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Geschrieben von portawestfalica am 26.10.2006 um 17:14:

  Freiberufler mit gewerblicher Tätigkeit

Hallo Zusammen,

ich habe hier den Fall, dass eine künstlerisch tätige Fotografin neben dieser freiberuflichen Tätigkeit ein Fotostudio für Akt und Portraitaufnahmen unterhält. Nach eigener Angabe zur finanziellen Unterstützung Ihrer künstlerischen Arbeit. Meiner Ansicht nach ist dieses von Ihr Fotostudio ein Gewerbe und somit anzeigepflichtig.

Hier meine Frage:verwirrt

In wieweit kann ein Freibrufler gewerblich tätig sein ohne unter die Anzeigepflicht nach § 14 GewO zu fallen?


Viele Grüße
aus Porta Westfalica



Geschrieben von Bresgen am 26.10.2006 um 17:23:

  RE: Freiberufler mit gewerblicher Tätigkeit

Zitat:
Original von portawestfalica
In wieweit kann ein Freibrufler gewerblich tätig sein ohne unter die Anzeigepflicht nach § 14 GewO zu fallen?


Hallo aus Euskirchen,

es kommt darauf an, ob die ausgeübte Tätigkeit eine gewerberechtlich meldepflichtige Tätigkeit ist, egal ob der, der sie ausübt, in seinem anderen Leben freiberuflich tätig ist.

Beispiel: Die Ausübung der Tätigkeit als Rechtsanwalt ist gewerberechtlich nicht meldepflichtig sondern zählt als freiberufliche Tätigkeit.
Wenn der gleiche Rechtsanwalt nebenbei einen Obst- und Gemüseladen eröffnet, ist diese Tätigkeit sehr wohl meldepflichtig.



Geschrieben von Jörg Wiesemeier am 26.10.2006 um 22:09:

  RE: Freiberufler mit gewerblicher Tätigkeit

Hej aus Hamm,

da kann ich der Kollegin Bresgen nur voll zustimmen (siehe Truthahnrezept)!

Zu betrachten ist die Tätigkeit und nicht die Person, die sie ausübt.

So ist eine Steuerberatungs-GmbH auch nicht meldepflichtig nach § 14 GewO, weil Sie einen freien Beruf ausübt.



Geschrieben von Menschel am 27.10.2006 um 08:13:

 

@Jörg Wiesemeier
Danke Danke Danke , Danke Danke Danke

ENDLICH!!!

Bisher habe ich mir IMMER und ÜBERALL eine blutige Nase mit meiner Rechtsauffassung geholt, dass eine freiberufliche Tätigkeit nicht qua Gesellschaftsform plötzlich zum Gewerbe mutiert. Ich habe immer gesagt, eine Rechtsanwalts-GmbH bleibt freiberuflich. Immer hieß es: NÖ!

Ich geh' also mit stolz geschwellter Brust und gestärktem Rücken in dieses schöne lange Wochenende (Brückentag am Montag, Reformationstag am Dienstag)!



Geschrieben von Antonia Thien am 27.10.2006 um 08:32:

  RE: Freiberufler mit gewerblicher Tätigkeit

Moin,

grundsätzlich wird die Tätigkeit des Portraitfotografen als Gewerbe eingestuft (vgl. Landmann/Rohmer zu § 14 GewO, Rdnr. 25 a).

Allerdings sind die Grenzen zwischen Kunst und Gewerbe fließend, so dass es immer auf den Einzelfall ankommt. Portrait- und Aktaufnahmen können sehr wohl Kunst sein, wenn sie eine individuelle Anschauungsweise und eine künstlerische Gestaltungskraft widerspiegeln.

Also, gundsätzlich immer alles hinterfragen.
In diesem Fall scheint es sich aber wohl um ein anmeldepflichtiges Gewerbe zu handeln, weil die Fotografin es nach eigener Aussage zur Finanzierung ihrer Kunst betreibt. Damit stellt sie selbst klar, dass das Studio keine künstlerische Unternehmung ist.

Viele Grüße
A. Thien

P.S. @Menschel: Wer hat Ihnen denn den Unsinn erzählt, dass eine Steuerungsberatungs- oder Rechtsanwalts-GmbH plötzlich zu Gewerbetreibenden werden?



Geschrieben von portawestfalica am 27.10.2006 um 09:10:

  Freiberufler mit gewerblicher Tätigkeit

Guten Morgen,

ich bin begeistert über die vielen konstruktiven Beiträge zu meinem Thema und das schon nach so kurzer Zeit. Vielen Dank an die eifrigen KollegInnen!Danke

Um die Sache noch mal etwas zu konkretisieren:

Die Studioaufnahmen werden nach Auftrag und Wünschen des Kunden erstellt. Dies schränkt meiner Ansicht nach die künstlerische Tätig enorm ein, da nicht das freie Schaffen der tätigen Person sondern die Anforderung des Kunden im Vordergrund steht.

Also übt die Dame einerseits eine freiberufliche Tätigkeit aus, nämlich die Kunstfotografie und andererseits eine gewerbliche Tätigkeit- die Anfertigung von Akt und Portraitfotos nach Vorgabe der Kunden.

Ich weiß aber nicht, in welchem Verhältnis die Tätigkeiten stehen.

Um zu meiner ursprünglichen Frage zurückzukommen:verwirrt

Wie würde es aussehen, wenn sie z.B. 90% freibruflich tätig und 10% gewerblich tätig wäre?

Ist in diesem Fall das Gewerbe anzuzeigen, oder kann sie es sozusagen als geringfügige Tätigkeit neben der freiberuflichen Tätigkeit ausüben ohne unter die Anzeigepflicht zu fallen?

Ich meine, im Bereich Handel/ Handwerk von ählichen Fällen gehört zu haben, wo z.B. der Fliesenhändler geringfügige handwerkliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Fliesenhandel ausüben darf, ohne unter die Zugehörigkeitspflicht der HWK zu fallen.

Viele Grüße aus dem sonnigen Porta Westfalcia



Geschrieben von Bresgen am 27.10.2006 um 09:16:

  RE: Freiberufler mit gewerblicher Tätigkeit

Guten Morgen aus Euskirchen,

@portawestfalica
Es kommt lediglich darauf an, ob es sich um eine gewerbliche Tätigkeit handelt (Gewinnerzielungsabsicht etc., was hier ja gegeben ist) und nicht auf den Umfang der Tätigkeit.
Wenn die Dame es nur zu 10 % ausübt, kann sie es ja als Nebengewerbe anmelden.

Ihr Beispiel mit dem Fliesenhandel und der dazugehörigen geringen Tätigkeit im Fliesenlegerhandwerk besagt lediglich, dass die Eintragung in die Handwerksrolle nicht nötig wäre, als gewerbliche Tätigkeit anmelden müsste der Gewerbetreibende das trotzdem.

Schöne Grüße aus Euskirchen



Geschrieben von Antonia Thien am 27.10.2006 um 10:24:

  RE: Freiberufler mit gewerblicher Tätigkeit

Hi,

ich stimme Frau Bresgen zu. Hier liegt nach der Gesamtbildtheorie sicherlich kein Bagatellfall vor, denn die Dame möchte doch möglichst viele Gewinne erzielen, um ihre Kunst zu finanzieren.

Also, wenn man zu dem Schluss kommt, dass es sich um Gewerbe handelt und dazu komme ich in diesem Fall, muss es nach § 14 GewO angemeldet werden, auch wenn dieses Gewerbe angeblich nur 10 % der gesamten Tätigkeit ausmacht.

Viele Grüße
A. Thien



Geschrieben von portawestfalica am 27.10.2006 um 10:52:

  RE: Freiberufler mit gewerblicher Tätigkeit

Hallo Frau Thien,

ich wollte mit meinen Fragen nur sicherstellen, dass es nicht irgendwo einen Kommentar, Urteil, etc. gibt, wo eine "Bagatellregelung" geringfügige Gewerbeausübung anzeigenfrei erlaubt. Hatte schon gehofft, dass sowas nicht existiert, wollte mir aber noch die kollegiale Bestätigung des Forums einholen (was mir auch gelungen ist), bevor ich weitere Maßnahmen ergreife.

Es ist schließlich immer sehr unangenehm, wenn ein schlauer Steuerberater einen vorführt und sagt "schauen Sie doch mal da und dort... nach, da ist der Fall rechtlich ganz klar geregelt."

Viele Grüße aus Porta Westfalica!



Geschrieben von portawestfalica am 27.10.2006 um 10:52:

  RE: Freiberufler mit gewerblicher Tätigkeit

Hallo Frau Thien,

ich wollte mit meinen Fragen nur sicherstellen, dass es nicht irgendwo einen Kommentar, Urteil, etc. gibt, wo eine "Bagatellregelung" geringfügige Gewerbeausübung anzeigenfrei erlaubt. Hatte schon gehofft, dass sowas nicht existiert, wollte mir aber noch die kollegiale Bestätigung des Forums einholen (was mir auch gelungen ist), bevor ich weitere Maßnahmen ergreife.

Es ist schließlich immer sehr unangenehm, wenn ein schlauer Steuerberater einen vorführt und sagt "schauen Sie doch mal da und dort... nach, da ist der Fall rechtlich ganz klar geregelt."

Viele Grüße aus Porta Westfalica!



Geschrieben von Antonia Thien am 27.10.2006 um 11:00:

  RE: Freiberufler mit gewerblicher Tätigkeit

Hi,

es gibt diese sog. Bagatellfälle auch (vgl. Landmann/Rohmer, Einl 48 ff.), doch ein solcher liegt hier m.E. nicht vor, weil die Tätigkeit der Fotografin unmittelbar auf Erwerb i.S. eines wirtschaftlichen Vorteils gerichtet ist.

Viele Grüße
A. Thien



Geschrieben von Bresgen am 27.10.2006 um 11:10:

  RE: Freiberufler mit gewerblicher Tätigkeit

@Frau Thien
Das sehe ich genauso.

Außerdem muß man die Tätigkeit als solche losgelöst von der anderen Tätigkeit sehen.
10 % in Relation zur anderen Tätigkeit können ja riesige Unterschiede ausmachen.
Wenn die Dame in ihrer freiberuflichen Tätigkeit nur 10 Aufträge erhält, wäre es nur 1 Auftrag fürs Fotostudio.
Wenn sie aber 100 Aufträge erhält, wären es bereits 10 im Fotostudio.usw.

Das geringere Ausmaß wird ja durch das Kreuzchen bei Nebenerwerb bereits dargestellt.
Da sie die Tätigkeit aber definitiv zur Finanzierung ihrer Kunst ausüben will, liegt die gewerbliche Tätigkeit auf jeden Fall vor.
Es liegt in ihrer Absicht, Gewinn zu erzielen und nur darauf kommt es an.

@portawestfalica
Keine Bange wegen der Steuerberater. Die rufen hier auch oft genug an und zitieren irgendwelche Regelungen. Wenn sie dann die Fundstelle benennen sollen, kommt immer raus, dass es sich um steuerrechtliche Regelungen handelt und nicht um gewerberechtliche.
Wenn sie also einen Steuerberater erwischen sollten, der sich im Gewerberecht auskennt - Hut ab, das wäre mal was Neues.
Genausowenig kenne ich mich im Steuerrecht aus, brauche ich für meine Tätigkeit ja auch nicht.

Also keine Bange, zur Anmeldung auffordern und den Fall durchziehen.

Freundliche Grüße aus Euskirchen



Geschrieben von portawestfalica am 27.10.2006 um 11:29:

 

@bresgen
Meine bisherigen Erfahrungen mit Steuerberatern decken sich 100%ig mit Ihren, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass irgendwann der "Auserwählte" erscheinen wird!

Aufforderung zur Anmeldung ist bereits erfolgt, darauf habe ich ja ein nettes und "aufklärendes" "Schreiben bekommen. Nun werde ich nochmal versuchen, die Dame zur Gewerbeanzeige zu überreden.



Geschrieben von Civil Servant am 21.10.2009 um 16:16:

 

Das Thema ist alt, ich habe aber eben etwas Zeit investiert und Fachliteratur bemüht, so dass ich glaube, dass es sich doch lohnt eine Anfrage eines Kollegen einer kreisangehörigen Gemeinde mit meiner Antwort hier noch einmal zu posten.

Aber jetzt zur Sache:

Die Anfrage

Sehr geehrter Herr Schuster,

an die Gemeinde X wurde folgende Anfrage gestellt:

Tätigkeit: mobile, Kinder und Familienfotographie, Familienfotos mit anschließender künstlerischer Bearbeitung. Es wird kein Fotostudio betrieben!

Ist die o.g. Tätigkeit ein Freiberuf oder nicht?
Angebliche soll es sich um freiberufliche künsterlische Tätigkeiten handeln.

Über eine kurze Rückmeldung über Ihre Sicht der Dinge würde mich sehr freuen!

Mit freundlichen Grüßen


Die Antwort

Hallo Herr Y,

da müsste schon genau beschrieben werden, worin die künstlerische Bearbeitung liegt.

In einem obergerichtlichen Urteil des OLG München, wird festgestellt, dass "Kinder-, Prorträt- oder Hochzeitsfotos sowie Gruppenaufnahmen und Werbefotos wohl zu den ureigensten Tätigkeiten eines Fotografen gehören", der seinerzeit sogar noch ein Handwerk der Anlage A der HWO und damit klassisches Gewerbe war. Das OLG geht sogar so weit zu sagen, dass "der Umstand, dass bei der Durchführung dieser Tätigkeit auch künsterlische Elemente und Fertigkeiten notwendig sind, dem handwerklichen [und damit gewerblichen] Charakter nicht entgegensteht."

Das Nichtvorhandensein eines Studios scheint hier irrelavant zu sein. Im Gegenteil: Wenn überhaupt, so könnte dieser Umstand eher gegen Kunst als dafür sprechen.

"Ob eine Tätigkeit auf künsterlischem oder handwerklichem Gebiet liegt, hängt davon ab, ob sie im wesentlichen eine erlernbare Arbeit darstellt oder als eigenschöpferisches gestaltendes Schaffen anzusehen ist ohne erlernbare Voraussetzungen."

Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass die Auftraggeber von Porträt-Aufnahmen eine relativ klare Vorstellung von dem Produkt haben, dass sie in Auftrag geben. Auch dies spricht dafür, dass künsterlische Elemente, soweit überhaupt vorhanden, in den Hintergund treten.

Es spricht derzeit vieles dafür, dass ein Gewerbe vorliegt.

Dem entspricht auch eine Informationsschrift des Instituts für freie Berüfe Nürnberg, wonach "die Fotografie grundsätzlich handwerklich einzustufen ist und nur in Ausnahmefällen als Kunst."

Die betroffene Person müsste glaubhaft darlegen, was ihre Tätigkeit in der überwiegenden Zahl von Fällen von den obigen Schilderungen unterscheidet. Klassische Hochzeitsfotos z.B. dürfte diese Person schon nicht anfertigen, weil sie dem oben geschilderten und damit gewerblichen Muster entsprechen.

...

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Frank Schuster



Geschrieben von almase00 am 27.02.2015 um 13:53:

 

Also bei der Frage, ob Freiberuf oder Gewerbe, würde ich mir wirklich Hilfe von Außen holen, um die eigene Lage komplett einzuschätzen. Oft kann die freiberufliche Tätigkeit schon an scheinbar Kleinigkeiten negiert werden. Augen rollen
An diesem Thema scheiden sich leider oft genug die Geister und Gerichte... Augenzwinkern


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