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Geschrieben von dealb am 29.04.2021 um 11:55:

  GmbH Satzungssitz / Verwaltungssitz

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in unserem Zuständigkeitsbereich hat eine GmbH ein Gewerbe angemeldet. Bei der angegebenen Anschrift handelt es sich um ein normales Wohnhaus. Es ist weder eine Klingel- noch Briefkastenbeschriftung ersichtlich.

Nach intensiver Nachfrage bei der Firma hat sich nun der Anwalt eingeschaltet und uns mitgeteilt, dass es sich hierbei lediglich um den Satzungssitz der Firma handelt, bei einem Satzungssitz reicht gegebenenfalls ein Firmenschild und Briefkasten aus.

So nun stellt sich bei uns die Frage, wennn es sich hierbei lediglich um einen Satzungssitz handelt, dann hat doch auch keine Gewerbeanmeldung zu erfolgen und die Anmeldung ist am Verwaltungssitz der GmbH durchzuführen, oder?!
Weißnicht

Ich wäre über Meinungen hierzu dankbar Danke



Geschrieben von Roesje am 29.04.2021 um 13:42:

 

Gemäß § 14 Abs. 1 GewO ist der Betrieb eines stehenden Gewerbes bei der zuständigen Behörde anzuzeigen, in der das Gewerbe tatsächlich betrieben wird (Betriebsstätte). Der Begriff des stehenden Gewerbes ist in der Rechtsprechung hinreichend definiert wor-den. Hieraus ergibt sich, dass sich an der angezeigten Betriebsstätte, die Haupt- oder Zweigniederlassung sein kann, eine gewerbliche Tätigkeit entfalten muss. Es muss ein sog. gewerblicher Mittelpunkt erkennbar sein, da dieser zum Wesen eines stehenden Gewerbes gehört. Die Anbringung eines Briefkastens erfüllt nicht die Erfordernisse, ei-nen gewerblichen Mittelpunkt zu schaffen. Die angezeigte Betriebsstätte muss zudem nicht der Sitz einer gewerblichen Niederlassung sein. So kann der handelsrechtliche Sitz der Gesellschaft von der gewerberechtlich gemeldeten Betriebsstätte abweichen (BVerwG vom 27.10.1978, GewArch 1979, 96; VGH Bayern vom 08.02.2007, Az 22 ZB 07/102).

Die GmbH ist nach § 14 Abs. 1 GewO verpflichtet, Ihr Gewerbe dort anzuzeigen, wo die Tätigkeit aktiv ausgeübt wird. Diese Anzeigepflicht ist völlig unabhängig vom gewählten Sitz der Gesellschaft nach den Bestimmungen des GmbHG zu beachten.



Geschrieben von Jannes am 30.04.2021 um 08:58:

 

Hallo liebe Freunde aus der Exekutive,

beschwören kann ich es nicht, aber ich glaube beim Satzungssitz gibt es ja keine konkrete Adresse. Es wird nur eine Stadt oder ein Dorf benannt.
Nach meiner Erfahrung ist die Wahl dieses Satzungssitzes entscheidend dafür welches Handelsregister, sagen wir mal salopp, als für zuständig gewünscht wird.
Wir hatten hier schon Fälle, in denen der Satzungssitz ohne jeglichen Bezug gewählt wurde. Die einzige Absicht war in den Zuständigkeitsbereich einer anderen IHK zu gelangen um Probleme bei der Wahl des GmbH-Namens zu umgehen.





Anmerkung
Niemand heißt hier wirklich Jannes.
Jannes ist eher eine Art Position in unserem Gewerbeamt. Man kennt das ja von den James-Bond-Filmen. Der Geheimdienst MI:6 hat einen Chef, der heißt immer M und einen Abteilungsleiter bei der Materialversorgung, der heißt immer Q. Wir hegen sogar den Verdacht, dass James Bond selbst nicht wirklich existiert, sondern dass der Arbeitsplatz mit der Nummer 007 immer wieder mit neuen Mitarbeitern besetzt wird.
Zum 1. März 2021 sollte der aktuelle Jannes gehen und kurz darauf sollte ein neuer Jannes kommen!
Die Nachfolge verzögert sich aber etwas.



Geschrieben von Ullrich am 11.05.2021 um 09:03:

 

Nur nach dem GmbH-Gesetz wird in Satzungs- und Verwaltungssitz einer Firma unterschieden.

Satzungssitz ist dabei der in § 4a GmbHG definierte und von der Gesellschaft bestimmte (formale) Sitz einer Firma = Briefkastenadresse. Unter dieser Anschrift muss sie sicherstellen, dass sie postalisch erreichbar ist und sich nicht den Gläubigern entziehen darf. Wird dies nicht mehr gewährleistet, können Sanktionen getroffen werden. Ein Satzungssitz muss grundsätzlich im Inland liegen.

Der Begriff des Verwaltungssitzes ist gesetzlich nicht definiert und hat sich aus der Rechtsprechung entwickelt. Er wird als der Ort angesehen, wo sich die Firma tatsächlich befindet, von wo aus Entscheidungen getroffen werden und kann auch im Ausland liegen.

Da uns nur das Gewerberecht und somit die Ausübung der tatsächlichen Tätigkeit vor Ort interessiert, ist für uns nur der Verwaltungssitz maßgeblich. Liegt dieser in unserer Zuständigkeit, ist eine Gewerbeanmeldung vorzunehmen. Befindet sich nur der Satzungssitz bei uns, muss dort zwar ein Briefkasten angebracht sein, jedoch rechtfertigt dies mangels Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit keine Gewerbeanmeldung.



Geschrieben von 27711 OHZ am 08.12.2022 um 17:49:

 

Hallo liebe Mitstreiter,

ich möchte auf diese Thematik mal mit einer Besonderheit eingehen, denn bei uns hat sich nun folgendes ereignet:

Ich erhielt die Anmeldung einer Firma "Beispiel International Spedition GmbH" mit einer Handelsregistereintragung aus dem benachbarten Handelsregisterbezirk eines kleinen nördlich gelegenen Bundeslandes.
Sitz der Gesellschaft eben jener benachbarte Handelsregisterbezirk.
Geschäftsanschrift jedoch in meinem Handelsregisterbezirk.

Folglich wäre die Gesellschaft nun in meinem Bezirk als Gewerbe anzumelden, da dies die eigentliche Betriebsstätte ist.

Aber jetzt kommt die Besonderheit, mit der ich noch nicht weiß, wie ich mit ihr umzugehen habe:

Unter der gleichen Adresse befindet sich schon eine GmbH mit:

-exakt dem gleichen Namen "Beispiel International Spedition GmbH"
-exakt der gleichen Tätigkeit
-exakt den gleichen Geschäftsführern

Einziger Unterschied: diese bereits seit Jahren ansässige GmbH wurde in unserem eigenen Handelsregisterbezirk eingetragen. Die neue (aber exakt gleichnamige) GmbH wurde im benachbarten Handelsregisterbezirk eingetragen. Demzufolge ist der einzige Unterschied der Ort und die Nummer der Handelsregistereintragung.

Es besteht aber nun somit für Gewerbeanfragen und dergleichen eine massiv erhöhte Verwechslungsgefahr, die scheinbar auch künstlich herbeigeführt werden sollte, denn der für die GmbH tätige Notar wollte mir keine Auskünfte zu den Hintergründen dieser quasi "Doppeleintragung" preisgeben.

Meine Frage ist nun:

1. Ist das rechtmässig? Ich selbst fürchte fast, ja...

2. Hat das benachbarte Handelsregistergericht nicht eigentlich zu prüfen, dass es zu so einer Verwechslung kommen kann aufgrund der Namensdoppelung?


Hat das schon mal jemand in der Form erlebt?


Grüße aus dem Norden!



Geschrieben von Roesje am 09.12.2022 um 08:40:

 

Moin

Also ich habe schon viele seltsame Dinge in Sachen Handelsregister erlebt, aber so etwas noch nicht. Wenn mir etwas seltsam oder falsch vorkommt, schreibe ich das AG an und teile den Sachverhalt mit, damit die das entsprechend prüfen können.
Habe aber auch schon häufig festgestellt, dass dann alles so seltsam (und für mich falsch) bleibt und vieles davon auch anscheinend so rechtlich in Ordnung ist.

Letztendlich prüfe ich nach der GewO, ob das passt, informiere, wo es nach meinem Ermessen etwas an andere Behörden/Gerichte zu informieren gibt und habe somit alles getan, um dazu beitzutragen, dass das System funktioniert. Wenn es dann wegen rechtlicher Gegegenheiten, aus Gründen der Untätigkeit anderer Behörden oder aus sonstigen Gründen versagt... dann nicht mehr mein Problem Weißnicht

Ergo: Ich würde den Kontakt mit beiden Gerichten suchen bzw. den SV beiden mitteilen und mal abwarten. Und wenn einer Anmeldung gewerberechtlich nichts im Wege steht, anmelden. Auch, wenn es mit einer gehörigen Portion Unwillen und Bauchweh geschieht.



Geschrieben von spinckin am 13.12.2022 um 11:37:

 

...und auf § 30 HGB verweisen....


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