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Geschrieben von Wittgensteiner am 20.10.2006 um 11:00:

  Handwerk im Reisegewerbe

Hallo,

ich hab mal eine Frage für unser Bübü:

Im Bübü hat eine Bürgerin vorgesprochen und die Ausstellung einer Reisegewerbekarte beantragt; sie ist nach 5 Jahren auf der Walz zurückgekehrt und möchte im Reisegewerbe u.a.folgende Tätigkeiten anbieten:
- Küchen aufstellen
- Ofensanierung
- Elektroarbeiten geschockt
- Zimmereiarbeiten

Welche Unterlagen werden neben FZ, Auszug GZR, Passbild und Antrag noch benötigt. Ist die Eintragung bei der Handwerkskammer erforderlich? Müssen evtl. noch andere Unterlagen eingereicht werden?

Gruß aus Wittgenstein



Geschrieben von OrDnUnGsAnDy am 20.10.2006 um 13:18:

  Handwerk im Reisegewerbe

Ein freundlichen HALLO aus Gera,

eine Eintragung in die Handwerksrolle ist nicht nötig, denn nach § 1 I HwO bedarf es einer Eintragung nur, wenn der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als STEHENDES GEWERBE ausgeübt wird.

Gemäß § 55 I GewO betreibt ein Reisegewerbe, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung oder ohne eine solche zu haben Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistung aufsucht. Entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zum stehenden Gewerbe gemäß § 1 HwO ist das Anbieten von Leistungen BEIM Kunden und Nachfragen nach Bestellungen.
Entscheidend ist, dass die Initiative zur Erbringung der Leistung vom Anbietenden, also vom Inhaber der Reisegewerbekarte, ausgeht. Das unterscheidet ihn vom stehenden Handwerksbetrieb, bei dem der Kunde um Angebote nachsucht.

Vergleiche dazu auch BVerfG, Beschl. v. 27.09.2000, GewArch 2000, 480 ff; GewArch 2006, 34 ff; GewArch 2004, 32

Ein Tipp:
Befragen Sie die Bürgerin doch wie sie ihrer Arbeit nachgeht. Wenn sich herausstellt, dass sie auf Bestellung tätig wird, d. h. die Kunden zu ihr kommen und ein Angebot haben wollen, dann hat sich die Sache mit der Reisegewerbekarte erledigt.

Nun will ich mal das Amt verlassen und in das wohlverdiende Wochenende gehen.

Grüße aus dem bewölkten Gera



Geschrieben von Wittgensteiner am 23.10.2006 um 09:45:

  RE: Handwerk im Reisegewerbe

Hallo,

wenn ich die Antwort aus Gera richtig verstanden habe benötigt jemand der ein Elektrogewerbe im stehenden Gewerbe anmeldet die Zulassung der Handwerkskammer. Eine Person die 5 Jahre auf der Walz war und sich Elektrokenntnisse unterwegs angeeignet hat - nach meinem derzeitigen Kenntnisstand keine Prüfung abgelegt hat - kann demnach im Reisegewerbe ohne Zulassung der Handwerkskammer von Tür zu Tür gehen und fragen ob nicht zufällig ein Backofen anzuschließen oder eine Unterverteilung zu legen ist.
Kann das richtig sein? Kopfkratz verwirrt Meiner Meinung nach nicht oder doch?

Gruß aus Wittgenstein



Geschrieben von Menschel am 23.10.2006 um 09:53:

 

DOCH, genauso ist es: LEIDER!!!
. . . und darum ist die "Nicht-Meister-Erfordernis" im Reisegewerbe ja so vielen ein Dorn im Auge.



Geschrieben von Antonia Thien am 23.10.2006 um 10:00:

  RE: Handwerk im Reisegewerbe

Moin,

auch wenn es dem Gerechtigkeitsempfinden widerstrebt, aber das, was der Kollege aus Gera schreibt, stimmt.

Wie sagt Landmann/Rohmer so schön: "Diese Entscheidung des BVerfG ... berücksichtigt auch den alleinig bei der Ausführung handwerklicher Leistungen eigenartigen Umstand, dass hier eine Berufszugangsregelung im Reisegewerbe liberaler ausgestaltet ist als für das stehende Gewerbe."

Solange also die Dame bei den Kunden klingelt und die nicht bei ihr, liegt Reisegewerbe vor und der große Befähigungsnachweis ist nicht erforderlich.

Viele Grüße
A. Thien



Geschrieben von Wittgensteiner am 23.10.2006 um 10:41:

  RE: Handwerk im Reisegewerbe

schönen Dank für die schnellen, mich persönlich nicht zufriedenden stellenden, Antworten; aber was will man machen - Weißnicht

bei dem Sachverhalt passt ein Spruch von meinem ersten AL

Der Storch hat zwei gleich lange Beine - besonders das Rechte.

Gruß aus Wittgenstein



Geschrieben von TinoHST am 23.10.2006 um 13:58:

  RE: Handwerk im Reisegewerbe

Ich schreiben meistens noch folgenden Hinweis (entsprechend der ReisegewVwV) in die Karte:

Die Reisegewerbekarte berechtigt nicht zur Durchführung handwerklicher Tätigkeiten im stehenden Gewerbe (z.B. zur Durchführung von Aufträgen nach vorhergehender Bestellung durch den Kunden auf Grund von Zeitungsanzeigen, Postwurfsendungen, Telefonbucheintragungen, Werbung an Kraftfahrzeugen, oder durch das regelmäßige Aufsuchen von Kunden
, etc.) hierfür ist eine Eintragung in die Handwerksrolle erforderlich.



Geschrieben von zizu am 10.07.2007 um 08:42:

 

Hallo,

ich hätte zu diesem Thema auch eine Frage: Bei uns wurde eine Reisegewerbekarte zur Ausübung handwerklicher Tätigkeiten im Bereich sanitärer Installationen, Heizungseinbau, Einbau von Gaszählern, Fliesenlegerarbeiten und Isolierungen. Seinen Antragsunterlagen hat er eine Kopie eines Mustervertrags beigelegt aus dem hervorgeht, dass der gewünschte Montagetermin mindestens 2 Wochen im voraus abgerufen werden muss. Daraus schließt die Handwerkskammer, dass es sich nicht um Reisegewerbe sondern um einen stehenden Gewerbebetrieb handelt und bittet uns, die RGK abzulehnen.

Ich habe meine Zweifel, ob diese Begründung "trägt". Deshalb würden mich andere Meinungen interessieren...

Viele Grüße

Hardy



Geschrieben von Antonia Thien am 10.07.2007 um 09:04:

 

Hi,

da habe ich allerdings auch so meine Zweifel, denn wie hat das BVerfG entschieden:
" Die Ausführung eines im Reisegewerbe geschlossenen Vertrages über Handwerksleistungen ist dem Reisegewerbe zuzuordnen." (siehe Landmann/Rohmer zu § 55 GewO, Rd.nr. 84 a ff. und die vom Kollegen aus Gera zitierten Abhandlungen im GewArch).

Ich hinterfrage in solchen Fällen immer ganz genau, wer was wann wo wie macht und entscheide dann. Denn letztlich ist das Kriterium zur sofortigen Leistungsbereitschaft ja nicht gänzlich weggefallen, obwohl das BVerfG sagt, dass sich allein aus dem Wort "Bestellung" ergibt, dass die bestellte Leistung nicht sofort erbracht werden soll.

Also Fazit: Die Begrüdung der HWK würde mir so nicht reichen.

Viele Grüße
A. Thien



Geschrieben von Civil Servant am 10.07.2007 um 13:44:

 

liebe Kolleginnen und Kollegen,

alles was bisgher gesagt wurde trifft - leider - zu.

Wir haben genau einen solchen Fall vor Kurzem Fechtkampf durchgefochten. Die RGK versagen, wie das die HWK wünscht, halte ich für nicht möglich. Bedauerlich, dass man dort mitunter geradewegs an der Rechtslage vorbei Forderungen formuliert.

Es geht natürlich etwas anderes: Nimmt unser Gewerbetreibender nämlich einen Auftrag im stehenden Gewerbe an, ist er u. U. nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit fällig oder nach der HWO. In unserem Fall konnten wir den Betroffenen davon überzeugen, dass sich auf so unsicherem Grund keine berufliche Existenz aufbauen lässt. Er hat sich jetzt zum Meisterkurs angemeldet! Genau

Der Hinweis von @TinoHST Applaus ist übrigens nachzulesen in der Ziffer 2.3 (2) des Mustererlasses des Bund-Länder-Ausschusses zum Titel III der GewO.

Bye! aus Wetzlar

Frank Schuster



Geschrieben von zizu am 10.07.2007 um 14:13:

 

Zitat:
In unserem Fall konnten wir den Betroffenen davon überzeugen, dass sich auf so unsicherem Grund keine berufliche Existenz aufbauen lässt. Er hat sich jetzt zum Meisterkurs angemeldet!


In meinem Fall ist es leider so, dass er bei der Meisterprüfung durchgefallen ist und es wohl deshalb im Reisegewerbe versucht.

Gruß,

Hardy



Geschrieben von Sabine Schmitt am 09.08.2007 um 09:32:

 

Hallo Kollegen,
ich bin neu hier im Forum und habe jetzt den Fall, das einer Innen- und Außenputz als Reisegewerbe machen möchte. Er hat bei uns seit 1.4.2007 ein stehendes Gewerbe mit Innen- und Außenputz angemeldet. Die Handwerkskammer macht ihm Schwierigkeiten. Die Stellungnahme der IHK teilt auch Bedenken gegen die Erteilung mit. Handwerkskammer ebenso. Wie verfahre ich da?



Geschrieben von Antonia Thien am 09.08.2007 um 09:52:

 

Hi,

können Sie das ein klein wenig konkretisieren? Was für Bedenken bestehen denn?
Die Erteilung der RGK kann ja nur dann versagt werden, wenn der Antragsteller unzuverlässig ist. Schwierigkeiten mit der HWK und Bedenken der IHK stellen so für sich alleine erstmal keine Versagungsgründe dar.

VG
A. THien



Geschrieben von Sabine Schmitt am 09.08.2007 um 10:08:

 

Die IHK ist der Meinung, das bei Außen- und Innenputz aufgrund der Vielfalt der verwendbaren Materialien, des Erfordernisses einer vorausgehenden detailklierten Planung und diversen Fachvorgesprächen mit den Auftraggebern die Bereitschaft zur sofortigen Leistung nicht angenommen werden. Fraglich wöre es auch wie der Antragsteller "ohne vorhergehende" Bestellung tätig werden möchte. Die schriftliche Stellungnahme der HWK steht leider noch aus. Sie haben mir aber im telefonisch mitgeteilt, dass sie auch ablehnen werden. Der Antragssteller wird anwaltlich vertreten. Von daher stehe ich im Moment auf dem Schlauch.
Viele Grüße aus Elz
Sabine Schmitt



Geschrieben von Antonia Thien am 09.08.2007 um 10:47:

 

Wo ist der Unterschied zu einem Dachdecker oder Zimmerer?

Mir scheint, die IHK und die HWK möchten gerne verhindern, dass Handwerker im RG tätig sind und konstruieren daher Versagungsgründe. Vielleicht haben beide im Endeffekt sogar Recht, aber ich muss erstmal davon ausgehen, dass der Antragsteller die Wahrheit sagt, wenn er sagt, dass die Initiative zum Vertragsabschluss von ihm ausgeht. Und dass Vorgespräche zum Vertragsabschluss gehören und der Vertragsabschluss selbst dem RGK zuzuordnen ist (auch wenn die Leistung nicht sofort erfolgt), ist inzwischen hinreichend abgeurteilt (siehe bereits vorl. Stellungnahmen der anderen Kollegen zum Thema).

VG
A. Thien



Geschrieben von Thomas Mischner am 09.08.2007 um 10:49:

 

Hallo,

wie von Frau Thien schon dargelegt wurde: Die Versagungsgründe für eine Reisegewerbekarte sind in der GewO abschließend aufgeführt - nämlich die Unzuverlässigkeit des Antragstellers. Ob die beabsichtigte Tätigkeit sinnvollerweise auch im Reisegewerbe durchführbar ist, hat die Gewerbebehörde nicht zu beurteilen. Wie er mit seinem Reisegewerbe zurechtkommt, ist zunächt einmal sein Problem. Schließlich haben wir Gewerbefreiheit. Natürlich würde ich ihn deutlich darauf hinweisen, dass er sich in einem rechtlichen Grenzbereich bewegt und welche Folgen das haben kann.
Die Stellungnahmen der Kammern sind ja im übrigen ganz nett, eine Versagung der Reisegewerbekarte lässt sich damit aber nicht begründen. Man kann nicht von vornherein unterstellen, dass der Antragsteller seine Reisegewerbekarte zu rechtswidrigen Zwecken missbrauchen wird. Auch der Verdacht einer möglichen Zuwiderhandlung gegen die HwO muss sich auf Tatsachen stützen. Solange der Antragsteller mit seiner Tätigkeit noch nicht einmal begonnen hat, ist das alles Spekuation und rechtfertigt keinesfallls die Versagung der Reisegewerbekarte.

Schöne Grüße aus Kamenz
Th. Mischner



Geschrieben von Sabine Schmitt am 09.08.2007 um 10:54:

 

Vielen Dank für die prompte Antwort. Im Klartext heißt es ja eigentlich, das ich ihm die RGK ausstellen muss obwohl ich es persönlich nicht ganz korrekt finde.
Gruß
Sabine Schmitt



Geschrieben von Sigi2910 am 10.08.2007 um 08:15:

 

Na ja, ich hab auch schon manches machen müssen, das mir widerstrebte, zu tun. Aber was will man machen... Korrekt nach den Buchstaben des Gesetzes und der Rechtsprechung ist das hier aber. Insofern...


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