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Geschrieben von Nowarra am 06.04.2006 um 17:24:

  Zuverlässigkeit nach dem GastG

Moin aus Wesseling,

Folgener Sachverhalt:

Antragsteller (Erlaubnis nach § 2 GastG) ist mir und der Polizeiwache "bekannt" und zwar nicht im positiven Sinne.

Die nunmehr vorgelegten Nachweise FZR, usw., enthalten keine Eintragungen. Meine telefonische Anfrage bei der Polizei nach möglichen Erkenntnissen versetzte dem Kollegen am anderen Ende der Leitung beinahe einen Herzinfarkt.

Die Liste der bei der StA abgeschlossenen Verfahren, die jedoch zu keiner Verurteilung geführt haben, war länger als die Bildschirmmaske.

Die Akten der StA lasse ich mir noch schicken.

Ich bitte vorab um Eure Meinung, ob lediglich die kriminalpolizeilichen Erkenntnisse alleine ausreichend sind, um die Erlaubnis versagen zu können.

Vielen herzlichen Dank und noch einen sonnigen

Feierabend



Geschrieben von Felix Krämer am 06.04.2006 um 17:52:

  RE: Zuverlässigkeit nach dem GastG

Hallo aus Alzenau,

grundsätzlich ist das schon möglich, dass ein Antragsteller, auch wenn nichts im Führungszeugnis drin steht, unzuverlässig im Sinne des GastG sein kann.

Ich denke, Sie gehen da schon den richtigen Weg: Nach Blick in die Akten, entscheiden, ob die Straftaten gaststättenrechtlich zu werten sind und dann entscheiden. Bei dem geschilderten Sachverhalt kann man evtl auch davon ausgehen, dass der Antragsteller einen "Hang zur Nichtbeachtung der Rechtsordnung" hat, obwohl vielleicht die einzelnen Tatbestände für sich gesehen noch nicht ausreichen, eine Erlaubnis zu versagen.

Sie müssen eine Zukunftsprognose erstellen, also aus den Erkenntnissen, die Sie aus den Akten gewinnen, entscheiden, ob der Antragsteller seinen Betrieb ordnungsgemäß führen wird, oder ob die Wahrscheinlichkeit, dass er wieder straffällig wird sehr hoch ist.

Gruß
Felix Krämer



Geschrieben von Ingolstadt am 06.04.2006 um 17:58:

  RE: Zuverlässigkeit nach dem GastG

aus Ingolstadt

polizeiliche Erkenntnisse können im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung verwertet werden, da die Erlaubnis nicht wegen begangener Straftaten versagt wird, sondern wegen der, dem Urteil zugrunde liegenden Tatsachen, § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GastG.

Die polizeilich bekannt gewordenen Tatsachen müssen aber hinreichend dokumentiert sein, z.B. durch Zeugenaussagen, Berichte der Polizeibeamten etc. Bei Einstellung von Ermittlungsverfahren kommt es auch auf die Gründe an. Unzurechnungsfähigkeit, Trunkenheit oder eine schwere Kindheit können zwar die Strafbarkeit mildern, sind aber kein Grund, den Betreffenden zum Schutz der Öffentlichkeit vor künftigen Gefahren von einer Betätigung als Gastwirt fernzuhalten.

Näheres findet sich neben den einschlägigen Kommentaren auch hier:
Hessischer Verwaltungsgerichtshof 6. Senat, Beschluß vom 13. Januar 2004, Az: 6 TG 3098/03



Geschrieben von Schwarzer am 06.04.2006 um 18:08:

  RE: Zuverlässigkeit nach dem GastG

aus Aschaffenburg,
im Prinzip sind Sie nicht gehindert, kriminalpolizeiliche Erkenntnisse im gaststättenrechtlichen Verfahren zu berücksichtigen. Der Umstand, daß die Untaten des Unholds jeweils zu keiner Verurteilung geführt haben, ist für Ihre Beurteilung nicht zwingend relevant. Es wäre vor allem darauf abzustellen, weshalb eine Verurteilung unterblieb. Wenn z.B. die Staatsanwaltschaft wegen Geringfügigkeit ein Verfahren eingestellt hat, so sind Sie nicht verpflichtet, die Tatsachen im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG zu ignorieren. Anders liegt der Fall, wenn die Straftat dem Verdächtigen nicht bewiesen werden konnte. Dann wird es sehr schwer eine "Tatsache" im Sinne von § 4 GastG feststellen zu können.
Bei der Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse sollte man sehr die Umstände des Einzelfalles im Auge behalten. Beispielsweise kann es von Bedeutung sein, daß die Straftaten einen bestimmten Hintergrund haben können (z.B. Beziehungsstraftaten) oder sie liegen zeitlich schon sehr lange zurück und der Antragsteller hat jetzt andere Lebensumstände (früher ein Tunichtgut, mittlerweile verheiratet und hat vier Kinder).
Des weiteren kann sich ein Problem daraus ergeben, wenn die Polizei nur "weiche" Erkenntnisse bietet. Das heißt, es gibt zwar einen Verdacht, es wird ermittelt usw. aber die Sache ist noch nicht spruchreif. Hier wäre auch bei der Polizei zu Hinterfragen, ob die Verwendung der Erkenntnisse unbedenklich ist. Wir sind bei so einer Sache mal böse ins Fettnäpfchen getreten. Seitdem wird grundsätzlich bei solchen Erkenntnissen gefragt, ob wir dies so verwerten dürfen.
Fazit:
Wie Sie zu Ihren Erkenntnissen bezüglich der Zuverlässigkeitsprognose im Sinne von § 4 GastG kommen, ist Ihnen überlassen. Das gaststättenrechtliche Verfahren ist eine Sache für sich und Sie sind grundsätzlich nicht gehindert, diese zu verwerten.

Gruß
Wolfgang Schwarzer



Geschrieben von Boshamer am 07.04.2006 um 08:11:

  RE: Zuverlässigkeit nach dem GastG

Moin aus Kierspe,

über die Zuverlässigkeit entscheidet immer die Ordnungsbehörde. Diese Prüfung erfolgt nach pflichtgemäßen Ermessen. Im Prinzip ist es schon richtig, die Unterlagen anzufordern und sich ein Bild zu machen und ich sehe es auch so wie der Kollege Kirchhammer, dass Vergehen dokumentiert werden müssen. Dass das FZ nichts hergibt ist eigentlich schade, weil man dann einfacher prüfen kann.

Ich würde aber nach Durchsicht der Akten auf jeden Fall mal mit meiner Aufsichtsbehörde sprechen oder mir sogar den Richter vom VG geben lassen, wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass dem Burschen keine Konzession erteilt werden darf. Das würde ich dann gleich so abstimmen, dass die Ablehnung in trockenen Tüchern ist.

Der bloße Verdacht oder auch das Bekanntsein bei der Polizei reicht auch m.E. nicht aus.

Gruß Boshamer



Geschrieben von Kramer-Cloppenburg am 07.04.2006 um 08:35:

 

Hallo! ...... und ein freundliches Moin aus Cloppenburg!

Alles, was hier bisher gesagt worden ist, kann von mir so unterstrichen werden. großes Grinsen

Nur, dass mit dem Ermessen, also da habe ich doch Probleme. Kopfkratz

Bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit haben wir kein Ermessen, sondern prüfen pflicht- und ordnungsgemäß, ob die Zuverlässigkeit bei der jeweiligen Person oder Personengesellschaft (noch) gegeben ist, oder nicht! Und diese Entscheidung ist verwaltungsgerichtlich voll überprüfbar.

@Kollegen Boshamer: ist nicht böse gemeint aber der Begriff "Ermessen", führt manchmal aber (auch auf der Gegenseite) immer wieder zu Problemen.



Geschrieben von Boshamer am 07.04.2006 um 09:00:

 

Moin Kollege Kramer,

ich habe das ganz bewußt aus schmerzlicher Erfahrung geschrieben. Wir hatten mal einen Antragsteller, der war vorbestraft, hatte aber eine günstige Sozialprognose. Grund der Vorstrafe waren Betrügereien in großem Stil. Weil er sich vor Gericht als reuiger Sünder erwiesen hatte, bekam er eine Bewährungsstrafe, die schon heftig war. Dann wollte er eine Gaststätte übernehmen. Das habe ich auf Grund der Vorstrafe abgelehnt. Daraufhin kam der Widerspruch und die Mitteilung, dass die Genehmigung auf Grund der günstigen Sozialprognose zu erteilen sei. Mir wurde "fehlerhafte Ermessensausübung" vorgeworfen und "nicht ausreichende Prüfung aller Details." Der Gute bekam also seine Konzession, bat um Ratenzahlung bei der Gebühr (wurde selbstverständlich auch gewährt), ich bekam einen Ansch...von meinem Vorgesetzten (so nach dem Motto: Hätteste doch wissen müssen, wie stehen wir denn jetzt da...usw) und....

nach ca. 3 Monaten war der Bursche verschwunden...wut
heilloses Chaos in der Kneipe...
Lieferanten nicht bezahlt...
unsere Konzessionsgebühr natürlich auch nicht bezahlt....

und wenn er nicht gestorben ist, dann lacht er sich heute noch in Spanien einen Ast.

Deswegen und nur deswegen habe ich das mit dem Ermessen geschrieben..



Geschrieben von Kramer-Cloppenburg am 07.04.2006 um 09:17:

 

Okay, Ihre Argumentation ist durchaus nachvollziehbar! Augen rollen

(Nur, wer hat Ihnen denn unterstellt "kein Ermessen" ausgeübt zu haben, das VG oder die Widerspruchsbehörde??)

Aber bevor ich hier Haue von unseren Verwaltungsrichtern wegen falscher Verwendung und Auslegung des Begriffs "Ermessen" bekomme, halte ich mich strikt an die gesetzlichen und durch Rechtsprechung herausgearbeiteten Vorgaben. großes Grinsen

Und diese sind nun einmal so, dass es bei der Auslegung des Begriffs "Zuverlässigkeit" halt kein Ermessen gibt und damit kann es keine "ermessensfehlerhafte Entscheidung" geben. Wir wären vermutlich wegen einer solchen Entscheidung (Vorwurf "kein Ermessen ausgeübt, obwohl letztlich = s. § 35 GewO und die einschlägigen Kommentare = eine gebundene Verwaltung vorliegt) wohl zum VG oder OVG marschiert.



Geschrieben von Ingolstadt am 07.04.2006 um 10:34:

  Zuverlässigkeit

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie so oft beim Umgang mit juristischen Begriffen muss zwischen der juristischen Bedeutung und der umgangssprachlichen Bedeutung unterschieden werden.

"Ermessen" ist die durch Rechtsvorschrift eingeräumte Befugnis der Behörde, bei Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes unter verschiedenen Handlungsmöglichkeiten zu wählen.

Beispiel: Wenn eine Gaststätte ohne Erlaubnis betrieben wird, kann die Behörde den Betrieb schließen. Dies wäre die, im Rahmen der Verhältnismäßigkeit, einschneidendste Maßnahme. Das Ermessen der Behörde reicht daher vom Nichtstun bis zur Schließung. Dazwischen sind alle Maßnahmen denkbar, welche die Schaffung ordnungsgemäßer Zustände (Betrieb mit Erlaubnis oder Betriebseinstellung) zum Ziel haben. Die Ausübung des Ermessens muss pflichtgemäß, also entsprechend dem Sinn der Ermächtigung, erfolgen. Das Ermessen muss auch überhaupt ausgeübt werden, also nicht in dem Sinne, die Gaststätte muss immer geschlossen werden.

Auf der Seite der Ausfüllung der Tatbestandsmerkmale (Subsumption) gibt es kein Ermessen. Der Begriff "Zuverlässigkeit" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Inhalt durch Auslegung zu ermitteln ist. Hier wird den Verwaltungsbehörden ein gewisser "Beurteilungsspielraum" zugebilligt, nach der herrschenden Rechtslehre kann es aber nur eine Entscheidung geben. Entweder ist der Begriff erfüllt oder nicht erfüllt. Die Erwägungen, die bei der Ausfüllung des Begriffes zu Grunde gelegt wurden, sind gerichtlich voll nachprüfbar.

Die Behörde ist daher verpflichtet zu prüfen, ob ein Antragsteller zuverlässig ist oder nicht. Auf diese Prüfung anhand von allgemein gültigen Prüfungsmaßstäben hat der Antragsteller einen Anspruch. Es muss daher begründetet werden, warum jemand mit einer bestimmten Vorstrafe nicht geeignet ist, als Gastwirt tätig zu sein (Zukunftsprognose). Führt diese Prognose zum Schluss, dass der Antragsteller unzuverlässig ist, muss die Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG abgelehnt werden. Der Gesetzgeber sieht hier kein Ermessen vor (Antrag ist abzulehnen).

Bei der Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit handelt es sich somit um ein Tatbestandsmerkmal, nicht um eine rechtliche Folge aus der Erfüllung des Tatbestandes. Entweder ist der Beurteilte zuverlässig, oder er ist es nicht.

Die in der Praxis in Zweifelsfällen oft angewandte Notlösung, eine befristete Erlaubnis zu erteilen, ist keine Ermessensentscheidung, sondern die Feststellung, dass anhand der vorliegenden Tatsachen keine eindeutig negative Zukunftsprognose angestellt werden kann. Unter Berücksichtigung der Grundrechte des Antragstellers nach Art 12 GG wird dann die Erlaubnis erteilt. Da eine solche Befristung vom Antragsteller beantragt werden muss, handelt es sich eigentlich um eine Übereinkunft. Die Behörde könnte auch den Antrag ablehnen und den Antragsteller zu einem Rechtsbehelf zwingen. Da mit der Übereinkunft beiden Partnern gedient ist, eine durchaus mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zu vereinbarende Handlungsweise.


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