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Geschrieben von Jannes am 27.01.2016 um 15:58:

  Behindertenwerkstatt (anmelden?)

Liebe Freunde aus der Exekutive,

vor allem aus statistischen Gründen ist von höheren Ebenen gewünscht, dass eine Behindertenwerkstatt sich gewerblich anmeldet.
Was genau sind die Fakten hierzu?
1. Die Einrichtung befindet sich in einer besonders geförderten Zone (Zweckverbandsgebiet) und dort werden oft Arbeitsplatzstatistiken abgefragt. Ich kann dies verstehen. Natürlich, beginnt dort ein Arzt oder Architekt seine Tätigkeit, ist er bei mir trotzdem nicht im Register.
2. Die Werkstatt hilft mit ihrem Personal (also den Betreuten) einer naheliegenden Firma bei ihren gewerblichen Aktivitäten (Einpacken von Gütern).
3. Die Stiftung hat als Tochter eine gGmbH. Diese würde formal anmelden, was sie mit anderen Aktivitäten auch schon gemacht hat. Die gGmbH wird sich dagegen auch nicht wehren. Eigentlich würde von ihr sogar oft ein Gewerbeschein verlangt, ein solcher wäre also recht praktisch.

Mal abgesehen davon, dass diejenigen bereit sind anzumelden, wie ist die gesetzliche Lage? Könnte ich die gGmbH notfalls auch zwingen?

Viele Grüße aus Zweibrücken, der Stadt der Rosen und der Rosse!



Geschrieben von Thomas Mischner am 28.01.2016 um 17:17:

 

Hallo,

entscheidend dürfte letztlich sein, ob die Behindertenwerkstatt mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird.

Gewinn ist bekanntlich "jeder unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Vorteil, der zu einem nicht ganz unerheblichen Überschuss über die Selbstkosten hinaus führt und dem Wirtschaftsteilnehmer zufließt" (Friauf, GewO § 1 Rn. 64).

Auf die Verwendung des Gewinnes kommt es nicht an. Eine Gewinnerzielungsabsicht liegt z. B. auch dann vor, wenn eine Institution durch eine wirtschaftliche Tätigkeit die Erzielung von Einnahmen/ Überschüssen ausschließlich zur Finanzierung ihrer religiösen oder ideellen Aufgaben anstrebt (Friauf, § 1 Rn. 82).

§ 12 Abs. 1 Satz 1 der Werkstättenverordnung (WVO) schreibt vor, dass Werkstätten nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen organisiert sein müssen. Das Erzielen von Gewinnen ist demnach zulässig, lediglich in der Gewinnverwendung sind die Werkstätten durch § 12 Abs. 5 WVO eingeschränkt. Zulässig ist aber u. a. die Verwendung für Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen in der Werkstatt, soweit diese nicht anderweitig gedeckt sind. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sprechen daher meines Erachtens nicht grundsätzlich gegen eine Gewinnerzielungsabsicht.
Ob diese - und damit ein Gewerbe - vorliegt, muss aber stets im konkreten Einzelfall geklärt werden.


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