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Geschrieben von Leikamoser am 11.03.2008 um 16:56:

  Straßenmusiker der selbst bespielte CDs feilbietet

Hallo zusammen,

benötigt ein Straßenmusiker, welcher selbst bespielte CDs feilbietet, eine Reisgewerbekarte oder gibt´s hierfür eine Ausnahme. Wenn es eine solche geben sollte, wo ist das denn geregelt?

Vielen Dank im voraus

Leikamoser



Geschrieben von J. Neu am 11.03.2008 um 17:50:

 

Hallo Leikamoser,

ein Straßenmusiker, der ausschließlich seine eigenen CDs feilbietet, benötigt keine Reisegewerbekarte, da er kein Reisegewerbe ausübt. Der Verkauf erfolgt als Annex seiner künstlerischen Tätigkeit, die kein Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung ist.

Anders läge der Fall, wenn der Straßenmusiker CDs fremder Künstler feilbietet. Dann läge eine reisegewerbliche Tätigkeit vor, für die er eine Reisegewerbekarte benötigt.

Was meinen Sie denn mit "selbst bespielten CDs" ? Gebrannte CDs mit Zusammenstellungen diverser Interpreten ? Hier wäre ich wegen möglicher Copyrightverletzungen sehr vorsichtig. Entsprechende Schadensersatzforderungen können mitunter höher sein, als ein Bußgeldbescheid des Ordnungsamtes, wenn der "Künstler" CDs ohne Reisegewerbekarte verkauft .

Viele Grüße
J. Neu



Geschrieben von Ingolstadt am 11.03.2008 um 17:52:

  RE: Straßenmusiker der selbst bespielte CDs feilbietet

aus der Nachbarschaft.

Wenn der Straßenmusiker seine eigene Musik aufnimmt und auf CD verkauft, ist das immer noch als Ausübung von Kunst anzusehen. Es spielt auch keine Rolle, ob er eigene Werke, oder die fremder Künstler spielt. Musik erzeugen ist Selbstverwirklichung und daher kein Gewerbe.

Der "Künstler" muss aber beim Finanzamt als Einkommensteuerpflichtiger erfasst sein. Sollte er Musik verwenden, die er nicht selbst komponiert hat, muss er Abgaben an die GEMA zahlen. Bei Kontrollen könnte dies eventuell nachgeprüft werden. Wird dem "Künstler" genausowenig gefallen, wie der Besitz einer Reisegewerbekarte.

Auch der Künstler benötigt eine Sondernutzungserlaubnis, da er mit seiner Kunst die Straße / Gehweg dem Gemeingebrauch entzieht.

Übe mich lieber in der Kunst des Textens, andere Instrumente beherrsche ich nicht, ausgenommen Hifi-Anlagen und MP3 Player.

Kunstvolle Grüße



Geschrieben von J. Neu am 11.03.2008 um 18:03:

  RE: Straßenmusiker der selbst bespielte CDs feilbietet

Zitat:
Original von Ingolstadt
Auch der Künstler benötigt eine Sondernutzungserlaubnis, da er mit seiner Kunst die Straße / Gehweg dem Gemeingebrauch entzieht.

Hallo Kollege Kirchhammer,

das muss nicht immer der Fall sein. Solange das musizieren im Rahmen des sog. "kommunikativen Verkehrs" stattfindet, handel es sich um erlaubnisfreien Gemeingebrauch, der keiner Sondernutzungserlaubnis bedarf.

Sollte jedoch der Verkauf der (mit selbst produzierter Musik aufgenommenen) CDs gemeint sein, der möglicherweise auch noch mittels eines Verkaufstisches oder sonstiger Hilfsmittel erfolgt, dann handelst es sich selbstverständlich um erlaubnispflichtige Sondernutzung öffentlichen Straßenraums.

Viele Grüße
J. Neu



Geschrieben von Leikamoser am 12.03.2008 um 00:02:

 

Vielen Dank für die schnellen Antworten.

Wenn Ihr mir jetzt noch sagen könntet unter welcher Adresse im Gesetz ich das finde, dass für den Verkauf von CDs mit eigener Musik (also selbst gespielt und aufgenommen) keine Reisegewerbekarte erforderlich ist, wäre mir optimal geholfen und ich muss nicht weiter nerven ;-)

Danke



Geschrieben von J. Neu am 12.03.2008 um 09:02:

 

Hallo Leikamoser,

das steht leider nirgendwo im Gesetz. Der Gewerbebegriff im Sinne der Gewerbeordnung leitet sich ab aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (u.a. BVerwG, 24.06.1976 - 1 C 56/74, NJW 1977, 772 = GewArch 1976, 293).

Hiernach ist ein "Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung" jede nicht sozial unwertige (d.h. generell nicht verbotene = erlaubte), auf Gewinnerzielung und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit, mit Ausnahme der Urproduktion, der wissenschaftlichen, künstlerischen und schriftstellerischen Berufe, der freiberuflichen Tätigkeiten sowie der bloßen Verwaltung eigenen Vermögens.

Der Künstler übt somit also kein Gewerbe aus und muss daher für seine Tätigkeit weder eine Gewerbeanzeige erstatten noch eine Reisegewerbekarte beantragen. Dies gilt ebenso für Tätigkeiten, die lediglich einen Annex seiner künstlerischen Tätigkeit darstellen (z.B. der Verkauf der mit eigenen Produktionen bespielten CDs).

Ich hoffe Ihnen hiermit etwas weitergeholfen zu haben.

Viele Grüße
J. Neu



Geschrieben von Leikamoser am 12.03.2008 um 10:41:

 

Genau das hat mir noch gefehlt damit sich der Kreis schließt.

Herzlichen Dank!



Geschrieben von Erik am 07.06.2017 um 10:17:

 

Hallo. Ich habe zu diesem alten Thread nochmal eine Frage. Wie verhält es sich, wenn der Künstler sogenanntes Merchandising (T-Shirts mit Bandnamen usw.) verkauft??? Ist das ebenfalls als Annex zur künstlerischen Tätigkeit zu sehen??



Geschrieben von jaenickV am 07.06.2017 um 10:47:

 

Da bin ich aber auch gespannt auf die Antworten!!!!!!!!!!!



Geschrieben von Erik am 07.06.2017 um 10:52:

 

Im Landmann Rohmer habe ich dazu leider nichts gefunden



Geschrieben von KremserT am 07.06.2017 um 11:09:

 

Zitat:
Original von Erik
Hallo. Ich habe zu diesem alten Thread nochmal eine Frage. Wie verhält es sich, wenn der Künstler sogenanntes Merchandising (T-Shirts mit Bandnamen usw.) verkauft??? Ist das ebenfalls als Annex zur künstlerischen Tätigkeit zu sehen??


Garantiert nicht. Der Verkauf von CD´s als unmittelbarer Annex zur Kunstfreiheit ist ja nur dadurch gegeben, da mittels CD der künstlerische Akt bzw. die Kunst an sich wiedergegeben wird; damit bringt der Künstler ja auch seine Kunst an den Mann. Repräsentative, auf den Namen des Künstlers basierende Textilien, Bändchen, Taschen etc. spiegeln nicht unmittelbar seine künstlerische Tätigkeit wieder, hierin wird die Kunstfreiheit erschöpft, da ich diese Artikeln nicht mehr zum ursächlichen Schaffensbereich des Künstlers zähle, sondern tatsächlich ein Gewerbe anzunehmen ist. Rechtlich fundieren kann ich das anhand von Kommentaren und/oder Gesetzen leider nicht; jedoch ist meine Meinung, dass die grundgesetzlich geschützte Kunstfreiheit den Verkauf von Merchandise definitiv nicht umfassen kann.



Geschrieben von Stadtverwaltung Frankenthal am 10.12.2019 um 15:23:

  Straßenmusiker der selbst bespielte CDs feilbietet

hallo zusammen, ich möchte dieses Thema noch einmal aufgreifen und etwas abwandeln...folgender Fall: auf dem hiesigen Weihnachtsmarkt werden zwei ausländische Personen angetroffen, die CDs verkaufen wollten... es handelte sich um zwei Personen aus Estland, die hier keinen festen Wohnsitz haben und mit einem Campingbus unterwegs sind. Auf dem Weihnachtsmarkt wollten sie CDs verkaufen, die sie augenscheinlich nicht selbst besungen haben....aufgrund einer Beschwerde wurden die beiden kontrolliert.... eine Reisegewerbekarte hatten sie nicht, eine Sondernutzungserlaubnis hatten sie nicht, einen festen Wohnsitz hätten sie nicht und auch keine Bankverbindung.... ganz hemdsärmelig haben wir die CDs einmal sichergestellt und eine Sicherheitsleistung wegen Verstoß gegen die GewO (fehlende Reisegewerbekarte) genommen … im Nachhinein kamen jetzt die Diskussionen, ob dies so okay war oder ob nicht ein Platzverweis ausgereicht hätte... daher die Frage: was hättet ihr gemacht?
Danke für euere Rückmeldungen!



Geschrieben von J. Simon am 11.12.2019 um 14:09:

 

1. Frage: Wurden die CD sichergestellt oder beschlagnahmt?

2. Hinsichtlich der Sicherheitsleistung nach § 132 StPO scheinen alle Kriterien erfüllt, um diese von den EU-Ausländern zu erheben. Hätten wir auch so gemacht.

Es ist den Kameraden zuzumuten, eine RGK zu beantragen und sich auch um eine Sondernutzungserlaubnis zu bemühen.

Ein Platzverweis ist zwar einfacher, aber wird m.E. nicht helfen, dass die Kameraden auch an anderen Orten weiter illegal ihre Produkte verkaufen.



Geschrieben von Roesje am 11.12.2019 um 14:35:

 

Ich denke, dass das so durchaus okay war. Sie haben Handel mit CD's ohne irgendwas betrieben und haben gleich gegen mehrere Vorschriften verstoßen.
In einem solchen Fall lediglich einen Platzverweis auszusprechen, halte ich nicht für zielführend...dann hauen die ab und fühlen sich in ihrem Tun auch noch bestärkt. Das ist Kuschelkurs.

Ich kenne das hier immer häufiger mit Schrottsammlers aus Bulgarien oder Rumänien. Hatte hier gleich 2 Fälle, wo solche ohne entsprechende Genehmigungen, RGK etc. von der Polizei beim illegalen Schrott sammeln erwischt wurden. Jeder Verstoß wurde aufgenommen und an die zuständigen Behörden weitergeleitet.

Und genau so ist das auch richtig. Sonst schaffen wir uns doch irgendwann echt selbst ab.



Geschrieben von Stadtverwaltung Frankenthal am 11.12.2019 um 16:58:

  Straßenmusiker der selbst bespielte CDs feilbietet

@ Roesje und J. Simon:
schön, dass sie das auch so sehen... ein Kollege meinte, wir hätten die CDs nicht sicherstellen dürfen ohne zuvor einen richterlichen Beschluss eingeholt zu haben; ein anderer meinte, die Personen hätten gar keine Reisegewerbekarte benötigt, da es sich um Kunst handele....im Übrigen hätten sie auch keine Sondernutzungserlaubnis gebraucht, da sie keinen Stand hatten, sondern nur umher gingen

je mehr Personen in den Fall involviert werden, je weiter gehen die Meinungen auseinander...

daher nochmal danke für Ihre moralische Unterstützung



Geschrieben von J. Simon am 12.12.2019 um 08:15:

 

Der Verkauf von nicht selbst bespielten CD ist Handel und keine Kunst. Im Umherziehen nennt man das Reisegewerbe und die Nutzung des öffentlichen Verkehrsraums über den Gemeingebrauch hinaus ist eine Sondernutzung und damit genehmigungspflichtig (Straßenmusikanten, Grillwalker usw.)

da muss ich nicht diskutieren.

Einzig die Frage, ob die CD sichergestellt (freiwillige Herausgabe) oder beschlagnahmt (unfreiwillige Herausgabe)worden sind. Im zweiten Fall müsste eine richterliche Anordnung nachgeholt werden (§ 98 StPO).

Die Sicherheitsleistungwar auf jeden Fall nach Sachverhaltsschilderung berechtigt.

Das ist aus meiner Sicht alles, was hierzu zu sagen ist.



Geschrieben von Rheinhesse am 13.10.2020 um 15:26:

 

Moin aus Rheinhessen,
die vom Kollegen aus Frankental beschriebenen CD-Verkäufer aus Estland sind in unserem Zuständigkeitsbereich gewesen. Die dazugehörige estnische Metal-Band Illumenium macht das wohl schon seit mehreren Jahren. Bei der Kontrolle konnten keine Erlaubnisse (Reisegewerbekarte / Sondernutzungserlaubnisse) vorgelegt werden. Der weitere Verkauf wurde untersagt.
Der von den Kollegen fotografierte estnische Ausweis des Verkäufers weist keine Adresse auf. Ein mögliches OWI-Verfahren ist da nicht einfach. Gibt es jemanden mit einschlägigen Erfahrungen?


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