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Geschrieben von pmcolonia am 20.02.2006 um 08:45:

 

Zitat von Raindancer:

"Hier bin ich nun sprachlos. Sorry, bitte nicht mißverstehen.
Aber, hier begeht ein Gewerbetreibender in Ausübung seines Gewerbes einen Betrug und dann evtl. keine Untersagung? Eine Straftat im/mit dem eig. Gewerbe ist m.E. eindeutig gewerberechtl. Unzuverlässigkeit - dann ist nach § 35 zu untersagen - Nix Ausrede, Null Ermessen."

Habe ich das wirklich falsch verstanden?



Geschrieben von BE-DE am 20.02.2006 um 11:46:

 

Moin Moin von der Delme,
habe auch schon ähnliche Fälle gehabt Augen rollen
Dabei ist es immer zu einer Einzelfallentscheidung gekommen. Aber erst einmal wurden Gewerbeuntersagungsverfahren eingeleitet, damit die Herrschaften wissen, das auch von anderer Seite Reaktionen und "Sanktionen" möglich sind. Einmal hat der Richter im Urteil mit angeführt, dass dieses Urteil nicht zu einem Berufs- oder Gewerbeverbot führen soll. Damit war für uns alles klar. Im anderen Fall haben wir auch den Bewährungshelfer, welcher oft mit bestellt wird, für die Entscheidungsfindung herangezogen. Alles in Allem warten wir aber mit der Einstellung unseren Verfahrens auch bis zum Ablauf der Bewährungszeit. Einen Fall habe ich noch vor Gericht, der hat aber auch überhaupt nicht zur Darlegung einer möglichen künftigen Zuverlässigkeit beigetragen schimpf .
Bis demnächst in diesem Theater



Geschrieben von Raindancer am 21.02.2006 um 19:26:

 

Zitat:
Original von pmcolonia
Zitat von Raindancer: "Hier bin ich nun sprachlos. Sorry, bitte nicht mißverstehen."

Habe ich das wirklich falsch verstanden?


Hallöle,
ich glaub wir reden aneinander vorbei, meine Bitte bezog sich auf meine "freche" Bemerkung zur Sprachlosigkeit.

Ich habe hier Urteile, die auf eine vorhandene und zukünftige Gewerbeausübung bezugnehmen, höchst selten gesehen. Wenn ein Richter in der Urteilsbegründung tatsächlich im Einzelfall ausführt, dass ein Berufs-(Gewerbe-)verbot nicht in Betracht kommt, werde ich dem wohl in diesem Falle folgen müssen.
Nur, gesehen habe ich sowas noch nicht. Kopfkratz

Eine Betrugsstraftat in Ausübung des Gewerbes sehe ich als gewerberelevant und schwerwiegend an.
Seid ihr mehrheitlich tatsächlich der Auffasung, dass eine Untersagung des Gewerbes, in dem der Betroffene die Straftat beging, aufgrund der Bewährung nicht in Betracht kommt, wenn der Betroffene eine Entschuldigung für die Straftat oder "Besserungserklärung" vorbringt? verwirrt

Gruß
Ralf



Geschrieben von Kramer-Cloppenburg am 21.02.2006 um 23:59:

 

Hallo! ...... und ein spätes, freundliches Moin aus meinem Wohnzimmer!

Bei dem letzten von mir besuchten Seminar zum Thema Gaststätten- und Gewerberecht wurde ein ähnliches Thema von mir aufgeworfen, da ich einen entsprechenden aktuellen Fall habe. Die Ermittlungsakte liegt mir vor, die Ermittelungen sind noch nicht abgeschlossen. Gleichwohl erscheint mir der Vorwurf zutreffend, auch wenn seitens des Täters (Anwalt) vorgetragen wird, dass sein Mandant solange als unschuldig zu bezeichnen ist, wie er noch nicht verurteilt wurde, also "in dubio pro reo". Kopfkratz

Hier wurde seitens des Verwaltungsrichters sehr deutlich ausgeführt, dass dieser Grundsatz im verwaltungsrechtlichen Untersagungsverfahren keine Bedeutung hat, da wir uns im Bereich des § 35 GewO allein auf dem Gebeit des speziellen gewerberechtlichen Gefahrenabwehrrechts bewegen. Wenn also für uns der Akteninhalt einer Strafakte (also die strafbewehrte Handlung) die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit darlegt, ist zu untersagen. Also ist hier nix mit Ermessen, Bewährung oder ähnlichem. Denn die Bestimmungen der Gewerberordnung dienen allein der Gefahrenabwehr und sind, je näher diese mit einer gewerberechtlichen Tätigkeit verknüpft sind, nachteilig für den Betroffenen zu werten.

Selbst auf die Gefahr hin, dass der Angeklagte im späteren Strafverfahren freigesprochen wird ("in dubio pro reo") bedeutet dieses ja nicht, dass er die Tat nicht begangen haben kann. Für eine Verurteilung fehlt es halt an den letzten Beweisen. Gewerberechtlich kann aber gleichwohl die Unzuverlässigkeit belegt sein, so dass zu untersagen ist! Heul

Auch wenn ich mich hier vielleicht mit dem "Regentänzer" zur Minderheit gesellen sollte. Wenn jemand sein Gewerbe (wie eingangs geschildert) dazu genutzt hat, um Betrügereien und damit Straftaten zu begehen, ist dieser in meinen Augen gewerberechtlich unzuverlässig und somit zum Schutze der Allgemeinheit" ohne wenn und aber vom Markt zu nehmen. Es sei denn, im gerichtlichen Verfahren wird ausdrücklich etwas anderes entschieden. Augen rollen

Etwas anderes kann und darf es doch auch gar nicht geben. smile

So hatte ich (vor meiner glücklichen Zeit in Cloppenburg) vor langer Zeit einmal mit einem Ehepaar zu tun, welches eine "Spiel- und Malschule" betrieb. Hier wurden die Kinder (Jungen und Mädchen von 3 bis 15 Jahre) zu sexuellen Handlungen nicht nur ermutigt, sondern auch "bewegt!". So wurde u. a. von den Kindern verlangt, sich nackt auszuzuiehen, um sich gegenseitig zu bemalen. Hierbei war der "Leiter der Einrichtung" auch behilflich. Von diesen "Kunstwerken" wurden dann Bilder gefertigt, wobei die Gründe hierfür "als neue künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten usw." verkauft wurden. schimpf

Die Polizei hatte seinerzeit Ermittlungen wegen Kinderpornografie aufgenommen und ein entsprechendes Strafverfahren eingeleitet. Ein Gewerbe war nicht (da ja nach eigenem Verständnis Kunst) angemeldet worden. Die Gewerbeanmeldung wurde erst nach Einleitung der Ermittlungen getätigt, sollte dann aber wieder (weil von mir sofort, also noch vor der Anmeldung ein Untersagungsverfahren eingeleitet wurde) zurückgenommen werden (weil ja Kunst, Erziehung von Kindern gegen Entgelt usw.).

Wir haben das Untersagungsverfahren beschleunigt durchgeführt (hat von der Einleitung bis zur Verfügung mit Anhörung von Kinderpsychologen, Ärzten und Leiter einer Kinderklinik, Schulleitern usw.) keine drei Wochen gedauert. Da die sofortige Vollziehung und Schließung der Einrichtung angeordnet und auch vollzogen wurde, kam natürlich das Verwaltungsgerichtsverfahren.

Und obwohl den zuständigen Ermittlungsbeamten und auch mir seitens der Anwälte der Gegenseite eine "versaute" Phantasie (und das waren noch die freundlichen Ausführungen) attestiert wurde, haben sowohl der Kinderschänder als auch deren "Rechtsverdreher" vom Verwaltungsgericht im Eilverfahren kräftig Prügel bezogen. Die Argumente "in dubio pro reo" wurden hier zwar vorgetragen, aber brachten gar nichts. Im Gegenteil, auch das ausgesprochene Verbot des Umgangs mit fremden Kindern im Zusammenhang mit einer gewerblichen Tätigkeit wurde voll bestätigt. großes Grinsen großes Grinsen großes Grinsen

Das Strafverfahren fand im übrigen erst viele viele Monate später statt und endete mit einer Bewährungsstrafe.

Was ich damit sagen will, ist, dass ein Gewerbetreibender durchaus unzuverlässig sein kann, auch wenn das Gericht ihm in strafrechtlicher Hinsicht eine günstige Zukunftsprognose gibt. Denn ein Strafrichter hat ganz andere Dinge zu beurteilen, als letztlich der Verwaltungsrichter, so dass auch hier die Entscheidungen durchaus auseinanderfallen können oder müssen. Und damit ist m. E. den Ausführungen des Berliner Regentänzers zu folgen!!



Geschrieben von Gewerbeordnung Arnsberg am 22.02.2006 um 07:34:

 

Ein fröhliches Moin aussem Sauerland,

Kollege Kramer, Du hast recht Zeigefinger :

Man kann immer wieder nur betonen, dass wir uns ein eigenes Bild von der jeweiligen Situation machen und dabei selbst einschätzen müssen, in wie weit die gewerberechtliche Zuverlässigkeit gegeben ist, egal was von anderer Seite vorgetragen wird Ei Ei . Am Schluss ist es unsere Entscheidung, die wir im Sinne der Gefahrenabwehr treffen müssen.

Das ist ja meiner Meinung nach gerade das, was unseren Job so interessant macht. Applaus



Geschrieben von Stadt GF am 03.03.2006 um 19:36:

 

Zitat:
Original von Kramer-Cloppenburg


Hier wurde seitens des Verwaltungsrichters sehr deutlich ausgeführt, dass dieser Grundsatz im verwaltungsrechtlichen Untersagungsverfahren keine Bedeutung hat, da wir uns im Bereich des § 35 GewO allein auf dem Gebeit des speziellen gewerberechtlichen Gefahrenabwehrrechts bewegen. Wenn also für uns der Akteninhalt einer Strafakte (also die strafbewehrte Handlung) die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit darlegt, ist zu untersagen. Also ist hier nix mit Ermessen, Bewährung oder ähnlichem. Denn die Bestimmungen der Gewerberordnung dienen allein der Gefahrenabwehr und sind, je näher diese mit einer gewerberechtlichen Tätigkeit verknüpft sind, nachteilig für den Betroffenen zu werten.


Was mache ich denn, wenn die Staatsanwaltschaft mir ihre Akten nicht zur Verfügung stellt sondern nur mitteilt, dass sie Bedenken (bei mir für die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis) haben?

Ein schönes Wochenende wünscht

Elke Rohrbeck



Geschrieben von Felix Krämer am 04.03.2006 um 11:25:

 

Hallo aus Alzenau,

Zitat:

Was mache ich denn, wenn die Staatsanwaltschaft mir ihre Akten nicht zur Verfügung stellt sondern nur mitteilt, dass sie Bedenken (bei mir für die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis) haben?


Ich würde bei der Staatsanwaltschaft anrufen und fragen, warum es nicht möglich ist, die Akte für einen Tag zu bekommen.

Ist der Grund, dass gerade eine Verhandlung vorbereitet wird, und es von eurer Seite aus sehr dringend ist, würde ich versuchen ein Termin auszumachen, selber hinfahren und vor Ort Akteneinsicht nehmen.

Gruß aus Alzenau
Felix Krämer



Geschrieben von Kramer-Cloppenburg am 06.03.2006 um 13:04:

 

Hallo! ..... und nochmals ein freundliches Moin aus Cloppenburg!

Wie Kollege Krämer schon schreibt, muss erst einmal der Grund, warum die Akte nicht vorgelegt wird, von Seiten der STA begründet werden. Einfach pauschal : Akte gibt es nicht, dürfte wohl ins Leere gehen. schimpf

Der mir bisher bekannte einzige Grund, warum wir Akten evtl. nicht bekommen, ist der des Steuergeheimnisses. Ansonsten haben wir unserer Akten, wenn auch evtl. nicht sofort (wegen Verhandlung, Vollstreckung pp. = s. Ausführungen vom Kollegen Krämer) bekommen. großes Grinsen

Aber auch die Steuerstrafakten könnte man m. E. sicherlich bekommen, wenn auch mit ein wenig höherem Verwaltungsaufwand. Habe ich bisher aber auch noch nicht mit dem nötigen Einsatz versucht, weil mir die anderen Untersagungsgründe meistens ausgereicht haben. smile

In dem geschilderten Ausgangsfall dürfte m. E. aber die Aktenüberlassung durch die STA keinerlei Bedenken begegnen.

Auch bekommen wir regelmäßig (wenn auch selten) Mitteilungen nach MiStra um dann ggf. eigene Verfahren einleiten zu können.



Geschrieben von Kai-Uwe Christiansen am 06.03.2006 um 16:52:

 

Hallo Kollege Kramer,

Ihrem Beitrag vom 21.02. stimme ich mit einer kleinen Einschränkung zu.

Sollte im Strafverfahren der "Täter" tatsächlich freigesprochen werden, würde ich mich schwertun, ihm den gleichen Sachverhalt nochmals im Gewerbeuntersagungsverfahren vorzuhalten. Im Falle des Freispruchs gilt er für mich als unschuldig.
Anders liegt der Fall, wenn das Verfahren (aus welchen Gründen auch immer) eingestellt wird (Mangel an Beweisen, Untunlichkeit etc.). Eine derartige Verfahrenseinstellung heißt für mich nicht, dass der Betroffene mit der ganzen Sache nichts zu tun hatte. In einem solchen Fall würde ich die Strafakte in jedem Fall hinzuziehen und halte auch eine (gewerberechtliche) negative Prognose unsererseits durchaus für möglich.



Geschrieben von Ingolstadt am 06.03.2006 um 17:45:

  Gewerbeuntersagung und Bewährung

Lieber Kollege,

im Strafrecht gilt die Regel "Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld", das Gewerberecht dient dagegen der Abwehr von Gefahren, die von unzuverlässigen Gewerbetreibenden ausgehen.

Ein Freispruch eines Betrügers, der mit einem Adressbuchschwindel hunderte Bürger über´s Ohr gehauen hat ist unzuverlässig, auch wenn er den Tatbestand des § 242 StGB nicht erfüllt hat. Genauso kann ein Freispruch wegen eines Verbotsirrtums zu einer Gewerbeuntersagung führen. Da die Gefährdung nichts mit der Schuldfähigkeit des Angeklagten zu tun hat, ist ein Freispruch aus diesem Grund noch kein Anlass, die Gewerbeuntersagung nicht auszusprechen.

Das Strafrecht und das Gewerberecht haben vergleichbare Zielrichtungen, aber das Strafrecht dient der Sanktion der Vergangenheit, das Gewerberecht dem Schutz der Zukunft. Da kann die Beurteilung durchaus verschieden ausfallen. Für § 35 GewO gibt es daher keine zuverlässigen Faustregeln, sondern immer die Einzelfallbeurteilung.



Geschrieben von Kramer-Cloppenburg am 07.03.2006 um 07:47:

 

Hallo! ..... und ein freundliches Moin aus Cloppenburg!

@ Kollegen Ingolstadt: Si!!

@ Kollegen Christiansen: NÖÖÖÖÖ! - s. Kollegen Ingolstadt!



Geschrieben von Kai-Uwe Christiansen am 07.03.2006 um 15:07:

 

Ich möchte meinen letzten Beitrag "aus gegebenem Anlass" nochmal konkretisieren.
Stellt sich im Strafverfahren heraus, dass der Betroffene die Tat nicht begangen hat (sondern z. B. ein anderer der Täter war), halte ich die Aufrechterhaltung einer bereits im Vorfeld erfolgten Gewerbeuntersagung für unhaltbar. Wird der Täter jedoch freigesprochen, obwohl das Gericht festgestellt hat, dass er die Tat begangen hat, teile ich die Auffassung, dass eine Gewerbeuntersagung möglich bzw. sogar zwingend sein kann.


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