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Geschrieben von Annette Tielke am 18.01.2007 um 08:57:

  Reisegewerbekarte

Hallo Kollegen,

Kann mit der Reisegewerbekarte auch Champagner bzw. Sekt in verschlossenen Behältnissen feilgeboten werden? Wie eng soll das Gesetz ausgelegt werden ? Gem. § 56 Abs. 1 Nr. 3 b) GewO sind "Bier und Wein" erlaubt.

Sehe Eurern Antwort mit Interesse entgegen - gerne auch per E-Mail Annette.Tielke@Heusenstamm.de.

A. Tielke

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Geschrieben von Hubert Steinmetz am 18.01.2007 um 10:34:

 

Moin,
Bier und Wein sind bereits eine Ausnahme vom Verkaufsverbot geistiger Getränke.
Grundsätzlich sind Ausnahmevorschriften eng auszulegen (so auch hier laut Kommentar Landmann/Rohmer) und Sekt ist eben kein Wein - der Verkauf von Sekt und Co ist im Reisegewerbe nicht zulässig (es sei denn selbst erzeugt = dritte Ausnahme von dem Verbot).



Geschrieben von René Land am 21.01.2007 um 23:50:

 

Hallo Frau Tielke,

ich habe mal hinsichtlich der Definitionsfrage Wikipedia bemüht. Hiernach sind Champagner und Sekt wegen des „Gehaltes an perlendem Kohlendioxid“ Schaumweine. Diese zählen zu „Weinen im weiteren Sinne“ zu denen auch Likörweine (wie Sherry oder Portwein) und nicht ausgegorener Wein (z.B. Federweißer) zählen.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Wein

Unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Sekt findet man übrigens die entsprechende Definition für Sekt, wonach Sekt einen Alkoholgehalt von mindestens 10 Vol. % und einen Überdruck von 3,5 bar haben muss.

Koll. Steinmetz hat hinsichtlich des Verweises auf die grundsätzlich enge Auslegung der Ausnahmevorschriften vollkommen Recht.

Anders als Koll. Steinmetz sehe ich die Trennung zwischen Wein und Sekt unter Beachtung der oben angeführten Definitionen nicht so streng. Vielmehr würde ich den Sekt zum Begriff des Weines hinzurechenen.

Der Schutzzweck der Vorschrift des § 56 Abs. 1 Nr. 3b GewO dürfte schwerpunktmäßig im Bereich des Jugendschutzes bzw. der Bekämpfung des Alkoholmissbrauches liegen. Aber gerade das Jugendschutzgesetz trifft keine Unterscheidung zwischen Wein und Sekt sondern grenzt in § 9 Abs. 1 JuSchG branntweinhaltige Lebensmittel und Getränke aus und unterwirft diese einer höheren Altersbeschränkung hinsichtlich des Verkaufs als andere alkoholische Getränke (gemeint sind hier alle nicht branntweinhaltigen Getränke außer die sog. Alkopops). Für letztere wurde nachträglich § 9 Abs. 4 eingefügt, da Alkopops als besonders kritisch hinsichtlich der Gewöhnung Jugendlicher an den Alkohol eingestuft werden.

Durch den bereits von Herrn Steinmetz erwähnten Ausnahmetatbestand des § 56 Abs. 1 Nr. 3b GewO i.V.m. § 67 Abs. 1 Nr. 1 zweiter und dritter Halbsatz GewO: „…zugelassen sind alkoholische Getränke, soweit sie aus selbstgewonnenen Erzeugnissen des Weinbaus, der Landwirtschaft oder des Obst- und Gartenbaus hergestellt wurden; der Zukauf von Alkohol zur Herstellung von Likören und Geisten aus Obst, Pflanzen und anderen landwirtschaftlichen Ausgangserzeugnissen, bei denen die Ausgangsstoffe nicht selbst vergoren werden, durch den Urproduzenten ist zulässig;“ ist es für die benannten Anbietergruppen möglich, auch „hochprozentige Getränke“ im Reisegewerbe in Verkehr zu bringen.

Beachtlich ist weiterhin § 55a Abs. 1 Nr. 9 GewO. Hiernach bedarf der Reisegewerbekarten nicht, wer „von einer nicht ortsfesten Verkaufsstelle oder einer anderen Einrichtung in regelmäßigen, kürzeren Zeitabständen an derselben Stelle Lebensmittel oder andere Waren des täglichen Bedarfs vertreibt; das Verbot des § 56 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b findet keine Anwendung;“.
Auch in diesem Fall ist der Vertrieb jedweder alkoholischer Getränke zulässig (vgl. Landmann/Rohmer, Komm. Zur GewO § 55a RdNr. 53).

Letztendlich kann die zuständige Behörde gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 für ihren Zuständigkeitsbereich im Einzelfall eine Ausnahme vom Verbot des § 56 Abs. 1 Nr. 3b GewO erlassen.

Nach all diesen Betrachtungen und der regelmäßigen Beobachtung, dass gerade der Personenkreis, auf dessen Schutz es dem Gesetzgeber ursprünglich ankam, seinen Bedarf an alkoholischen Getränken aus Kostengründen tatsächlich eher im nächsten Supermarkt befriedigt (für den eine solche Verbotsnorm nicht gilt), denn bei einem Reisegewerbetreibenden, halte ich die Vorschrift des § 56 Abs. 1 Nr. 3b GewO für deregulierungsbedürftig.

Den konkreten Fall betreffend würde ich Sekt und Champagner zum Begriff des Weines zählen, gleichwohl den Betroffenen darauf verweisen, dass dies freilich die nächste Behörde anders sehen kann.

Freundliche Grüße aus dem Spreewald

R. Land



Geschrieben von Hubert Steinmetz am 22.01.2007 um 09:15:

 

Angenehmen Montag Morgen zusammen.

Zitat:
Original von René Land

Anders als Koll. Steinmetz sehe ich die Trennung zwischen Wein und Sekt unter Beachtung der oben angeführten Definitionen nicht so streng. Vielmehr würde ich den Sekt zum Begriff des Weines hinzurechenen.



Es sei mir noch ein Hinweis auf § 14 GastG (Straußwirtschaften) gestattet, wo es im Kommentar Michel/Kienzle/Pauly heißt:
"Dagegen ist Schaumwein nicht als Wein im diesem Sinne anzusehen, da er wesentliche Zusätze an Zucker enthält und eine Kellerbehandlung erfahren hat, die ihn nach der Verkehrsauffassung als besonderes Getränk erscheinen läßt."
Zumindestens die Privilegierung im Zusammenhang mit dem Verkauf von selbsterzeugten Weinen und Apfelweinen im Rahmen einer Straußwirtschaft treffen für Schaumwein somit nicht zu.

Ich bleibe erstmal bei der engen Auslegung.



Geschrieben von René Land am 23.01.2007 um 00:37:

 

Hallo Kollege Steinmetz,

zunächst vielen Dank für den Hinweis auf § 14 GastG. Hier gibt es tatsächlich auch im Gewerberecht eine Definition zum Begriff des Weines. Bis zu den Straußwirtschaften tastet man sich als bebürtiger Brandeburger halt nur selten vor .

Gleichwohl möchte ich anmerken, dass die Definition des Weines hier tatsächlich nur auf den Anwendungsbereich des § 14 GastG abzielt. Dies ergibt sich sowohl aus den Ausführungen in Pöltl, Gaststättenrecht, § 14 RdNr. 4 als auch Mörtel-Metzner, Gaststättengesetz, 4. Aufl. § 14 RdNr. 7 wie auch Michel/Kienzle/Pauly, Das Gaststättengesetz, 14. Auflage, § 14 RdNr. 3.

Insbesondere muss in Bezug auf den Vergleich des Vertriebs von "Wein" im Reisegewerbe und des Verabreichens von "Wein" gemäß § 14 GastG darauf hingewiesen werden, dass die Vorschrift des § 14 hinsichtlich der Herkunft des "Weines" wesentlich restriktiver ist. Unter § 14 GastG fällt nämlich ausschließlich ein selbstgewonnenes Erzeugnis. Selbstgewonnene Erzeugnisse des Weinbaus sind im Reisegewerbe gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 3b GewO i.V.m. § 67 Abs. 1 Nr. 1 GewO jedoch unabhängig von "Prozentigkeit" privilegiert.

Insofern halte ich die Anwendbarkeit der Definition des Begriffes "Wein" aus § 14 GastG in Bezug auf das Reisegewerbe für nicht sinnvoll.

Ich möchte hierbei nochmals anmerken, dass es mir bei der Einordnung der Begriffe Wein und Sekt im Sinne privilegierter Getränke nach § 56 Abs. 1 Nr. 3b GewO vornehmlich auf den Zweck der Vorschrift (Schutzzweck) ankommt, der m. E. zum einen durch die zahlreichen Ausnahmetatbestände kontakariert wird, zum anderen durch die unabhängig vom Gewerberecht geltenden Jugendschutzvorschriften hinreichend gewahrt bleibt.


Freundliche Grüße

R. Land


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