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Geschrieben von Roesje am 12.07.2017 um 14:40:

geschockt Reiseblog ohne feste Betriebsstätte mit Werbung (Amazon) - Gewerbe ja oder nein und wenn ja: Wie?

Hallo liebe Kollegen/-innen!

Wir würdet ihr bei folgendem Sachverhalt vorgehen? Tue mich da ein wenig schwer, da in der Praxis wohl bei Gewerbeanmeldung unumgänglich Probleme auftauchen werden.

Ein Pärchen sprach heute vor und wollte sich hinsichtlich Anmeldung erkundigen. Sie möchten einen Reiseblog starten, mit dem sie auch Geld verdienen wollen...und zwar durch das Amazon-Partnerprogramm. Damit werden wohl entsprechende Produktlinks in diesem Blog generiert und die Blogger verdienen dadurch Provisionen, wenn die Leserschaft auf diese Links klickt und dann bei Amazon etwas kauft.
Nächstes Jahr möchten die Blogger dann auf Reise gehen, denn das ist ja das Thema ihres Blogs und werden sich dann auch aus Deutschland abmelden...sie sind dann für Monate ohne festen Wohnsitz im Ausland unterwegs, werden den Blog von unterwegs betreiben...also auch trotzdem Geld verdienen. Amazon verlangt wohl zwingend einen Gewerbeschein, wenn man an diesem Partnerprogramm teilnehmen will.

Folgende Gedanken schossen mir schon durch den Kopf:

1. Ist das überhaupt als gewerbliche Betätigung zu verstehen oder viel eher als freier Beruf (Stichtwort: schriftstellerische Tätigkeit)?
Es werden überwiegend Reiseberichte geschrieben. Die Ausrüstungsgegenstände, die dann auf den Reisen gebraucht wurden, über die geschrieben wird, werden dann per Produktlinks zu Amazon führen.
Die hauptsächliche Betätigung ist somit eine Autorentätigkeit, nämlich das Reiseberichte schreiben und bloggen. Es wird durch die Werbelinks eine quasi Vermittlung zum Verkäufer Amazon hergestellt. Reich wird man damit nicht.

2. Was mache ich mit der Betriebsstätte, die ab nächstem Jahr nicht mehr existent sein wird?

Die GewO braucht eine Betriebsstätte. Grds. wäre das hier auch die Privatanschrift, aber genau diese wird nächstes Jahr aufgegeben und es wird eine Abmeldung ins Ausland erfolgen. Der "Gewerbebetrieb" wäre somit mehrere Monate tatsächlich nicht in Deutschland, eine deutsche Adresse gibts dann nicht mehr und somit wäre das Unternehmen vor Ort nicht erreichbar, obwohl die Bloggerei ja ausgeübt wird.

Die Leute schlugen dann vor, zwecks Erreichbarkeit ein Postfach einrichten zu lassen...nette Idee, aber dann hätte ich ja das Problem der Briefkastenadresse.

Hat da jemand Erfahrungen? Wie ist so eine durchweg digitale Tätigkeit einzuordnen?
Wie kriegt man das am besten geregelt?

Ich finde, für die digitalen Dienstleistungen heutiger Zeit ist die GewO (noch) nicht geschaffen und viel zu altmodisch. Ich bekomme immer mehr Fälle in diese Richtung...Tätigkeit erfolgt von überall, läuft komplett übers Internet, keine Betriebsstätte usw.

Wie geht ihr damit um?

Ich freue mich über eure Meinungen hierzu.



Geschrieben von LKKS am 12.07.2017 um 15:52:

 

Für die Annahme einer schriftstellerischen freiberuflichen Tätigkeit würde es mir hier an der nötigen Schöpfungshöhe fehlen.



Geschrieben von Civil Servant am 12.07.2017 um 17:11:

 

... zudem fließt hier das Geld ja gerade nicht für die "schriftstellerische" Tätigkeit, sondern für das Anklicken der Werbebanner.

Typisch - wenn nicht sogar wesentlich - für eine Gewerbeausübung ist das Anbieten von Dienstleistungen oder Waren. Nichts davon passiert hier. Vergleichbar scheint mir das mit einer Plakatwand an einem Haus, dessen Eigentümer dafür eine (symbolische) Miete erhält.

Rudimentäre Einschätzung daher: Kein Gewerbe.



Geschrieben von LKKS am 12.07.2017 um 20:08:

 

Die Dienstleistung würde ich hier im gewerbsmäßigen Zurverfügungstellen von Webspace für Bannerwerbung sehen.



Geschrieben von Maliklaus am 13.07.2017 um 08:13:

  Affiliate Marketing

Hallo,

hört sich für mich nach einem typischen Fall von Affiliate - Marketing an.

Wikipedia:
Affiliate-Systeme (engl. affiliate „angliedern“) sind internetgestützte Vertriebsarten, bei denen in der Regel ein kommerzieller Anbieter (engl. Merchant oder Advertiser) seine Vertriebspartner (engl. Affiliates oder Publisher) durch Provisionen vergütet. Der Produktanbieter stellt hierbei Werbemittel zur Verfügung, die der Affiliate auf seinen Webseiten verwendet oder über andere Kanäle wie Keyword-Advertising oder E-Mail-Marketing einsetzen kann.

Gibt inzwischen etliche Webseiten die lediglich einen rudimentären Inhalt zu allen möglichen Themen bereitstellen und ansonsten die Seite mit Werbebannern vollgepflastert ist. Die Werbebanner sind inzwischen so programmiert, dass sie immer die passenden Artikel/Angebote zum Sachinhalt bereitstellen.

Wir haben bei uns immer mal wieder entsprechende Gewerbeanzeigen der Plattformbetreiber. Ist für auch eine gewerbliche Tätigkeit und die Betriebsstätte ist in der Regel der Wohnsitz des Webseitenbetreibers, welche auch im Impressum angegeben ist.



Geschrieben von Civil Servant am 13.07.2017 um 08:17:

 

Schön formuliert. Ändert m. E. aber nicht viel daran, den Sachverhalt mit einer Art Mietverhältnis zu vergleichen.

Die Tätigkeit des Paares selbst tritt ja nach außen auch nicht in Erscheinung. Der Kund sieht nur den Banner des werbenden Unternehmens. Die Einstellung von Personal kommt bei so etwas nicht in Betracht. Eine Art Konkurrenzverhältnis ist auch nicht zu erkennen. Wer ist Kunde? Ja doch nur das werbende Unternehmen. M. E. sind viele Merkmale, die ein Gewerbe ausmachen, hier so schwach ausgeprägt oder gar nicht vorhanden, dass man nicht von einem solchen sprechen kann.

Dann sollte man noch Mal über die möglichen Provisionen reden. Übersteigen die Taschengeld-Niveau? Wenn das als sehr unwahrscheinlich gelten muss, wäre es zudem eine Bagatelle.

Hat die Tätigkeit einen Umfang wie von @Maliklaus beschrieben, kann die Sache natürlich anders aussehen.



Geschrieben von BernshausenL am 13.07.2017 um 10:39:

 

Also mit diesen Affiliate Links lässt sich schon eine Menge umsetzen, je nach Größe des Blogs können da schon einige hundert/tausend Euro fließen. Ich sehe da aber auch eine gewerbliche Tätigkeit, z.B. "Produktplatzierungen, Durchführung von Werbemaßnahmen/Kooperationen, etc.". Es ist ja auch davon auszugehen, dass das Pärchen im Laufe der Reise weitere Kooperationen mit anderen Partnern annimmt, die Reise muss ja schließlich finanziert werden So kenne ich es zumindest von bspw. Instagram. Das ist da eigentlich Praxis.

Also Gewerbe würde ich bejahen, die Frage der Betriebsstätte würde ich mal von hinten angehen. Wie stellen sie denn sicher, dass Rechnungen, Post der Versicherung, etc. in ihrer Abwesenheit zugestellt und ggf. bearbeitet werden kann? Geht ja auch nicht alles digital. Ich gehe davon aus, dass hierfür die Adresse von Freunden/Eltern angegeben wird. Könnte man m.M. nach für die Anmeldung des Gewerbes ebenfalls nehmen, da so sichergestellt wäre, dass eine postalische Erreichbarkeit und die Mitteilung (per Mail/Handy) an die Reisenden erfolgt.

Solange die GewO ist wie sie ist muss man die Fälle ja irgendwie erfassen, da muss man dann vielleicht auch mal andere Wege gehen smile



Geschrieben von VeSa am 13.07.2017 um 14:47:

 

Die Lösung finde ich gut. Ich sehe in der Betätigung auch ein Gewerbe. Letztlich dienst es ja der Schaffung einer Einnahmemöglichkeit. Freiberuflich ist es auf keinen Fall. Also bleibt letztlich nur Gewerbe über. Betriebsstätte ist natürlich ein kleines Problem. Grundsätzlich der Wohnort, weil von dort aus die Verträge, z.B. mit Amazon, geschlossen werden.
Wenn es einen Wohnort nicht gibt, dann muss man eben auf eine andere Betriebsstätte, z.B. bei den Eltern, ausweichen. Die Adresse des Gewerbetreibenden darf sich ja durchaus zwischendurch ändern, ohne dass es uns mitgeteilt wird.
Finde daher die vorgeschlagene Lösung praktikabel und gut smile



Geschrieben von H. Allgaier am 13.07.2017 um 14:49:

 

gelten dann die gesamte Reise und die dafür notwendigen Ausgaben als Betriebsausgaben?



Geschrieben von VeSa am 13.07.2017 um 14:50:

 

Interessante Überlegung, ich glaube ich gehe auch mal auf Reise Applaus



Geschrieben von Roesje am 14.07.2017 um 11:59:

 

Noch schnell vorm Wochenende ein Danke

Okay, Gewerbe. Eure Ausführungen haben mich überzeugt.

Praxisproblem bleibt wohl die eigentlich nicht vorhandene Betriebsstätte...ich werde es den Leuten mal so mitteilen, sollen die sich Gedanken machen, wo ihr Gewerbe seinen Sitz mit Gewährleistung der Zustellbarkeit von Post haben soll

Ein schönes Wochenende! Applaus



Geschrieben von sme40 am 20.12.2017 um 07:06:

 

Guten Morgen,

wie ich so heute morgen durch den Workflow unserer Gewerbemeldungen geflogen bin, bin ich ebenfalls an einer Bloggerin hängen geblieben, die das Gewerbe allerdings wieder abgemeldet hat.
Unabhängig davon: Wie ist denn die Geschichte nun ausgegangen?
Es steht und fällt doch mit der Betriebsstätte, die die sogenannten "digital natives" nicht haben. Die ziehen in der Welt umher, brauchen lediglich ein Notebook und eine stabile WLAN-Verbindung und schon geht es los.
Da sie Geld damit verdienen, müssen sie ja auch irgendwo ein Konto haben. Muss nicht zwingend in Deutschland sein.
Also sehe ich im ausgehenden Fall zwar den Willen, alles richtig zu machen, aber sobald die aus Deutschland raus sind, war es das mit der Betriebsstätte.

Gruß



Geschrieben von Roesje am 20.12.2017 um 08:21:

 

Moin

Der Fall ist so ausgegangen, dass ich dem Paar eine E-Mail geschickt habe, sämtliche Informationen,die u.a. hier besprochen wurden mit reingepackt habe und vor allem die Problematik mit der Betriebsstätte erläutert habe (das Für und Wider, welche Konsequenzen welches Verhalten/Vorgehen hat).

Kompromiss von mir war, dass sie eine Anschrift als Betriebsstätte bei Freunden/Bekannten finden könnten, und ich mir hier entspr. Vermerke mache, wie ich zur Not das Paar erreichen kann usw.

Sie haben sich bedankt, wollten sich Gedanken machen und seit her habe ich nix mehr von ihnen gehört.


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