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--- KFZ-Sachverständiger - Gewerbe oder freier Beruf? (https://www.forum-gewerberecht.de/thread.php?threadid=12584)


Geschrieben von Simone R. am 27.08.2014 um 14:03:

Fragezeichen KFZ-Sachverständiger - Gewerbe oder freier Beruf?

Halli hallo,

ich bin momentan dabei zu prüfen, ob ein KFZ-Sachverständigenbüro einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit entspricht. Die Person selbst und deren Steuerberater sind der Meinung, dass kein Tatbestandsmerkmal für ein Gewerbe vorliegt, da ein Ingenieurbüro betrieben wird und selbstständige Einkünfte nach dem EStG erzielt werden.

Laut meiner Kommentierung (Friauf) wird als freiberuflich grundsätzlich nur diejenige Sachverständigentätigkeit anerkannt, die (überwiegend) Unfallursachenforschung zum Gegenstand hat. Die dafür u.a. erforderliche Rekonstruktion von Bewegungsabläufen setzt umfangreiche mathematisch-physikalische Kenntnisse (höhere Bildung) voraus. Als gewerblich zu beurteilen ist hingegen eine im Wesentlichen auf die KFZ(schadens)beurteilung konzentrierte Tätigkeit.

Ich bin momentan wirklich nicht sicher, wie das Ganze nun zu beurteilen ist Kopfkratz

Für eine gewerbliche Tätigkeit spricht:

-laut Rechtsinformation des Landkreises Weilheim-Schongau (Tettinger-Wank, § 36 Rd.-Nr. 6) ist die Tätigkeit des KFZ-Sachverständigers anzeigepflichtig
-es bestand vor vielen Jahren schon einmal eine Gewerbeanmeldung auf seinen Namen mit derselben Tätigkeit
-es ist naheliegend, dass auch Tätigkeiten ausgeübt werden, die nicht ausschließlich der Ingenieur-Tätigkeit bzw. Unfallursachenforschung- und rekonstruktion zuzuordnen sind: Begutachtung und Bewertung von beschädigten Fahrzeugen, Untersuchung beschädigter Teile, Kostenschätzung Reparatur usw.

Für eine freiberufliche Tätigkeit spricht:

-laut IHK Hochrhein-Bodensee handelt es sich bei KFZ-Sachverständigen um Freiberufler, da die Gutachtentätigkeit -wie auch in der Kommentierung aufgeführt- mathematisch-technische Kenntnisse voraussetzt, wie sie üblicherweise nur durch eine Berufsausbildung als Ingenieur erlangt werden
-laut „GDV – Die deutschen Versicherer“ arbeiten rund 10.000 Freiberufler in Deutschland in dieser Branche
-auch bei der GTÜ sind Sachverständiger freiberuflich tätig, das Sachverständigenbüro, um das es geht, ist ebenfalls Prüfstelle der GTÜ

Was meint ihr?? verwirrt
Danke für eure Antworten



Geschrieben von Stadtverwaltung Frankenthal am 27.08.2014 um 14:18:

  KFZ-Sachverständiger

also bei uns sind die Kfz-Sachverständigen aufgrund ihrer höherwertigen Ausbildung nicht gewerberechtlich angemeldet...
wir würden Sie nur anmelden, wenn sie noch eine zusätzliche Tätigkeit ausüben würden, die durch das Studium nicht abgedeckt ist...



Geschrieben von Thomas Mischner am 27.08.2014 um 14:25:

 

Hallo,

Die Kommentierung von Friauf ist m. E. völlig zutreffend. Danach übt ein Sachverständiger für Kfz- Schäden ein anzeigepflichtiges Gewerbe aus.

So sieht es auch das VG Berlin:
„…Für den Kfz-Sachverständigen besteht nach wie vor kein geschütztes Berufsbild .... Dies hat zur Folge, dass die Führung der Bezeichnung „Kfz-Sachverständiger“ nicht voraussetzt, dass zuvor Fachwissen und Unabhängigkeit nachgewiesen werden müssen ....
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass von Personen, die die Bezeichnung „Kfz-Sachverständiger“ führen, allgemein ein Hochschul- oder Fachhochschulabschluss erwartet wird. Zwar darf man mit dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 6. Februar 1997 – I ZR 234.94 -, Rn. 18, juris) annehmen, dass nicht unerhebliche Teile des Verkehrs erwarten, dass derjenige, der als Sachverständiger auftritt, sich die erforderliche Sachkunde nicht autodidaktisch angeeignet, sondern auf nachprüfbare Weise erworben hat, nämlich durch eine mit einer Prüfung abgeschlossene Berufsausbildung, wobei, soweit es um den Sachverständigen für Kfz-Schäden geht, ein Abschluss erwartet wird, der zur verantwortlichen Leitung einer Kfz-Reparaturwerkstatt befähigt, also in der Regel die Meisterprüfung oder ein vergleichbarer Abschluss, wie insbesondere die Prüfung als Diplom-Ingenieur. Von demjenigen, der als Sachverständiger für Kfz-Bewertung auftritt, wird danach erwartet, dass er zumindest über berufliche Erfahrung im Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen verfüge. Ein Erfordernis höherer Bildung für die Erstellung von Schadensgutachten usw. lässt sich dem indes nicht entnehmen, weil insbesondere erkennbar ist, dass eine Meisterprüfung ausreicht. …“ (VG Berlin, Urt. v. 13.09.2013, Az.: 4 K 48.12).“



Geschrieben von Steffen Balzer am 28.08.2014 um 09:54:

 

Hallo,

Landmann / Rohmer § 14 Rdn. 26 sieht die Sache genauso wie die Kommentierung von Friauf.

Danach sind Kraftfahrzeugschadensbegutachtung und Kraftfahrzeugbewertung Gewerbe, da sie keine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung voraussetzen.

Unfallursachensachverständiger ist hingegen als freiberufliche Tätigkeit einzustufen.

Bei einer Mischtätigkeit komme es darauf an, welche der Komponenten der Erwerbstätigkeit das Gepräge gebe.

LG
Steffen Balzer



Geschrieben von Stadtverwaltung Frankenthal am 28.08.2014 um 09:57:

  KFZ-Sachverständiger

huch, da waren wir wohl bisher auf dem Holzweg!?!



Geschrieben von Steffen Balzer am 28.08.2014 um 10:18:

 

Entschuldige Simone, ich habe erst geantwortet und mir dann deine Frage komplett durch gelesen.

Um deine Entscheidung zu vereinfachen möchte ich mal den kompletten Absatz d. Landmann/Rohmer zitieren.

Unter höherer Bildung ist grundsätzlich ein abgeschlossenes Hochschulstudium oder Fachhochschulstudium zu verstehen. Geklärt wurde dies in zwei Rechtszügen vom VGH Bad.-Württ. und dem BVerwG in Bezug auf einen Kraftfahrzeugsachverständigen, der die Meisterprüfung im Kraftfahrzeugmechanikerhandwerk abgelegt hatte und nach öffentlicher Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger gem. § 36 Kraftfahrzeugschäden, den Wert von Kraftfahrzeugen und, in geringerem Umfang, auch Unfallursachen zu bewerten hatte. Die ursprüngliche Auffassung des VGH Bad.-Württ. wonach auch außerhalb einer akademischen Ausbildung erworbene Kenntnisse ausreichend seien, wurde dann in dem vorstehenden Sinne im zweiten Rechtszug berichtigt. (1. Berufugsurt. des VGH Bad.-Württ. v. 7.2.1968, GewA 1968, 228; Revisionsurt. des BVerwG v. 15.1.1970, GewA, 125; 2. Berufsurt. des VGH Bad.-Württ. v. 26.1.1972, GewA 1972,271; Beschl. des BVerwG v.30.5.1972, GewA 1973, 16).
Von Interesse für die drei genannten Bereiche sind die Ausführungen des VGH Bad.-Württ. im zweiten Berufungsurteil, wonach die Kraftfahrzeugschadensbegutachtung und die Kraftfahrzeugbewertung keine Hochschul- oder Fachhochschulbildung voraussetze, sei daher Gewerbe. Diese Vorbildung benötige jedoch ein Unfallursachensachverständiger, der Bewegungsabläufe rekonstruieren können müsse, wozu er nur auf Grund der mathematisch-physikalischer Kenntnisse in der Lage sei; dies sei eine freiberufliche Tätigkeit.

Bei einer Mischtätigkeit...

Die o.e. Anforderungen an die höhere Bildung wurden vom BVerwG im Urteil v. 1.7.1987 (GewA 1987, 331) und Beschl. v. 16.2.1995 (GewA 1995,152) bestätigt, vlt. im Übrigen auch § 36 Rdn. 16.

Ich hoffe das hilft soweit weiter.



Geschrieben von Simone R. am 09.10.2014 um 15:39:

 

Vielen lieben Dank für eure ausführlichen Antworten [OBERLEHRER]

Wir sind mittlerweile zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich im vorliegenden Fall doch um eine freiberufliche Tätigkeit handelt, da die Anzeigenden Ingenieure sind und die Unfallursachenrekonstruktion den Schwerpunkt der Tätigkeit bildet.

Liebe Grüße



Geschrieben von Doc am 27.10.2022 um 16:10:

 

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