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Geschrieben von Borussenfan am 21.01.2014 um 13:42:

  Erzwingungshaft

Hallo zusammen,

wollte mal Nachfragen, wie die Erfahrungen der User in Sachen Anträge auf Erzwingungshaft bei Nichtzahlung eines Bußgeldes sind. Die Kommentierung zu § 96 OWiG dreht sich m.E. ein wenig im Kreis. Einerseits sind keine Beitreibungsversuche notwendig. Andererseits mit Blick auf die Verhältmäßigkeit schon (was mir grds. einleuchtet). An anderer Stelle können Beitreibung und Antrag parallel laufen. Unbefriedigend finde ich, dass bis zur Beitreibung ein Menge Zeit ins Land geht und wir dann von unserem Gegenüber nicht mehr ernst genommen werden.

Danke für viele Antworten Danke



Geschrieben von Roland Kissau am 21.01.2014 um 14:35:

  RE: Erzwingungshaft

Moin aus Hückeswagen!

Kurz gesagt: Hier ist viel Geduld gefragt, aber ärgern bringt nix; ich bringe meine Sachen so schnell wie möglich auf den Weg, und damit bin ich raus!

Bis wir von unseren Vollziehungsbeamten die Mitteilung über die Uneinbringlichkeit erhalten, aufgrund derer wir ja erst tätig werden können, dauert in der Regel ein halbes bis ein ganzes Jahr.
Dann geht von mir zeitnah der Antrag auf E-Haft ans Amtsgericht, die dem Schuldner auch noch eine Zahlungsfrist einräumen und nach einigen Wochen (manchmal sind's auch Monate) den E-Haft-Beschluss erlassen.
Früher, als ich noch an das Gute im Menschen geglaubt habe, hat der Schuldner von mir auch noch vor Abgabe ans Amzsgericht die Möglichkeit zur Zahlung bekommen. Das mache ich aber schon länger nicht mehr.
Das Gericht schickt die Unterlagen dann zur Vollstreckung an die Staatsanwaltschaft, und bis die dann mal einen Haftbefehl erlassen hat und dieser dann von der Polizei vollstreckt wird, gehen auch mehrere Monate ins Land.
In den allermeisten Fällen zahlt der Schuldner dann den Betrag der Geldbuße an den Polizisten, der an seiner Tür steht, um den Haftbefehl zu vollstrecken, und wir können dann die ganzen Nebenforderungen niederschlagenwut schimpf Heul Wand !
Und dafür der ganze Aufwand!

Ich wünsche trotzdem eine schöne Restwoche,
Roland Kissau



Geschrieben von Ingo Hupens am 21.01.2014 um 15:44:

 

Moin!
Zusätzlich zu meiner Tätigkeit im Ordnungsamt bin ich auch als Vollstreckungsbeamter im Einsatz.
Die Möglichkeit der Erzwingungshaft sorgt dafür, dass Bußgelder doch relativ gut beigetrieben werden können. Zumindest besser als andere Forderungen. Auf den Nebenkosten bleibt man bie der E-Haft natürlich oft sitzen. Und gut Ding will Weile haben... Mit den Anträgen auf E-Haft arbeiten wir normalerweise erst, wenn andere Vollstreckungsmöglichkeiten bereits augeschöpft wurden.
Bzgl. der Voraussetzungen, die das Amtsgericht fordert, sind meine Erfahrungen, dass es je nach Amtsgericht sehr unterschiedlich sein kann. Zum Teil werden mehrere Beitreibungsversuche gefordert, zum Teil nicht. Ich habe auch schon von Vollstreckerkollegen gehört, dass bei Bußgeldern überhaupt keine Vollstreckungsversuche unternommen werden und sofort nach erfolgloser Mahnung der E-Haft-Antrag gestellt wird. Sollte aber beim Amtsgericht zu erfragen sein, wie die es gern hätten.

MfG - Ingo



Geschrieben von C.Stapler am 22.01.2014 um 09:08:

Daumen hoch!

Hallo Kollegen,

ich kann die Erzwingungshaft auch nur empfehlen.

Wie schon gesagt, es dauert zwar seine Zeit, aber bisher immer erfolgreich.

Daher kann ich es nur jedem raten, bei erfolgloser Vollstreckung die Erzwingungshaft beim AG zu beantragen.

Viele Grüße aus dem Vogelsberg.



Geschrieben von master_phk am 23.01.2014 um 08:59:

 

Uns kam vor kurzem ebenfalls der Gedanke, dass die Möglichkeit der Erzwingungshaft der Betreibung sicherlich dienlich sein kann.

Leider musste unsere Verwaltung seitens des Amtsgerichtes die Erfahrung machen, dass Anträge auf Erzwingungshaft abgelehnt wurden, solange der abschließende Vollstreckerbericht noch nicht vorliegt. Wand

Also warten wir fleißig auf die entsprechenden Vollstreckerberichte (die sich teilweise Jahre hinziehen können), um anschließend den Antrag zu stellen.

Nach Androhung der Haft wird oftmals recht zügig gezahlt. geschockt

Es wäre also auf ein Umdenken der Gerichte zu hoffen. Kopfkratz



Geschrieben von C.Stapler am 23.01.2014 um 09:57:

 

Schönen guten Morgen,

ich würde das nicht auf die AG beziehen. Die haben Recht.

Da solltest Du mal eure Vollstrecker in A..... treten. Wenn das bei uns so lange dauert, mache ich ihnen druck. Der BG-Bescheid verliert ja sonst seine eigentliche Wirkung.

Viele grüße aus dem Vogelsberg



Geschrieben von master_phk am 23.01.2014 um 10:27:

 

Unsere eigene Vollstreckung ist meistens nicht das Problem Mit denen kann man ja reden.

Aber leider hat sich in vielen Gemeinden personalbedingt das Verhalten eingeschlichen, dass "fremde" Forderungen nachrangig behandelt werden, sodass die Betreibung hier sehr verlangsamt wird.



Geschrieben von Tommy123 am 14.11.2014 um 08:07:

 

Wir haben uns hier die Frage der Zuständigkeit gestellt. Gemäß § 96 OWiG erfolgt der Antrag auf E-haft beim AG durch die Vollstreckungsbehörde.

Bisher haben uns unsere Vollstrecker nach erfolglosen Beitreibungsversuchen von Bußgeldern eine "Empfehlung" zum Antrag auf E-Haft geschickt, sodass dieser dann durch den Sachbearbeiter der Ordnungsbehörde gestellt wurde.

Ist das nicht generell die Aufgabe der Vollstreckungsbehörde??? Wenn mein Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden ist, bin ich doch "raus"!?



Geschrieben von Ingo Hupens am 14.11.2014 um 08:47:

 

Ich denke mal, dass es hauptsächlich darauf ankommt, wie die Zuständigkeiten verwaltungsintern geregelt sind.

Lt. Gesetzestext ist es die Vollstreckungsbehörde, die den Antrag stellt. Im "Handbuch des Bußgeldverfahrens" von Wieser ist u.a. ein Musterantrag abgedruckt, wo auch eine Stadtkasse als Vollstreckungsbehörde den Antrag stellt.

Bei uns wird der Antrag auch mit Schreiben der Gemeindekasse als Vollstreckungsbehörde gestellt.

Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass auch das Ordnungsamt solche Anträge stellen kann/darf.

MfG - Ingo



Geschrieben von C.Stapler am 14.11.2014 um 08:55:

 

Schönen guten Morgen Tommy.

Das Ihr von euern "Vollstreckern" die Empfehlung zum Antrag auf E-Haft erhalten habt, ist so schon richtig. Sie sind "nur" für die Beitreibung des Bußgeldes zuständig (Vollzugsbehörde gem. VwVG).

Für die Vollstreckung des Bußgeldbescheides, hier Antrag auf Erzwingungshaft, ist die VB zuständig, die den Bußgeldbescheid erlassen hat. § 90 i.V.m. § 92 OwiG.

Somit bist du nur dann raus, wenn das Geld bei Euch eingegangen ist.

Grüße aus dem Vogelsberg



Geschrieben von master_phk am 14.11.2014 um 09:49:

 

Behörde ist hier ja der/die Bürgermeister/in der jeweiligen Gemeinde oder Stadt, egal ob er/sie nun Vollzugsbehörde, Vollstreckungsbehörde, Ordnungsbehörde oder sonst wie heißt.

Letztendlich arbeiten wir ja alle in seinem/ihrem Namen, sodass ich mich der Aussage von Ingo Hupens anschließe.

Es kommt auf die verwaltungsinterne Struktur und Aufgabenverteilung an, die jede Behörde für sich selbst regelt. Formulier



Geschrieben von Stadt Kassel*Fricke am 18.11.2014 um 09:58:

 

Moin zusammen!

Erzwingungshaft ist ein probates Mittel, zahlungsunwillige 'Kunden' zum Begleichen offener Bußgelder zu animieren. Oder wie es ein Kollege ausdrückte: Zahlen schafft Frieden.

Unser Amtsgericht ist beim Anordnen von E-Haft sehr darauf bedacht, dass vor dem Beantragen der Erzwingungshaft das Beitreiben einer Geldbuße im Wege der Vollstreckung ernsthaft und mit Nachdruck versucht wurde und dies auch von der Vollstreckungsstelle hinreichend dokumentiert wurde.

Auch wenn es dem einen oder anderen gegen den Strich gehen mag, dass unter Umständen kostbare Zeit ins Land geht: Wir sollten uns auch vor Augen halten, dass die Erzwingungshaft auch eine freiheitsentziehende Maßnahme ist, die nicht so 'ganz ohne' ist und unter Umständen einer (land)gerichtlichen Prüfung Stand halten muss.

Von daher ist es - zumindest für mich - durchaus nachvollziehbar, das 'unser' AG die juristische Latte relativ hoch hängt.

Positiv ist in diesem Zusammenhang, dass das Amtsgericht trotz der hohen Anforderungen bislang sämtlichen E-Haft-Anträgen aus meinem Sachgebiet gefolgt ist.

Grüße aus Nordhessen



Geschrieben von C. Schröder am 02.03.2015 um 10:44:

 

Welche Möglichkeit habe ich eigentlich bei einer GmbH, die ihre Geldbuße nicht zahlt?



Geschrieben von Runge am 02.03.2015 um 11:11:

 

Leider nur die der zwangsweisen Beitreibung. Erzwingungshaft geht nur bei natürlichen Personen.

Regina Runge



Geschrieben von Thomas Mischner am 02.03.2015 um 11:43:

 

Warum sollte die Erzwingungshaft gegen den gesetzlichen Vertreter nicht zulässig sein? Das sagt zumindest mein OWiG-Kommentar (Göhler, § 96 Rn. 34).



Geschrieben von Runge am 02.03.2015 um 12:53:

 

Oh, das habe ich nicht gewusst. Die Info kann ich selbst jetzt aber auch gut gebrauchen. Danke.

Regina Runge



Geschrieben von Roesje am 13.04.2015 um 09:20:

  Voraussetzungen zur Anordnung einer Erzwingungshaft

Moin Moin

Ich möchte das Thema hier noch um meinen Fall ergänzen und bitte um eure Mithilfe, ob ich nun auf dem Holzweg bin, oder es tatsächlich so grausig ist, wie ich es befürchte... Heul

Vor 2 Jahren hatte ich bei jemandem, der eine Hundeausbildung unter seiner Privatanschrift betrieb, festgestellt, dass dieser zwei Straßen weiter umgezogen ist.
Auf sämtliche Aufforderungen wurde nicht reagiert.
Zwangsgelder sind mehrfach festgesetzt worden, die allesamt nicht von unserer Vollstreckungsstelle beigetrieben werden konnten (Nichtantreffen).
Nachdem das erste Zwangsgeld beim Verwaltungsgericht zwecks Erzwingungshaft war, erfuhr ich durch die Vermögensauskunft (die ich dann plötzlich in der Akte unserer Vollstreckungsstelle entdeckte), dass der Gewerbetreibende anscheinend diesem noch immer gemeldeten Gewerbe bereits seit einiger Zeit nicht mehr nachging. Es handelte sich folglich nicht mehr um eine ausstehende Ummeldung, sondern um eine Abmeldung.

Unter Rücksprache mit dem Richter am VG musste ich meinen Antrag zurückziehen, da sich die Umstände geändert hätten. Dass es nach wie vor um die Erfüllung einer Anzeigepflicht ging, war anscheinend uninteressant. Die bloße Änderung von einer Um- zu einer Abmeldepflicht zog meinen bisher festgesetzten Zwangsgelder (ich glaube es waren insg. 4 Stück, die bereits in 4stelliger Höhe waren) den Boden unter den Füßen weg. Alle Arbeit war umsonst.

Somit schrieb ich wieder den Gewerbetreibenden an und bat um Abmeldung sowie drohte die Abmeldung v.A.w. an. Wieder kam natürlich keine Reaktion.

Da ich sage und schreibe fast 2 Jahre mit diesem Fall beschäftigt war und der Gewerbetreibende es vehement nicht für nötig befand, sich mal für eine schnöde Abmeldung zu bewegen, drückte ich ihm nach der Abmeldung ein Bußgeld auf, denn es kann doch nicht sein, dass man sich gesetzlichen Pflichten durch bloßes Nichtreagieren entziehen kann? Weißnicht

Nun habe ich das Bußgeld zurück auf dem Tisch. Unsere Vollstreckungsstelle konnte es natürlich nicht beitreiben, da sie mal wieder niemanden antrafen. Die Vermögensauskunft war ja schon da und ein Konto zwecks Pfändung existiert auch nicht mehr.

Sie regten E-Haft an....

Nun bin ich im aber im § 96 Abs. 1 Nr. 4 OwiG darauf gestoßen, dass u.a. Voraussetzung für eine Anordnung einer Erzwingungshaft ist, dass "keine Umstände bekannt sind, welche seine Zahlungsunfähigkeit ergeben."

WAS HEIßT DAS?

Vermögensauskunft ist ja bekannt. Nur durch diese habe ich ja erfahren, dass das Gewerbe gar nicht mehr ausgeübt wird und überhaupt nicht umgemeldet werden muss.

Liege ich jetzt richtig in der Annahme, dass ich mir auch den Antrag beim AG für die E-Haft sparen kann, weil der Typ ja eh (angeblich) nix hat?

Was dann bedeutet, dass demjenigen trotz vehementen ordungswirdrigen Verhaltens absolut nichts passiert.....das geht mir nicht in den Kopf rein. Kopfkratz



Geschrieben von C. Schröder am 13.04.2015 um 09:26:

 

E.-Haft Antrag auf jeden Fall machen. Ich habe da mal mit meinem AG gesprochen. Auch die eV bzw. heute Vermögensauskunft ist nicht hinderlich an der Festsetzung der Haft. Macht mein AG dann auch und da kommt dann im Regelfall auch Geld.



Geschrieben von Roesje am 13.04.2015 um 09:37:

 

Alles klar! Vielen Dank für die schnelle Info! Naja im schlimmsten Fall sagt das AG nein Augen rollen



Geschrieben von master_phk am 13.04.2015 um 10:55:

 

Für solche notorischen Nichtanzeiger haben wir uns mittlerweile folgende Handlungsabfolge gesteckt:

1. Aufforderung zur Anzeige
2. Aufforderung zur Anzeige
Anhörung OWi
Bußgeld mit Androhung Zwangsgeld
Zwangsgeld
bei weiterhin ausbleibender Rückmeldung nutzen wir ein weiteres Zwangsmittel, welches unser Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz vorhält; die Fiktion der Abgabe einer Erklärung

Sie wird dann ebenfalls angedroht und notfalls angewandt.
Sie kommt nahezu einer Gewerbean- oder Ummeldung von Amts wegen gleich.

Bei Abmeldungen machen wir nicht so viel Tamtam.
Da geht's bis zum Bußgeld und danach wird von Amts wegen abgemeldet, da die Aufgabe des Betriebes ja feststeht (Außendienst hat ermittelt und Co.)

Mit dieser Abfolge erhoffen wir uns, die Verfahren nicht zich Jahre mit uns rum zu schleppen.

Mehrere Zwangsgelder halte ich schon wegen der i.d.R. fehlenden Beitreibung für ungeeignet.

Wenn ihr also auch so ein hübsches "neues" Zwangsmittel in euren Landesgesetzen habt, empfehle ich unseren Weg. großes Grinsen


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