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Geschrieben von Greenhorn am 13.09.2017 um 12:37:

  Medizinisches Versorgungszentrum als GmbH = Gewerbe?

Mahlzeit in die Runde!

Folgender Fall: Ein medizinisches Versorgungszentrum (nach § 95 SGB V) wird als GmbH betrieben. Meines Erachtens besteht keine Anzeigepflicht (§ 6 Abs. 1 Satz 2 GewO). Das MW verweist auf Anfrage auf eine Ausarbeitung. Danach ist das vorgenannte Unternehmen nach § 13 Abs. 1, 3 GmbHG Handelsgesellschaft nach dem HGB. Gemäß § 6 Abs. 1 HGB finden die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung. Daher sei die GmbH kraft Gesetzes "Formkaufmann" (Dieser Terminus ist mir gänzlich unbekannt) und somit zur Anzeige verpflichtet. Ich hege erheblich Zweifel, ob das so richtig sein kann.

Was meinen denn die Mitglieder des Forums dazu?



Geschrieben von Stadtverwaltung Frankenthal am 13.09.2017 um 13:43:

  Medizinisches Versorgungszentrum als GmbH = Gewerbe

Moin

diese Auffassung wird ja immer mal wieder vertreten, dass eine GmbH automatisch Gewerbetreibende sei, bspw. eine Steuerberatungsgesellschaft mbH...

wir vertreten dabei immer den Standpunkt, dass es auf die Tätigkeit ankommt und nicht auf die Rechtsform und sind damit immer gut gefahren...



Geschrieben von KremserT am 13.09.2017 um 14:23:

  RE: Medizinisches Versorgungszentrum als GmbH = Gewerbe

kann mich da Frankenthal nur anschließen. Die Zuordnung als Kaufmann führt bspw. dazu, dass Handelsgeschäfte nach dem HGB abgeschlossen werden, Buchführungspflicht etc., aber führt nicht zu einer Gewerbeanzeigenpflicht.



Geschrieben von Thomas Mischner am 13.09.2017 um 14:28:

  RE: Medizinisches Versorgungszentrum als GmbH = Gewerbe?

Dem schließe ich mich ebenfalls an.
Zitat:
Original von Greenhorn
Danach ist das vorgenannte Unternehmen nach § 13 Abs. 1, 3 GmbHG Handelsgesellschaft nach dem HGB. Gemäß § 6 Abs. 1 HGB finden die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung. Daher sei die GmbH kraft Gesetzes "Formkaufmann"

Das ist soweit richtig,
das
Zitat:
und somit zur Anzeige verpflichtet

hingegen nicht mehr.
Wer eine Gewerbeanzeige erstattet, regelt die GewO und nicht das GmbHG und das HGB. Gewerbetreibende "kraft Rechtsform" gibt es im Gewerberecht nicht.



Geschrieben von Greenhorn am 13.09.2017 um 15:57:

 

Vielen Dank für die Beiträge. Ich bin zu selbem Ergebnis gekommen. Dann können wir wohl festhalten: Die Verknüpfung von HGB zu § 14 GewO ist wohl falsch.



Geschrieben von Thomas am 29.05.2018 um 10:07:

 

Hallo! Nicht das GmbHG und HGB regelten, wer eine Gewerbeanzeige erstatten muss, sondern die GewO. Das ist schon richtig, jedoch wird bei einer GmbH nicht aufgrund der Regelungen in GmbhG und HGB von einer grundsätzlichen Gewerbeeigenschaft ausgegangen, sondern die Beurteilung erfolgt durchaus auch nach den Kriterien der GewO, d. h. der gängigen Definition der gewerblichen Tätigkeit und insbesondere der Abgrenzung zur freiberuflichen Tätigkeit.

Von einer freiberuflichen Tätigkeit ist bei Kapitalgesellschaften, zu denen auch die GmbH gehört, (in Übereinstimmung mit dem BVerfG - Nichtannahmebeschluss Az.: 1 BvR 2130/09 vom 24.03.201) nicht auszugehen. Typisch für die Tätigkeit des Freiberuflers ist, dass er eigenverantwortlich und persönlich tätig ist. Bei der Kapitalgesellschaft wie einer GmbH ist genau dieses Element der persönlichen Dienstleistung gerade nicht gegeben. Bei der GmbH wird die persönliche Haftung beschränkt, es gibt Gesellschafter und Geschäftsführer, denen die GmbH mit eigener Rechtssubjektqualität gegenübersteht, auch wenn deren Tätigkeit für sich genommen als freiberufliche Tätigkeit einzuordnen wäre.

Anders ausgedrückt: Mit der Gründung einer Kapitalgesellschaft (z. B. GmbH) wird ein neues Gebilde mit eigener Rechtspersönlichkeit geschaffen, welches neben den tätigen natürlichen Personen in der Welt ist und grundsätzlich in eine Kategorie (freiberuflich oder gewerblich) einzuordnen ist. Diese Einordnung fällt dann jedoch sehr eindeutig aus: Die Gewerbemerkmale (auf Dauer ausgerichtet, Gewinnerzielungsabsicht u. a.) sind einerseits erfüllt und ein Freiberufler kann die GmbH andererseits nicht sein, weil sie als juristische Person keine persönliche Dienstleistung erbringen kann. Dies können ausschließlich die die GmbH zwar tragenden, jedoch formalrechtlich unabhängig daneben stehenden natürlichen Personen. Aus diesem Grund ist die pauschale Einordnung einer GmbH als Gewerbe gerechtfertigt und somit die Aussage „Gewerbe durch Wahl der Rechtsform“ bzw. „Gewerbetreibende kraft Rechtsform“ bei Kapitalgesellschaften richtig.

Das als GmbH betriebene medizinische Versorgungszentrum ist in der Praxis nicht z. B. mit einer Gemeinschaftspraxis oder einem sonstigen heilberuflichen Zusammenschluss vergleichbar, sondern muss ein zusätzliches gewerbliches Element enthalten. Ansonsten gäbe es keinen Anlass, es als GmbH zu betreiben. Die Wahl dieser Rechtsform führt dann jedoch zwingend zur Annahme gewerblicher Tätigkeit und damit zur Anzeigepflicht.

Gerade ein Versorgungszentrum wird ohnehin wie ein Gewerbebetrieb betrieben und ist damit anzeigepflichtig: Es koordiniert betriebswirtschaftlich die Aktivitäten der einzelnen Fachbereiche, kümmert sich um die Räumlichkeiten, die Ausstattung, evtl. sogar das angestellte Personal. Das sind keine freiberuflichen Tätigkeiten, sondern gewerbliche Aktivitäten. Darüber hinaus ist die Tätigkeit eines Versorgungszentrums auch analog den Privatkrankenanstalten nach § 30 GewO zu sehen, nur dass eben kein stationärer Betrieb stattfindet. Zu den Privatkrankenanstalten heißt es in Landmann/Rohmer, § 30 RN 5: Der freiberuflich tätige Arzt wird zum Gewerbetreibenden, wenn und soweit er eine Privatkrankenanstalt als selbständiges Mittel zur Erzielung einer dauerhaften Einnahmequelle einrichtet und unterhält [mit Verweisen auf Rechtsprechung].



Geschrieben von Andreas Goldmann am 29.05.2018 um 12:34:

 

Moin und Respekt @Thomas für die ausführliche Darstellung. Ich halte es auch schon seit Jahren so, dass die ausgeübte Tätigkeit und nicht die Rechtsform ein entscheidendes Kriterium für die Anzeigepflicht ist.

Ein von einer GmbH betriebenes MVZ war bisher für mich im Bereich Heilberufe/Heilhilfsberufe angesiedelt und wäre beim Erbringen medizinischer Versorgungsleistungen o. ä. auch als GmbH nicht anzeigepflichtig.

Was steht denn als Unternehmensgegenstand im Handelsregister? Vielleicht werden ja tatsächlich andere, als den freien Berufen zuzurechnende Tätigkeiten ausgeübt?

Dann würde eine Gewerbeanzeige nicht nur Sinn machen, sondern auch vorgeschrieben sein...



Geschrieben von Stadtverwaltung Frankenthal am 29.05.2018 um 13:30:

  Medizinisches Versorgungszentrum als GmbH= Gewerbe

@ Thomas
mich überzeugen Ihre Ausführungen in der Sache nicht... auch ein Steuerberater o.ä. kann meines Wissen eine GmbH gründen.... bei uns bleibt es dabei... wir machen es an der Tätigkeit fest und nicht an der Rechtsform...
und das MZV wäre damit bei uns nicht anzeigepflichtig.... um Personal, Büroräume, Ausstattung etc. muss sich doch jeder kümmern... auch ein Arzt, Rechtsanwalt etc...



Geschrieben von Thomas am 30.05.2018 um 17:17:

  RE: Medizinisches Versorgungszentrum als GmbH= Gewerbe

Steuerberater, Ärzte, Rechtsanwälte haben selbstverständlich Angestellte, Bürobetrieb, Verwaltung u. s. w. Das macht sie natürlich nicht zu Gewerbetreibenden, sondern sie bleiben mitsamt ihrem gesamten Betrieb Freiberufler. Schließen sich Freiberufler zusammen, wird ihr „Laden“ sogar noch größer und durchorganisierter und hat mehr Bürokrafte und sonstige Gehilfen als Angestellte. In der Regel werden dann Bürogemeinschaften, Sozietäten und vergleichbare Zusammenschlüsse gebildet. Klassisches Beispiel sind Gemeinschaftspraxen, Anwaltssozietäten u. s. w. Auch dann bleiben sie Freiberufler. Die GewO hat die Personen und die Organisationsformen der Freiberufler privilegiert.

Wählen sie jedoch eine Kapitalgesellschaft als Betätigungsform, so verzichten sie dadurch auf das Privileg, das den Freiberuflern zuerkannt wird. Natürlich ist das auch legitim und völlig in Ordnung. Es gibt die verschiedensten Gründe, warum jemand diese Form wählt und sich in die gewerbliche Sphäre hineinbewegt. Jedenfalls beschränkt er durch die Form der GmbH seine persönliche Haftung und kann dann auch nicht mehr die typische persönliche Dienstleistung des Freiberuflers erbringen, wenn er in Form der GmbH tätig ist. Unbenommen bleibt es ihm, daneben auch noch freiberuflich tätig zu sein. Die GmbH muss trotzdem als Gewerbe angemeldet werden. Die hat eine eigene Rechtspersönlichkeit und kann als solche kein Freiberufler sein.

Der genannte BVerfG-Beschluss (BVerfG Nichtannahmebeschluss Az.: 1 BvR 2130/09 vom 24.03.2010) bezieht sich zwar auf den steuerrechtlichen Gewerbebegrifft, er ist hier jedoch auf den „gewerberechtlichen Gewerbebegriff“ übertragbar, da es genau um die Kriterien der Zuordnung einer Tätigkeit zu einer gewerblichen Tätigkeit geht: Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, Einkünfte einer aus freiberuflich tätigen Gesellschaftern bestehenden GmbH nach § 2 Abs 2 S 1 GewStG generell als gewerblich einzuordnen.

Zur Begründung führt das BVerfG aus: Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft stets und in vollem Umfang einen Gewerbebetrieb darstellt. Die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft ist nach § 18 EStG keine freiberufliche Tätigkeit. Eine Kapitalgesellschaft kann nicht im Sinne dieser Vorschrift aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werden. Sie ist darauf angewiesen, ihre Tätigkeiten durch Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder andere Arbeitnehmer wahrnehmen zu lassen. Gegenüber diesen Personen kommt der Kapitalgesellschaft eigene Rechtssubjektqualität zu. Ihre Tätigkeit erschöpft sich darin, dass sie Kapital aufbringt, Betriebsmittel einsetzt und Personal beschäftigt. Damit unterscheidet sich die Kapitalgesellschaft wesentlich von Sozietäten und sonstigen freiberuflichen Zusammenschlüssen. Bei diesen erscheint die Tätigkeit der Gesellschaft als Tätigkeit der Gesellschafter.

Beispiel: A, B und C wollen GbR gründen. A + B erbringen Trainer und Fitnessdienstleistungen, C ist Physiotherapeut und wird seine Leistungen erbringen und mit der K-Kasse abrechnen. Wie anmelden?
GbR anmelden mit Trainer- und Fitnessdienstleistungen. Die Physiotherapie wird nicht in den Gegenstand aufgenommen, da a) Heilhilfsberuf und b) nur C hierzu berechtigt ist.
Würde eine GmbH gegründet (ABC Fitness und Physiotherapie GmbH), wäre diese aufgrund der Rechtsform einzutragen, auch mit einem Gegenstand Physiotherapie.



Geschrieben von Thomas Mischner am 31.05.2018 um 08:04:

  RE: Medizinisches Versorgungszentrum als GmbH= Gewerbe

Hallo,

Zitat:
Der genannte BVerfG-Beschluss (BVerfG Nichtannahmebeschluss Az.: 1 BvR 2130/09 vom 24.03.2010) bezieht sich zwar auf den steuerrechtlichen Gewerbebegrifft, er ist hier jedoch auf den „gewerberechtlichen Gewerbebegriff“ übertragbar, da es genau um die Kriterien der Zuordnung einer Tätigkeit zu einer gewerblichen Tätigkeit geht: Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, Einkünfte einer aus freiberuflich tätigen Gesellschaftern bestehenden GmbH nach § 2 Abs 2 S 1 GewStG generell als gewerblich einzuordnen.


Soweit mir bekannt ist (ich lasse mich gern korrigieren), sieht das die herrschende Meinung allerdings anders: das Gewerberecht kennt keinen "Gewerbebetrieb kraft Rechtsform", entscheidend ist vielmehr die ausgeübte Tätigkeit (Friauf, GewO, § 1 Rn. 34; Tettinger/Wank, GewO, § 1 Rn. 5).



Geschrieben von BE-DE am 31.05.2018 um 10:48:

  RE: Medizinisches Versorgungszentrum als GmbH= Gewerbe

Moin Moin von der D...

Na das hört sich interessant an. Vielleicht komme ich in Berlin beim Seminar darauf zurück, wenn die Zeit reicht.
Augen rollen großes Grinsen



Geschrieben von Stadtverwaltung Frankenthal am 01.06.2018 um 08:57:

  medizinisches Versorgungszentrum als GmbH= Gewerbe

Moin
ich bin voll und ganz der Meinung von Kollege Mischner smile



Geschrieben von VoPi am 01.06.2018 um 12:28:

  RE: medizinisches Versorgungszentrum als GmbH= Gewerbe

Moin

... und ich bin voll und ganz der Meinung der Kollegin aus Frankenthal

Beste Grüße und Wünsche für den Tag/ das Wochenende mailt VoPi aus "Struceberch"



Geschrieben von Jannes am 25.09.2018 um 09:18:

 

Also ich liebe Freunde aus der Exekutive, bevorzuge die Ausführungen der Person Thomas aus dem Saarland.

Vielleicht kann man das in Potsdam im Oktober 2018 mal ansprechen!


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