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Geschrieben von räubertochter am 23.09.2016 um 08:37:

  Keine Mehrwertsteuer bei Spielbanken (und deshalb keine Mehrwertsteuer bei Spielhallen)

Zum Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 14.07.2016, V B 17/16

Mit Beschluss vom 14.07.2016 hat der fünfte Senat beim Bundesfinanzhof die Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein unrichtiges Urteil des Finanzgerichts Hamburg zur Mehrwertsteuer für Spielhallen zurückgewiesen. Der BFH meint, der Spielhallenbetreiber könne sich nicht mit dem Argument, dass die staatlich konzessionierten Spielbanken gesetzlich von der Mehrwertsteuer befreit sind, auf die in Artikel 135 Abs. 1 Buchstabe i der MWSt-Richtlinie geregelte Befreiung des Glücksspiels von der Mehrwertsteuer berufen.

Das ist nicht vertretbar. Bis heute besteht dieselbe Situation, die Gegenstand der EuGH-Entscheidung Linneweber (C-453/02) aus 2005 gewesen ist, in deren Folge der fünfte Senat beim BFH durch Urteil vom 12.05.2005 (V R 7/02) klargestellt hat, dass sich ein Automatenaufsteller auf Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i der MWSt-Richtlinie berufen kann.

Die staatlich konzessionierten Spielbanken sind nämlich auch heute gesetzlich von der Mehrwertsteuerpflicht befreit. Deshalb können sich ihre Wettbewerber, namentlich die Automatenaufsteller und die Online-Casinos, mit Blick auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität auf die Befreiung von der Mehrwertsteuer nach Artikel 135 Buchst. i der MWSt-Richtlinie berufen.

Staatlich konzessionierte Spielbanken sind durch § 6 Abs. 1 der (Reichs-)Verordnung über öffentliche Spielbanken 1938 von der Mehrwertsteuer befreit. Die Norm hat – gutachterlich bestätigt durch den BFH und das Bundesverfassungsgericht – die Qualität von Bundesrecht. Deshalb hat noch nie eine staatlich konzessionierte Spielbank Mehrwertsteuer abgeführt. Als Konsequenz daraus können sich auch Spielhallenbetreiber und Anbieter von online-Casino in Deutschland auf die Befreiung von der Mehrwertsteuer nach der EU-Richtlinie berufen.

Der fünfte Senat beim BFH (in seiner gegenüber 2005 geänderten Besetzung) vermeidet diese Konsequenz, indem er die Revision nicht zulässt. Seine Begründung indes bleibt unvertretbar. Der BFH behauptet, die 1967 in das Umsatzsteuergesetz aufgenommene Befreiung der Spielbanken von der Mehrwertsteuer habe die in § 6 Abs. 1 der – als Bundesrecht fortgeltenden – (Reichs-)Verordnung über Spielbanken „als junges und spezielles Gesetz verdrängt“.

Dabei missachtet der BFH, dass eine „Verdrängung“ eine Kollision voraussetzt. Keine Kollision, keine Verdrängung. So ist es bei der Mehrwertsteuer auf die Umsätze der Spielbanken.

Von 1967 bis 2006 befreiten sowohl das allgemeine Umsatzsteuergesetz als auch das spezielle Recht der Spielbanken in der (Reichs-)Verordnung die staatlich konzessionierten Spielbanken von der Mehrwertsteuer. Beide Normen mit der Qualität von Bundesrecht waren inhaltlich identisch. Daher konnte es denknotwendig nicht zu einer Verdrängung kommen.

Die im Jahre 2006 erfolgte Rücknahme der Befreiung der Spielbanken von der Mehrwertsteuer im Umsatzsteuergesetz führte ebenfalls zu keiner Verdrängung des § 6 Abs. 1 der (Reichs-)Verordnung. Vielmehr verdrängt seitdem die Befreiung von der Mehrwertsteuer als spezielles Recht der Besteuerung der Spielbanken in der (Reichs-)Verordnung die allgemeine Regelung der Mehrwertsteuer in § 1 UStG (“lex specialis derogat legi generali“).

Folglich sind staatlich konzessionierte Spielbanken durch Bundesrecht, welches seinen Ursprung in einer Reichsverordnung von 1938 hat, bis heute von der Mehrwertsteuer befreit. Die Befreiung der Spielbanken von der Mehrwertsteuer wiederum führt i.V.m. dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer zu der Option, dass sich Spielhallenbetreiber und Anbieter von online-Casino auf die Befreiung von der Mehrwertsteuer für Glücksspiele entsprechend der Grundsätze der EuGH-Entscheidung Linneweber und der BFH-Entscheidung vom 12.05.2005 berufen können. Wenn sie die Befreiung von der Mehrwertsteuer gegenüber der Vorsteuerabzugsfähigkeit bevorzugen, sollten Sie diese Option wahrnehmen.

https://www.isa-guide.de/isa-law/articles/153122.html



Geschrieben von gmg am 23.09.2016 um 09:04:

  BFH Pressemitteilung

Nach den Äußerungen des unterlegenen Anwaltes hier noch der Inhalt der PM des BFH:

Umsatzsteuer bei Spielbanken
Veröffentlicht am 22. September 2016
Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 14.7.2016, V B 17/16

Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 7. Januar 2016 3 K 264/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), ob “Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 2006/112/EG in Verbindung mit dem steuerlichen Neutralitätsgrundsatz der Besteuerung der Umsätze von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit entgegen[steht], weil auch die Umsätze der öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbanken bedingt sind, gemäß § 6 der Spielbankenverordnung 1938 von der Umsatzsteuer befreit sind”.
Denn die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage stellt sich nicht. Zwar ist es zutreffend, dass § 6 Abs. 1 der Verordnung über öffentliche Spielbanken 1938 (RGBl I 1938,955 SpielbkV) anordnete, dass der “Spielbankunternehmer … für den Betrieb der Spielbank von den laufenden Steuern des Reichs, die vom Einkommen, vom Vermögen und vom Umsatz erhoben werden, sowie von der Lotteriesteuer und von der Gesellschaftssteuer befreit” ist. Für den Bereich der Umsatzsteuer wurde diese Steuerbefreiung aber bereits durch § 4 Nr. 9 Buchst. a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1967 (UStG 1967) eigenständig geregelt. Da § 4 Nr. 9 Buchst. a Satz 1 UStG 1967 eine Steuerfreiheit für “die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind” anordnete, hat diese Norm die Umsatzsteuerfreiheit nach der SpielbkV als junges und spezielles Gesetz verdrängt (ebenso Huschens, in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 4 Nr. 9 Rz 153, und Klenk in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 9 Anm. 133.2). Die Annahme der Klägerin, § 6 Abs. 1 SpielbkV könne neben § 4 Nr. 9 Buchst. a Satz 1 UStG bestehen geblieben sein, ist bereits mit dem Wortlaut des § 4 Nr. 9 Buchst. a Satz 1 UStG nicht vereinbar. Auf die Überlegungen der Klägerin zum Gewerbesteuerrecht kommt es daher nicht an.
Die somit seit dem UStG 1967 ausschließlich nach den Spezialregelungen des Umsatzsteuerrechts bestehende Steuerfreiheit für Spielbanken entfiel dann aufgrund der Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG durch Art. 2 und 4 des Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 (BGBl I 2006, 1095, BStBl I 2006, 353) mit Wirkung ab dem 6. Mai 2006 (vgl. hierzu auch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. November 2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Quelle: Bundesfinanzhof

Link

Grüße



Geschrieben von barnie am 26.09.2016 um 17:00:

  RE: Keine Mehrwertsteuer bei Spielbanken (und deshalb keine Mehrwertsteuer bei Spielhallen)

Die Aussage,

"wenn sie die Befreiung von der Mehrwertsteuer gegenüber der Vorsteuerabzugsfähigkeit bevorzugen, sollten Sie diese Option wahrnehmen"

halte ich aber angesichts der zuletzt vom BFH und den Finanzgerichten hierzu ergangenen durchweg negativen Entscheidungen, gelinde gesagt, für sehr mutig.

Jeder Anwalt, der ein Mandat mit dieser Thematik übernimmt, sollte seine Mandanten darauf hinweisen, dass die Erfolgsaussichten jedenfalls seit der BFH-Entscheidung vom 14.07.2016 höchstens noch bei 1 zu 100 oder gar noch darunter liegen.

Grüße,
barnie



Geschrieben von Wilde Irene am 27.09.2016 um 17:36:

 

Sicher muss ein Anwalt, der ein Mandat mit dieser Thematik übernimmt, seinen Mandanten darauf hinweisen, dass zwischen den Erfolgsaussichten in rechtlicher Hinsicht und den Erfolgsaussichten in tatsächlicher Hinsicht eine große Lücke klafft. In rechtlicher Hinsicht sind die Erfolgsaussichten extrem hoch. Die Mehrwertsteuerrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, Glücksspiel von der Mehrwertsteuer zu befreien und ist unmittelbar anwendbar. Außerdem muss man lediglich auf der Homepage des Bundesjustizministeriums in § 6 Abs. 1 der Spielbankenverordnung schauen um zu erkennen, dass die staatlich konzessionierten Spielbanken nach wie vor durch ein Bundesgesetz von der Mehrwertsteuer befreit sind. Weil dem so ist, können sich auch Automatenaufsteller auf die Befreiung berufen, dies ist eine Folge des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer und folgt außerdem unmittelbar aus der Linneweber-Entscheidung des EuGH.

Sicherlich sind die Erfolgsaussichten in tatsächlicher Hinsicht schlechter. Finanzbeamte und Richter sind vom Staat selbst bezahlte Menschen und keine Juristen-Maschinen. Die Gerichte machen aber nicht das Recht, sondern haben es nur anzuwenden. Wenden Richter das Recht falsch an, bindet dies weder die Finanzämter noch sie selbst. Am Ende muss jeder selbst entscheiden, ob er entgegen seiner eigenen rechtlichen Überzeugung staatliches Unrecht hinnimmt oder zumindest versucht, seine Rechte wahrzunehmen, auch wenn er mit staatstragenden Fehlentscheidungen der Behörden und Gerichte zu rechnen hat. Irgendwo wird sich bestimmt noch ein gesetzmäßiger und aufrechter "Finanzbeamter" und/oder "Richter", finden lassen - bleibt die Hoffnung!

Fakt ist, dass lediglich die Erträge aus Glücksspielveranstaltungen außerhalb von Spielbanken von der sog. Umsatzsteuer wirtschaftliche belastet wird!



Geschrieben von Lachschlag am 31.12.2019 um 14:46:

  Zum Jahresende noch ein Schmankerl?

http://www.uavd.de/images/stories/ust_glcksspiel_kommentar_21.06.2010.pdf

Dialog?


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