem des Jugenschutzgesetzes (§ 4 JuSchG). In allgemeinen Gaststätten dürfen sich Jugendliche erst ab 16 Jahren aufhalten. Jugendliche halten sich daher in solchen Gaststätten nur beschränkt auf.

Nicht eingeschränkt ist jedoch der Zugang zu Imbissgaststätten oder Mischbetrieben, daher muss bei Geeignetheitsbestätigungen entweder § 1 Abs. 2 SpielV (z.B. bei den bekannten Burger-Imbissketten) beachtet werden oder die Gaststätte nicht allein mit der Definition des § 1 GastG betrachtet werden.

Vom Gepräge her bleibt die Spezialitäten-Döner-Ecke im Supermarkt optisch ein Teil des Einzelhandelsgeschäftes. Der Besucher betritt daher einen Supermarkt, keine Gaststätte. An diesem Eindruck ändert sich nichts, wenn an ein paar Stehtischen Getränke oder Döner-Kebab verzehrt wird.

Näherers hierzu auch in folgenden Urteilen:
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
14. Senat Urteil vom 29. April 1997, Az: 14 S 1920/96 (Kaufhausgaststätte)
oder VG Gera 1. Kammer Urteil vom 5. März 2002, Az: 1 K 1048/99 GE (Tankstelle)

Da die Urteile aus der Juris-Datenbank kopiert wurden, kann ich diese hier nicht als Download bereit stellen.

Anmerkung:
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Zulässigkeit von Sportwetten definiert die Bekämpfung der Spielsucht als staatliche Aufgabe. Es wird sich daher nicht nur auf die Sportwetten, sondern auch auf den übrigen Spielebereich auswirken. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen, die auch vom BVerfG zitiert werden, haben Geldspielgeräte das höchste Suchtpotential. Unter diesem Gesichtspunkt müsste die SpielV eigentlich schon wieder geändert werden, um den jetzt verstärkten Spielanreizen entgegen zu wirken. Die Bekämpfung der Spielsucht als Staatsziel verlangt von den Behörden eine restriktive Handhabung der zulässigen Spielorte. Insofern sind Kaufhausgaststätten nur im Ausnahmefall (eigener Bereich mit eigenem Zugang) als Aufstellort geeignet.



Geschrieben von Schwarzer am 12.04.2006 um 09:50:

  RE: Geeignetheitsbescheinigung

nochmal.
da bleibt für mich nur noch die Verneigung vor den Ausführungen des Herrn Kirchhammeranbeten
Sozusagen Kirchhammerhart.großes Grinsen



Geschrieben von OJ Neuss am 12.04.2006 um 10:11:

  RE: Geeignetheitsbescheinigung

Hallo und guten Morgen aus Neuss,

ich habe in einem ähnlichen Fall bereits eine Ablehnung erteilt.

Entscheidendes Argument ist hier das Fehlen eines Raums im Sinne der SpielV. Die Definition "Raum" im Spielrecht ist anders als im Gaststättenrecht. Im konkreten Bescheid habe ich wiefolgt argumentiert:

Darüber hinaus scheidet die Aufstellung von Geldspielgeräten im gastronomisch genutzten Bereich des xxxxx-betriebes unabhängig davon auch deshalb aus, weil es an einem Raum im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV mangelt. Auch wenn der Begriff „Raum“ im Sinne des Gaststättengesetzes weit auszulegen ist, und somit auch eine abgegrenzte Fläche „Raum“ im Sinne diese Gesetzes dar stellen kann, liegt ein „Raum“ im Hinblick auf den Schutzzweck in § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV, insbesondere den Jugendschutz, nur dann vor, wenn ein durch Wände, Decken und Fußboden allseits ab-gegrenzter Teilbereich eines Gebäudes vorhanden ist.

Dies ist hier nicht gegeben.

Im Hinblick auf die Lage in der Ein- bzw. Ausgangszone eines Warenhauses, ist hier mit erhöhtem Personenaufkommen (und einer nennenswerten Anzahl von Kindern und Jugendlichen) zu rechnen. Dies stellt erhöhte Anforderungen an die Abgrenzung des gastronomisch genutzten Bereiches vom übrigen Warenhausbereich.

Im konkreten Fall handelt es sich bei dem als Aufstellort vorgesehenen gastronomisch genutzten Bereich jedoch lediglich um eine im Ein- bzw. Ausgangsbereich des xxxxx-Warenhauses befindliche Fläche. Diese ist nicht vom Durchgangsbereich für die Kunden separiert.

Der Aufstellort vermag somit in keiner Weise die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV erforderliche räumliche Selbständigkeit zu vermitteln.

Aus den o. a. Gründen ist keine andere als die getroffene Entscheidung möglich. Die Entscheidung ist zudem verhältnismäßig, da dem Schutzzweck des § 1 Abs. 1 SpielV in keiner anderen Form (z. B. durch Auflagenerteilung) in geeigneter Weise genüge getan werden kann.

Ich hoffe, Sie könne etwas damit anfangen.


Jürgen Schmitz



Geschrieben von Stadt GF am 12.04.2006 um 10:18:

  RE: Geeignetheitsbescheinigung

Herr Kirchhammer: - Herr Schmitz auch!

Vielen Dank, genau das wollte ich hören - sorry - lesen.

Dass ich die Frage ins falsche Forum gestellt habe, habe ich leider erst gemerkt, als es zu spät war! Ich gelobe Besserung - bis dahin: Asche auf mein Haupt.

Beste Grüße aus der Heide (da wo der VfL Wolfsburg bald absteigt Augenzwinkern )

Elke Rohrbeck



Geschrieben von webmaster am 12.04.2006 um 10:22:

 

...hab das Thema mal ins passende Forum verschoben smile



Geschrieben von Antonia Thien am 12.04.2006 um 10:29:

  RE: Geeignetheitsbescheinigung

Hi,

bei uns wurden in ähnlichen Fällen auch schon Geeignetheitsbescheinigungen beantragt. Diese haben wir allesamt abgelehnt, weil es sich nicht um räumlich abgetrennte, abgeschlossene Warenhausgaststätten handelt (siehe auch Ausführungen der Kollegen Kirchhammer und Schmitz).

Schöne Grüße
A. Thien



Geschrieben von nette.tante am 12.04.2006 um 10:33:

 

Herr Kirchhammer, ich bin immer wieder überrascht wie Sie so schnell so ausführliche Begründungen herzaubern. Respekt Wie machen Sie das nur?



Geschrieben von Ingolstadt am 12.04.2006 um 11:31:

  Wie macht er das?

Liebe Kollegin,

Ihre Frage ist relativ einfach zu beantworten. Zum einen beschäftige ich mich, mit Unterbrechungen, seit 20 Jahren mit dem Gewerberecht. Dabei versuche ich mich nicht nur am Text, sondern auch am Sinn der Vorschrift zu orientieren. Bei den Antworten bemühe ich mich so zu schreiben, als wäre ich der Empfänger des Textes.

Letzteres habe ich auf vielen Ausbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen der Bayerischen Verwaltungsschule gelernt. Bei den Azubis funktioniert dies nur bedingt, da diese von der Schule noch die Reproduktion von Wissen, nicht die eigene Umsetzung und Verarbeitung, gewohnt sind.

Der Rest ist meine Fähigkeit zum abstrakten Denken, visuelle Vorstellungskraft und gutes Gedächtnis. Diese Talente sind bekanntlich ungleichmäßig verteilt und nicht jeder kann sie nutzen. Ich wäre z.B. ein sehr schlechter Kämmerer. Zum Glück bin ich (zufällig, nicht aufgrund gezielter Personalplanung) auf der richtigen Stelle gelandet.

Da mir die Anwendung meines Wissens und dessen Weitergabe an Andere viel Freude bereitet und ich vom positiven Feedback profitiere, habe ich auch die Motivation mich mit den Fragen zu befassen.

Dass die menschlichen Fähigkeiten ungleich verteilt sind ist allgemein bekannt, sie werden auch verschieden genutzt. Obwohl Jan Ullrich und Lance Armstrong beide die körperlichen Fähigkeiten haben, die Tour de France zu gewinnen, blieb Ullrich immer hinter Armstrong. Diesen Unterschied kann man wissenschaftlich wohl nicht erklären.



Geschrieben von Kramer-Cloppenburg am 12.04.2006 um 12:01:

 

Oh, haua, haua, ha!! großes Grinsen



Geschrieben von nette.tante am 12.04.2006 um 13:34:

  RE: Wie macht er das?

Mit 20 Jahren Gewerberechts-Erfahrung kann ich (noch) nicht mithalten. Dennoch möchte auch ich andere an meinem Wissen (oder vielmehr an meinen Meinungen) teilhaben lassen. großes Grinsen Der Unterschied ist nur, dass ich keine Frau der vielen Worte bin und meine Antworten dementsprechend kurz ausfallen smile . Daher fasziniert es mich immer wieder wie sie so schnell so viel antworten
Formulier können.



Geschrieben von der_vollstrecker am 12.04.2006 um 17:44:

 

Hallo zusammen,

der Kollege Kirchhammer hat die Problematik voll auf den Punkt gebracht und ich verfahre in meiner Gemeinde ebenfalls nicht so locker, wie es wohl oft der Fall ist!

Noch beeindruckender als die gewerberechtliche Aussage als solche, finde ich diesen perfekten radsportliche Fachkommentar. Respekt sage ich als langjähriger, begeisterter, und manchmal auch verrückter (300 km in 11,5 H Fahrzeit am Stück) Radfahrer

Ich hatte das Glück, Herrn Ulrich in seiner "Hochzeit" 1997/1998 persönlich kennenzulernen. Da war er noch nicht vom Geld versaut und hat noch gekämpft.

Gruß aus ASL


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