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Geschrieben von Thomas Mischner am 30.01.2007 um 15:21:

  "Medizinische Interviews"

Hallo,

folgende Frage möchte ich heute in die Runde stellen:

Eine gelernte Krankenschwester möchte sich als „freie Mitarbeiterin“ für ein Unternehmen selbständig machen, welches u. a. medizinische Gutachten für Dritte (z. B Krankenkassen) erstellt. Ihre Tätigkeit soll in der Befragung von Patienten im Auftrag von Krankenkassen bestehen („Medizinische Interviews“ genannt).

Sie fragt an, ob es sich hierbei um eine freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit handelt.

Ich bin am Grübeln: Eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des Gewerberechts liegt eigentlich nur vor, wenn dafür eine akademische Bildung objektive Voraussetzung ist. Trifft aber nicht zu, da kein Medizinstudium gefordert ist, sondern sie Ausbildung als Krankenschwester ausreicht.

Unabhängig hiervon könnte § 6 GewO anwendbar sein (Heilhilfsberuf), allerdings handelt es sich der Beschreibung nach nicht um die klassischen Tätigkeit einer Krankenschwester, da sie die Patienten nicht pflegt oder betreut, sondern offenbar nur recht allgemein deren Gesundheitszustand beurteilen soll.

Laut Auskunft des Finanzamtes soll es sich zwar um eine freiberufliche Tätigkeit handeln, aber das ist für das Gewerberecht bekanntlich nicht bindend. Das Unternehmen habe ihr erklärt, bundesweit seien über 300 "freie Mitarbeiter" beschäftigt, die alle (selbstverständlich smile ) kein Gewerbe angemeldet hätten. Hat jemand schon Erfahrungen mit diesem (offenbar neuen) Berufsbild?

Schöne Grüße aus Kamenz
Th. Mischner



Geschrieben von Stadtverwaltung Frankenthal am 30.01.2007 um 16:43:

  "Medizinische Interviews"

hallo,
also.. ohne eingehende rechtliche Prüfung würde ich sozusagen aus dem Bauch heraus eine Gewerbeanmeldung verlangen...ich kann weder eine Ausnahme nach § 6 GewO erkennen, noch eine höherwertige Tätigkeit..und die Aussage, dass es wo anders anders sei (schön formuliert, gell) kennen wir ja alle zu genüge...
ich kann mir auch nicht vorstellen, dass nur eine ausgebildete Krankenschwester solche Befragungen durchführen kann, sondern wohl jede Person, die sich etwas mit der Materie befasst...für mich ist dies die gewerbliche Tätigkeit eines "Interviewers"
Gruß und schönen Feierabend an alle aus Frankenthal (Pfalz)



Geschrieben von Schwarzer am 31.01.2007 um 08:19:

  RE: "Medizinische Interviews"


Da schließe ich mich der Stadtverwaltung Frankenthal an.
Zudem wäre zu überlegen, ob diese Befragungen nicht schematisch vorgegeben sind. Gerade wenn die Erkenntnisse für Krankenkassen erhoben werden sollen, müssen sie ja gewissen Standards genügen, um vergleichbar und aussagefähig zu sein. Insofern - denke ich mal - wird die Dame einen vorgegebenen Fragekatalog abarbeiten.
Insofern würde ich keine Ausnahme von der Anzeigepflicht sehen.



Geschrieben von nette.tante am 05.02.2007 um 07:01:

 

Also für mich klingt das nach Scheinselbständigkeit...



Geschrieben von SE-Schwarzarbeit am 05.02.2007 um 09:09:

 

Auch aus dem Norden der Republik der Hinweis, dass die Form "als „freie Mitarbeiterin“ für ein Unternehmen" schon fast alle Kriterien der Scheinselbständigkeit abdeckt.
Ich würde unbedingt der Deutschen Rentenversicherung bzw. dem/der zuständigen MitarbeiterIn einen Hinweis auf das Unternehmen geben, damit es von dort mal durchgeprüft wird.
Benötigt das Unternehmen die Auswertungen tatsächlich, so soll es die Betroffenen (versicherungspflichtig) anstellen. Sonst lassen sie die InterviewerInnen mit dem gesamten Risiko alleine. Möglicherweise verbietet deren Vertrag sogar, in ähnlicher Weise für weitere Firmen tätig zu werden?



Geschrieben von Stadt-NW-Jonny Controlletti am 07.02.2007 um 11:19:

  RE: "Medizinische Interviews"

Zitat:
Original von Thomas Mischner

Laut Auskunft des Finanzamtes soll es sich zwar um eine freiberufliche Tätigkeit handeln, aber das ist für das Gewerberecht bekanntlich nicht bindend.


Tach ach!
ich habe das so verstanden dass Ihnen keine Bestätigung des Finanzamtes vorliegt, sondern die Antragstellerin selbst behauptete, vom Finanzamt so eingestuft worden zu sein. Solche Behauptungen werden hier auch öfter aufgestellt, als Rechtfertigungsgrund in Bußgeldverfahren.

Die Nachfrage beim Finanzamt ergibt aber regelmäßig, dass eine solche Bestätigung nicht ausgesprochen wurde, sondern vielmehr der Steuerpflichtige seine Tätigkeit dort selbst als freiberufliche Tätigkeit qualifiziert hatte.

Problem: Falls aus den Angaben nicht auf den ersten Blick hervor geht, dass es sich um keine freiberufliche Tätigkeit handeln kann (z. B. bei Tätigkeitsangabe "Massage" es könnte ein freiberuflicher Heilberuf oder eine gewerbliche Wellnessmassage gemeint sein), wird der Steuerpflichtigte zunächst wie von ihm angegeben eingestuft. Eine Prüfung dieser vorläufigen Einstufung erfolgt erst nach Abgabe der Steuererklärung!
Wenn abzusehen ist, dass der steuerlich angemeldete Betrieb ohnihin keine Gewerbesteuer entrichten muss, verzichtet das Finanzamt sogar ganz auf eine Prüfung hinsichtlich der Einstufung als freiberuflich oder gewerblich, um einen - aus steuerlicher Sicht - unnötigen Rechtsstreit und Verwaltungsaufwand in dieser Frage zu vermeiden.

Alla Hopp dann

Jonny Controlletti


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