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Geschrieben von Rosengart am 09.05.2023 um 07:47:

  Verwaltung eigenen Vermögens Gewerbe angrenzung

Hallo folgender Fall :

Gewebetreibender aus Berlin kauft hier in Brandenburg riesiges Grundstück im Gewerbegebiet bebaut es mit großes Hallen die er jetzt an 17 Firmen vermietet hat. Streitfrage bei uns Verwaltung eigenen Vermögens oder auf Grund der Größe Gewerbe?

Über konkrete Hinweise wären wir sehr dankbar



Geschrieben von Roesje am 09.05.2023 um 08:24:

 

Ich zitiere mal aus meinem Merkblatt, was ich aus der Rechtsprechung zusammengebastelt habe:

Mit dem Merkmal der bloßen Verwaltung und Nutzung des eigenen Vermögens soll erreicht werden, solche (auch) auf Erwerb gerichteten Tätigkeiten von dem gewerberechtlichen Instrumentarium freizustellen, für die es nach den Intentionen des Gesetzes namentlich deswegen nicht geschaffen ist, weil sie keiner Überwachung bedürfen. Die gewerberechtliche Einbindung, insbesondere die gewerberechtliche Überwachung, verfolgt zwei Hauptzwecke, nämlich den Schutz der Allgemeinheit, insb. der Verbraucher, und denjenigen der gewerblichen Arbeitnehmer vor unzuverlässigen Gewerbetreibenden sowie störenden und belästigenden Betrieben.

Die Gewerbeordnung (GewO) ist zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bestimmt. Durch das Abgrenzungsmerkmal „Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens“ werden solche Betätigungen ausgenommen, die nicht oder nur geringfügig die Schutzzwecke der Gewerbeordnung berühren, so dass ihre Einbindung in den gewerberechtlichen Ordnungsrahmen nicht erforderlich ist.

„Bloße“ Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens und damit die Unanwendbarkeit der Gewerbeordnung kann daher nur angenommen werden, wenn die Auswirkungen der Betätigung Dritte nicht oder doch nur in geringer, eine „Bagatellschwelle“ nicht überschreitender Weise berühren. Erhebliche Umstände können in diesem Zusammenhang etwa das Maß des Einsatzes von Kapital, Arbeitskraft, Organisation sowie der anfallende Verwaltungsaufwand sein.
(vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.1993 – 1 C 25.91, Urteil vom 24.06.1976 – I C 56.74, VGH Bad.-Württ., Urteil vom 09.05.1995 – 14 S 2402/94)

Dies bedeutet, dass die eigene Verwaltung und Nutzung von Vermögen nicht
generell im privaten Bereich verbleibt und keine Gewerbeanzeigenpflicht (oder
Erlaubnispflicht nach § 34c Abs. 1 Nr. 4 GewO) auslöst, sondern stets im Einzelfall
darauf abgestellt werden muss, ob die Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild den
allgemeinen Vorstellungen von einem Gewerbe im Wesentlichen gleichkommt, oder
nicht.

Die Verwaltung eigenen Vermögens als Ausfluss des Eigentumsrechts hat somit ihre
Grenzen in der Art und Weise der Ausübung und des Vermögensbestandes.

Kriterien zur Abgrenzung
Ob im einzelnen Fall die wirtschaftliche Tätigkeit sich (noch) im Rahmen einer bloßen
Verwaltung und Nutzung des eigenen Vermögens bewegt oder diese überschreitet
und daher Betrieb eines stehenden Gewerbes ist, ist nach dem Gesamtbild der zu
beurteilenden Tätigkeit zu entscheiden, wobei dem Zweck des Gewerberechts
besondere Bedeutung zukommt, d.h., es ist stets der Einzelfall zu betrachten.
Folgende Merkmale sind hierbei zu beachten:
- Eine Gesellschaft, deren Zweck das Errichten und Vermieten von Gebäuden
ist, betreibt ein Gewerbe im Sinne der GewO (Urteil vom 12.07.1973 –
BVerwG I C 23.72)
- Eine Verwaltungs-GmbH mit dem Betriebsgegenstand der Beteiligung und Geschäftsführung an anderen Unternehmen, ferner der Verwaltung und
Verwertung von Grundbesitz und anderen Vermögensgegenständen ist
zweifelsfrei ein Gewerbebetrieb (Urteil vom 19.12.1995 – BVerwG – 1 C 3.93)
- Eine Gesellschaft, z.B. eine GmbH, die zum Gegenstand die eigene
Vermögensverwaltung hat, betreibt nur dann eigene Vermögensverwaltung,
wenn sie selbst Eigentümerin des Vermögens ist.
- Eine Gesellschaft, die das Privatvermögen der Gesellschafter, z.B. des
Geschäftsführers, verwaltet, verwaltet Fremdeigentum und ist gewerblich
sowie unter Umständen erlaubnispflichtig tätig (gemäß § 34c Abs. 1 Nr. 4
GewO – Wohnimmobilienverwaltung)
- Werden für die Ausübung der Vermögensverwaltung z.B. extra
Räumlichkeiten angemietet (Geschäfts-/Büroräume), Personal eingestellt,
Gesellschaften gegründet etc., wird die Vermögensverwaltung tendenziell zum
gewerblichen Betrieb
- Genaue Bezugsgrößen, ab wann die nicht anzeigepflichtige Vermögensverwaltung zum Gewerbe wird, sind gesetzlich nicht vorgegeben
- Steuerliche Faktoren, wie z.B. die sog. „Drei-Objekt-Grenze“, sind für die
gewerberechtliche Einstufung lediglich Indizien und haben daher keine
Bindungswirkung, d.h. die steuerrechtliche Einstufung kann von der
gewerberechtlichen Einschätzung abweichen



Geschrieben von Civil Servant am 09.05.2023 um 08:51:

 

Wow!

Bitte dazu einen Vortrag bei der kommenden Bundesfachtagung Gewerberecht halten!



Geschrieben von Roesje am 09.05.2023 um 09:36:

 

Zitat:
Original von Civil Servant
Wow!

Bitte dazu einen Vortrag bei der kommenden Bundesfachtagung Gewerberecht halten!




Das schmeichelt mir, aber das würde ich mir nicht zutrauen.

Außerdem finde ich das Thema dieser Abgrenzung äußerst schwierig und in der Praxis kaum umsetzbar.



Geschrieben von Civil Servant am 09.05.2023 um 10:04:

 

Wer auch immer sich aus unserer Community tiefergehend mit einem Thema befasst und dazu etwas notiert hat, ist geradezu berufen, das in unserer großen Runde vorzutragen.

Es geht auch nicht darum die Kolleg:innen von ober herunter zu belehren, sondern einen wertvollen Diskussionsbeitrag zu liefern. Und die Grundlage dafür sehe ich in dem Text allemal. Schon die Zusammenstellung höchster Rechtsprechung dazu ist wertvoll.

Auch Fehlerfreiheit wird hier nicht verlangt.

Ich habe seit der 2. BFT Vorträge gehalten und hatte nie den Anspruch auf Perfektion gegen mich. Die Vorträge waren immer eine Einladung zur Diskussion. (Dass die dann oft weitgehend unangefochten im Raum stehen blieben, ist etwas anderes ).

Was einen Vortrag vor Publikum anbetrifft ist m. E. nur eines wirklich wichtig: Man sollte wissen über was man redet. Und auch das lässt der Text bereits deutlich erkennen. Und Lampenfieber haben wir - glaube ich - alle und das macht nix.

Im Übrigen redet man, wie einem der Schnabel gewachsen ist.



Geschrieben von Roesje am 09.05.2023 um 10:26:

 

Zitat:
Original von Civil Servant
Im Übrigen redet man, wie einem der Schnabel gewachsen ist.


Ich sowieso

Beim Thema Scheinselbständigkeit bin ich ja schon geübt. Da haben mich bereits etliche Kollegen aus ganz Deutschland angerufen.
Bei der Abgrenzung Vermögensverwaltung habe ich aufgrund mehrerer Fälle und meiner absoluten Verwirrung hinsichtlich Gewerbsmäßigkeit und der 34c-Erlaubnispflicht einfach mal probiert, etwas Struktur in mein Nichtverständnis zu bringen. Auch, weil ich faul bin, und mich nicht bei jedem Fall wieder auf die Suche nach Infos begeben will, die ich dann jedes Mal abschreibe

Zudem hatte ich versucht, die praktische Problematik dahinter, die mir erst seit Einführung der Erlaubnispflicht für die Verwalter aufgefallen ist, unserem Ministerium vorzustellen.


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