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Geschrieben von Marten am 29.09.2015 um 13:05:

  Betriebliche Gesundheitsförderung: Freiberuf?

Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich komme in einem Fall nicht weiter und hoffe, hier evtl. einen hilfreichen Tipp zu erhalten

Im August wurde eine gewerbliche Tätigkeit (Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung) angezeigt und von mir bestätigt. Nun erreicht mich die Abmeldung mit der Begründung, es handele sich um Freiberuf.

Ich bat die Gewerbetreibende um nähere Erläuterung und bekam folgende Antwort:

"Als Physiotherapeutin und angehende Sportwissenschaftlerin bin ich therapeutisch, pädagogisch und wissenschaftlich tätig und unterliege laut der Sonderreglung für Freie Berufe nicht der Gewerbesteuerpflicht. Ein Beispiel meiner Tätigkeit ist die Beratung am Arbeitsplatz, hierbei wird weder mit einer Ware gehandelt, noch bin ich handwerklich tätig. Es handelt sich bei meiner Tätigkeit um eine beratende und therapeutische Tätigkeit."

Meiner Meinung führt eine beratende Tätigkeit nicht per se zur Freiberuflichkeit (Beratung gibt es in den verschiedensten Bereichen). Vielmehr ist die Art der Beratung ausschlaggebend. Sofern die Beratung eine Dienstleistung höherer Art ist (also ein abgeschlossenes Studium voraussetzt) oder durch andere Rechtsnormen geregelt wurde (z. B. Steuerberatung), erkenne ich den Freiberuf an. Im vorliegenden Fall bin ich mir nicht sicher.

Die erwähnte "Sonderregelung für Freie Berufe" kann ich leider nicht zuordnen, gehe aber davon aus, dass es sich um einen steuerliche Regelung handelt? Die Dame erwähnt dies im Zusammenhang mit Gewerbesteuerpflicht, was ja auch nicht zwangsläufig mit der Anmeldepflicht korrespondiert.

Die Freiberuflichkeit könnte ich noch am ehesten aufgrund eines Heilberufs erkennen, die Frage ist nur, ob es sich bei der hier vorliegenden Tätigkeit um einen solchen handelt. Soll ich die Tatsache, dass die Dame Physiotherapeutin ist, als ausreichendes Merkmal der Freiberuflichkeit werten?

Ich wäre sehr an Ihrer / Eurer Meinung interessiert. Gibt es Aspekte, die ich übersehen habe? Vielen Dank im Voraus und viele Grüße!

Danke



Geschrieben von HBinder am 01.10.2015 um 07:58:

  RE: Betriebliche Gesundheitsförderung: Freiberuf?

Hallo,

also ich würde zu § 6 GewO tendieren und die Tätigkeit als Heilhilfsberuf werten, der ja auch darunter fällt. Auch eine gesundheitliche Beratung, die diejenige als ein Beispiel angegeben hat, gehört meines Erachtens üblicherweise zum Tätigkeitsfeld eines Therapeuten dazu. Außerdem hat sie ja eine einschlägige Ausbildung.

Gruß
HBinder



Geschrieben von Marten am 01.10.2015 um 08:02:

 

Guten Morgen! Vielen Dank für diese Einschätzung. Ich bin geneigt, ebenso zu entscheiden. Mich hat nur die Argumentation der Dame irritiert, dass allein der Umstand, sie verkaufe keine Waren etc., zum Freiberuf führen würde. Ich werde ihre Qualifikation berücksichtigen und den § 6 GewO als Grundlage für die Freiberuflichkeit heranziehen.

Eine sonnige Restwoche! Danke



Geschrieben von Thomas Mischner am 01.10.2015 um 08:48:

 

Hallo,

ob es sich hier um einen freien Beruf handelt, lässt sich auf Anhieb schwer sagen.
Ein solcher liegt im Gewerberecht bekanntlich vor, wenn die betreffende Tätigkeit einen höheren Bildungsabschluss objektiv erfordert (von künstlerischer Betätigung einmal abgesehen).
Ob die betreffende Person tatsächlich über einen solchen Abschluss verfügt, kann wohl als Indiz gewertet werden, ist aber letztlich nicht entscheidend. So kann einerseits ein Hochschulabsolvent einer gewerblichen Tätigkeit nachgehen, für die sein im Studium erworbenes Fachwissen nicht Voraussetzung ist. Andererseits kann sich jemand wohl im Einzelfall auch ohne entsprechenden Bildungsabschluss über Wissen verfügen, das im Regelfall nur in einem abgeschlossenen Hochschulstudium vermittelt wird.
Bei einer „angehenden Sportwissenschaftlerin“ könnte letzteres nicht ganz ausgeschlossen sein.
Es kommt aber letztlich auf den Inhalt der Tätigkeit an, der daraufhin geprüft werden muss, ob er Kenntnisse auf Hochschulniveau erfordert.

Der Beruf des Physiotherapeuten wird hingegen nicht an Hochschulen gelehrt, so dass es sich hierbei nicht um einen freien Beruf handelt. Als Gesundheitsfachberuf unterliegt er jedoch § 6 GewO, so dass die Gewerbeordnung nicht anzuwenden wäre, wenn die Dame eine Tätigkeit ausübt, die dem Berufsbild des Physiotherapeuten entspricht. Inwieweit auch z. B. Beratungen am Arbeitsplatz der üblichen Tätigkeit von Physiotherapeuten entsprechen, kann ich nicht sagen; die nach Landesrecht für die Berufszulassung im Bereich der Gesundheitsfachberufe zuständige Stelle kann hier möglicherweise behilflich sein.



Geschrieben von Marten am 01.10.2015 um 09:16:

 

Hallo Herr Mischner,

auch Ihnen vielen Dank für die hilfreiche und ausführliche Antwort. Sie haben natürlich recht, ich habe mein Fazit in der vorigen Mail zu einfach formuliert.

Die Frage ist, ob die Tätigkeit höherwertig ist (Freiberuf), oder ob die angegebenen Dienstleistungen dem Gesundheitsfachberuf entsprechen und somit § 6 GewO greift.

Ich werde die Dame hierzu am besten nochmal genauer befragen und mich ferner an das zuständige Landesamt wenden.

Danke


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