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Zum Ende der Seite springen Freispruch in Sonthofen
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Freispruch in Sonthofen

Seit langem steht das Amtsgericht Sonthofen im Fokus der Glücksspiel- und Sportwettenunternehmen, argwöhnisch beäugt von denjenigen deutschen Behörden oder Gerichten, die eine Entscheidung des EuGH gerne vermieden hätten, weil ihnen – möglicherweise – der Rock näher ist als das Recht. Mit Urteil vom 04.02.2016 hat der EuGH klargestellt, dass die von dem höchsten deutschen Verwaltungsgericht in den Rechtssachen 8 C 16.12, 14.12 und 39.12 gebilligte Behördenpraxis, das Sportwettmonopol trotz dessen Unionsrechtswidrigkeit mit allerlei Spitzfindigkeiten aufrechtzuerhalten, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Nunmehr hat das Amtsgericht Sonthofen die mehrfach wegen Glücksspiels ohne deutsche Erlaubnis angeklagte Frau Ince freigesprochen. Weil auch die Staatsanwaltschaft auf Freispruch plädierte, konnte das Amtsgericht Sonthofen – verdientermaßen – auf eine vertiefte Begründung des Freispruchs verzichten.

Damit ist auch auf nationaler Ebene bestätigt, dass der das Monopol konstituierende Erlaubnisvorbehalt des Glücksspielstaatsvertrages nicht anwendbar ist. Das Fehlen einer deutschen Erlaubnis bzw. der Erlaubnisvorbehalt darf im Anwendungsbereich der höherrangigen Dienstleistungsfreiheit nicht für staatliche Behinderungen und schon gar nicht für Sanktionen wie Zwangs- oder Bußgelder herangezogen werden.

Der Freispruch gibt Anlass, mit einem weit verbreiteten „Irrtum“ aufzuräumen, der sich seit 2011 in einige behördliche und sogar richterliche Entscheidungen eingeschlichen hat, obwohl das Bundesverwaltungsgericht selbst – unter dem Vorsitz von Frau Doktor von Heimburg – in den Rechtssachen C-14.09 und 15.09 Klarheit geschaffen hatte. Ist von dem „Sportwettenmonopol“ die Rede, geht es mitnichten isoliert um die Regelung in § 10 Abs. 5 GlüStV a.F. (bzw. heute Abs. 6 GlüStV), eine Regelung, die den Behörden die Erteilung einer Erlaubnis an andere als staatliche Anbieter verbietet. Diese Regelung ist isoliert betrachtet kein Eingriff in Grundrechte und Grundfreiheiten, weil sie sich nicht an den Wettanbieter richtet und diesem etwas verbietet, sondern nur an die deutschen staatlichen Stellen. Eine Regelung, die sich lediglich an die staatlichen deutschen Stellen richtet, kann kein Eingriff in Grundrechte oder Grundfreiheiten und daher auch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des EuGH in Ince, Markus Stoß oder Carmen Media sein.

Daher ist es nicht nur unpräzise, sondern rechtsfehlerhaft, soweit im Zusammenhang mit dem Monopol oder der „Monopolregelung“ auf § 10 Abs. 5 bzw. heute Abs. 6 GlüStV referiert wird. Ein in Grundrechte und Grundfreiheiten eingreifendes Monopol verursacht erst ein Genehmigungs- bzw. Erlaubnisvorbehalt für private Anbieter. Besteht kein Erlaubnisvorbehalt, oder ist dieser unionsrechtlich unanwendbar, tangiert es einen privaten Anbieter nicht, dass nach deutschem Recht nur staatliche, nicht aber private Anbieter eine deutsche Erlaubnis erhalten können.

Der bis 2007 geltende Lotteriestaatsvertrag enthielt schon eine inhaltsgleiche Regelung wie § 10 Abs. 5 GlüStV a.F. (§ 5 Abs. 4 LottStV), aber noch keinen Erlaubnisvorbehalt. Die Aussage, der Lotteriestaatsvertrag 2004 habe ein staatliches Monopol für Sportwetten geregelt, ist daher schlichtweg falsch. Ein staatliches Monopol wurde bis Ende 2007 aus dem Lotteriestaatsvertrag erst durch die von Behörden und Fachgerichten herangezogene – fehlerhafte, aber Bundesverfassungsgericht im Sportwetten Urteil vom 28.3.2006 (dort Rn. 90 – 92) als Auslegung des einfachen Rechts nicht beanstandete – These, § 284 StGB enthalte ein repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.

Allein richtig ist daher, wie das Bundesverwaltungsgericht in den genannten Entscheidungen 8 C 14.09 und 15.09 vom 24.11.2010 in Rn. 60 ausführt, dass der

„Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV und der Ausschluss einer Erlaubnis zur Vermittlung an private Wettanbieter – auch – in anderen Mitgliedstaaten die rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen.“

Jede andere Sichtweise ist sehr unzutreffend und dringend korrekturbedürftig. Während sich das in § 10 Abs. 5 bzw. Abs. 6 GlüStV normierte Verbot, anderen als staatlichen Anbietern eine Erlaubnis zu erteilen, nur an die deutschen Behörden richtet, wendet sich der Erlaubnisvorbehalt in § 4 und das explizit im Staatsvertrag vorgesehene Verbot der Vermittlung oder Veranstaltung von Sportwetten ohne deutsche Erlaubnis an die Träger von Grundrechten und Grundfreiheiten. Auch wenn das deutsche staatliche Sportwettenmonopol somit letztlich in zwei Paragrafen aufgesplittet wurde, enthält der Staatsvertrag alter wie neuer Fassung insoweit nur eine einzige Regelung. Diese hat folgenden Inhalt:

„Anderen als den erlaubten staatlichen oder staatlich beherrschten Anbietern (sowie Lotto-Rheinland-Pfalz) ist die Vermittlung oder Veranstaltung von Sportwetten in Deutschland verboten.“

Oder, wie es noch bis 2012 im hessischen Glücksspielgesetz hieß:

„Das Land Hessen ist allein befugt, innerhalb seines Staatsgebietes Sportwetten zu veranstalten“.

Warum ist es wesentlich, diese Systematik hervorzuheben? Der Grund ist einfach: Niemand hat Zweifel, dass das sogenannte Sportwettenmonopol verfassungs- und unionsrechtswidrig ist. Streit besteht aber – und diesen Streit hatte das Amtsgericht Sonthofen im Vorlagebeschluss in den Rn. 45-72 dezidiert aufbereitet – über die Konsequenzen dieser Unionsrechtswidrigkeit. Diesen Streit hat der EuGH in der Entscheidung vom 04.02.2016 in den Rn. 29-32 zusammengefasst und eindeutig zu Gunsten derjenigen deutschen Gerichte und Behörden entschieden, die die Unanwendbarkeit des deutschen Erlaubnisvorbehaltes als die das Monopol konstituierende Regelung angenommen haben. Frau Ince durfte das Fehlen einer deutschen Erlaubnis, also der Erlaubnisvorbehalt in § 4 des Staatsvertrages von Seiten der Staatsanwaltschaft oder anderer staatlicher Stellen nicht entgegengehalten werden. Der Erlaubnisvorbehalt ist unionsrechtlich unanwendbar, mit anderen Worten unbeachtlich und die unionsrechtliche Gewerbefreiheit, auch genannt Dienstleistungsfreiheit, setzt sich durch. So haben es die Väter der EG-Verträge, unter ihnen auch Deutschland, gewollt.

Ob die deutschen staatlichen Stellen das Verbot des § 10 Abs. 5 GlüStV gegenüber einem Erlaubnisbewerber – also in einem Erlaubnisverfahren – unangewendet lassen müssten, wird ohne weiteres zu bejahen sein, hatte der EuGH aber bisher nicht zu entscheiden. In den Ausgangssachverhalten von Ince, Carmen Media, Winner Wetten und Markus Stoß ging es nicht um die auf § 10 Abs. 5 GlüStV beruhende Verweigerung der Erteilung einer deutschen Erlaubnis, sondern um einen staatlichen Eingriff wegen des Fehlens einer deutschen Erlaubnis. Die vom EuGH zu beurteilenden staatlichen Eingriffe wurden dementsprechend nicht etwa damit begründet, dass es den deutschen Behörden durch § 10 Abs. 5 GlüStV a.F. bzw. Abs. 6 GlüÄndStV verboten ist, einem EU-Anbieter eine Erlaubnis zu erteilen. Vielmehr wurde der staatliche Eingriff stets damit begründet, dass dem EU-Anbieter (so auch Frau Ince) eine deutsche Erlaubnis fehle, sie also gegen den Erlaubnisvorbehalt des § 4 GlüStV verstoßen und sich damit ggfs. strafbar machen.

Die Rechtssystematik, dass das rechtswidrige und damit unanwendbare „Sportwettmonopol“ der rechtlich oder (wie derzeit) faktisch nicht überwindbare Erlaubnisvorbehalt des Staatsvertrags ist – und keineswegs isoliert das an die Behörden gerichtete Verbot des § 10 Abs. 5 –, hat folgende vom Amtsgericht Sonthofen nunmehr bestätigte Konsequenz:

Der Erlaubnisvorbehalt bzw. das Fehlen einer deutschen Erlaubnis darf niemals mittelbar oder unmittelbar zum Anlass für staatliche Eingriffe herangezogen werden. Der Erlaubnisvorbehalt ist unanwendbar, mithin im Anwendungsbereich des freien Dienstleistungsverkehrs unbeachtlich.

Diese Unanwendbarkeit ist von allen deutschen staatlichen Stellen zu beachten. Der einzelne private Anbieter mit einer Erlaubnis in seinem Ursprungsland, der sich einschließlich seiner in Deutschland ansässigen Vermittler im Anwendungsbereich des freien Dienstleistungsverkehrs bewegt, braucht sich weder an legislative, exekutive oder judikative deutsche Vorgaben zu halten, die mit dem Erlaubnisvorbehalt oder dem Fehlen einer deutschen Erlaubnis begründet sind. Damit geht natürlich kein unkontrollierter „Wildwuchs“ im Binnenmarkt einher, denn EU-Anbieter unterliegen den strengen Kontrollen und Regularien in ihrem Ursprungsland. Vielmehr setzt sich lediglich die in einer jeden Demokratie und erst recht in einem Binnenmarkt an erster Stelle stehende grenzüberschreitende Berufsfreiheit und Gewerbefreiheit gegenüber den illegitimen fiskalischen Interessen der deutschen Bundesländer und ihrer Lotterieunternehmen durch. Anbieter aus Drittländern und die – illegitime Ziele verfolgenden (vgl. BVerwG, 8 C 17.12) – deutschen staatlichen Anbieter, die sich nicht auf Grundrechte oder auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten berufen können, um entgegenstehendes nationales Recht zu überwinden, müssen sich an den deutschen Erlaubnisvorbehalt selbstverständlich halten.

https://www.isa-guide.de/isa-law/articles/149142.html
1 17.06.2016 15:24 bandick ist offline E-Mail an bandick senden Beiträge von bandick suchen
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In dem Beitrag vom 16.6.2016 zum „Freispruch in Sonthofen“ und zu dem wirklichen Inhalt der Ince-Entscheidung vom 4.2.2016 wurde klargestellt, dass der EuGH die Unanwendbarkeit des Erlaubnisvorbehaltes des § 4 GlüStV bestätigt hat, wenn und weil das „Sportwettenmonopol“ unionsrechtswidrig ist. Das Fehlen einer deutschen Erlaubnis – sprich der Erlaubnisvorbehalt – darf einem EU-Anbieter nicht entgegengehalten werden, weder verwaltungsrechtlich noch strafrechtlich.

Damit ist klar, dass diejenigen behördlichen oder richterlichen Entscheidungen, die zwischen Monopolregelung und Erlaubnisvorbehalt unterscheiden, falsch sind. Die „Monopolregelung“ ist nicht § 10 Abs. 5 bzw. Abs. 6 GlüStV, sondern der Erlaubnisvorbehalt in § 4. Und der Erlaubnisvorbehalt ist umgekehrt auch die „Monopolregelung“, jedenfalls immer dann, wenn der Staat – aus welchem Grund auch immer – keine Erlaubnis an private Wettanbieter erteilt. Weshalb keine Genehmigungen an Private erteilt werden, ist für die Frage, welche Regelung das Wett-Monopol begründet, vollkommen gleichgültig. Ob die Erlaubnisbehörden aus reiner Willkür keine Genehmigungen an private Anbieter erteilen, weil es ihnen von den deutschen Gerichten untersagt wird, oder ob eine deutsche Regelung der Genehmigungserteilung an Private entgegensteht, ist aus Sicht des durch den Erlaubnisvorbehalt ausgeschlossenen Anbieters egal. Die Eingriffsintensität des Erlaubnisvorbehaltes ist unabhängig von dem Grund für die Erlaubnisverweigerung stets identisch.

Aufgrund der seit 15 Jahren bestehenden Unionsrechtswidrigkeit des so genannten Sportwettenmonopols ist daher nicht der an die Behörden gerichtete § 10 Abs. 5 GlüStV bzw. Abs. 6 GlüÄndStV unanwendbar, sondern der Erlaubnisvorbehalt. Für EU-Anbieter, die im Rahmen ihrer EU-Lizenz in Deutschland Dienste anbieten, besteht daher zwar keine generelle Erlaubnisfreiheit in der EU. Die Erlaubnis im Ursprungsland i.V.m. dem freien Dienstleistungsverkehr berechtigt jedoch dazu, bundesweit Sportwetten und Glücksspiele legal anzubieten. Verbotsverfahren gegenüber EU-Anbietern sind deutschen Behörden durch Artikel 56 AEUV verboten.

Anderes gilt in Erlaubnisverfahren. Das an die deutschen Behörden gerichtete Verbot des § 10 Abs. 5 bzw. Abs. 6 ist zwar unanwendbar, wenn sich ein privater Wettanbieter in einem Erlaubnisverfahren gegenüber der Behörde, die eine Erlaubnis mit dem Hinweis auf § 10 Abs. 5 bzw. Abs. 6 verweigert, auf das höherrangige Unionsrecht beruft.

Die Erlaubnisbehörde dürfte aber nicht von sich aus § 10 Abs. 5 bzw. Abs. 6 GlüStV bzw. GlüÄndStV unangewendet lassen, wenn sich der Erlaubnisbewerber nicht ihr gegenüber auf den Anwendungsvorrang beruft. Der Verwaltung räumt das Unionsrecht nämlich nicht die Befugnis ein, von sich aus EU-rechtswidrige deutsche Normen unangewendet zu lassen.

Diese oft verkannte Systematik des EU-Rechts drückt z.B. die brandenburgische Verwaltung in ihrer Veröffentlichung zur Bedeutung des Anwendungsvorrangs (http://bravors.brandenburg.de/de/verwalt...chriften-219396) so aus: „Über Fälle, in denen ein Unternehmer einen Anwendungsvorrang geltend macht, zu dem noch kein BMF-Schreiben vorliegt, wird gebeten zu berichten. Der Verwaltung steht demgegenüber kein Berufungsrecht zu. Folglich kann eine für einen Unternehmer gegenüber dem Umsatzsteuergesetz nachteilige Bestimmung einer EG-Richtlinie nicht durch die Verwaltung angewendet werden.“ Das ist korrekt. Geht die Anwendung des EU-Rechts durch die Verwaltung gegenüber dem nationalen Recht zu Lasten des Bürgers und beruft sich der Bürger gegenüber der Verwaltung nicht explizit auf das EU-Recht, ist der Verwaltung die Anwendung des EU-Rechts verboten.

Warum ist diese Systematik so wichtig? Weil in fast allen anhängigen Verbotsverfahren die Behörde das EU-Recht zu Lasten der Wettanbieter anwendet, obwohl sich der Wettanbieter gegenüber der Behörde gar nicht auf die Unanwendbarkeit des § 10 Abs 5 GlüStV a.F. bzw. Abs. 6 GlüÄndStV berufen hat. In Verbotsverfahren muss die Behörde stets und immer davon ausgehen, dass ein EU-Anbieter unionsrechtswidrig von der Ausübung seines Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr durch § 4 in Verbindung mit § 10 Abs. 5 bzw. Abs. 6 mit der Folge ausgeschlossen ist, dass der Erlaubnisvorbehalt nicht angewendet werden darf.

Die Untersagungsbehörde darf in einem Untersagungsverfahren gegenüber einem EU-Anbieter hingegen nicht fingieren, das Verbot des § 10 Abs. 5 bzw. – nachdem auch die Experimentierklausel gescheitert ist – das Verbot des § 10 Abs. 6 GlüÄndStV sei unanwendbar. Diese Befugnis hat die Behörde nicht, weil sich der auf Unterlassung in Anspruch genommene private Wettanbieter in dem Untersagungsverfahren nur auf die Unanwendbarkeit des Erlaubnisvorbehaltes, nicht aber auf die Unanwendbarkeit des § 10 Abs. 5 bzw. Abs. 6 beruft. Das heißt folgendes: Die Untersagungsbehörde darf nicht fingieren, dass der private Wettanbieter, gegen den sie vorgeht, entgegen § 10 Abs. 5 bzw. Abs. 6 theoretisch eine Genehmigung bekommen könnte.

Genau dies aber fingieren die deutschen Untersagungsbehörden und einige obere Gerichte. Sie fingieren unter Berufung auf den Anwendungsvorrang eine deutsche Rechtslage, in welcher ein Einzelner entgegen § 10 Abs. 5 bzw. Abs. 6 (und entgegen der unionsrechtswidrigen und gescheiterten Experimentierklausel) eine deutsche Genehmigung bekommen könnte. Dann prüfen die Untersagungsbehörden und die oberen Gerichte fiktiv die Genehmigungsfähigkeit des privaten Anbieters, obwohl dieser überhaupt keine Genehmigung beantragt hat, sondern sich gegen eine Untersagungsverfügung zur Wehr setzt. Am Ende scheitert die Genehmigungsfähigkeit in diesem fiktiven Erlaubnisverfahrens, weil Genehmigungsanforderungen angewendet werden, die das staatliche Monopol mit der Notwendigkeit der Bekämpfung von Suchtgefahren legitimieren, nicht aber den freien Markt – der in der deutschen Gesetzeslage gar nicht vorgesehen ist – regulieren sollen. In der Folge kommen die Untersagungsbehörden auf der Grundlage ihres fiktiven Erlaubnisverfahrens immer zur fehlenden Erlaubnisfähigkeit und halten an Verbotsverfügungen fest.

Diese unsägliche staatliche Praxis, die im Ergebnis das Monopol aufrechterhält oder privaten Wettanbietern diejenigen beschränkenden Regelungen des Staatsvertrages aufzwingt, die zur Legitimation des Monopols und nicht zur Regulierung eines vom freien Wettbewerb gekennzeichneten Marktes für Glücksspiele oder Sportwetten geschaffen wurden, hat der Gerichtshof in Ince als unionsrechtswidrig beurteilt.

Wer den wirklichen Gehalt dieses EuGH-Urteils verstehen will, muss dazu das Vorstehende erneut sowie die Rn. 29 in Ince lesen. Der Vorlagebeschluss stellte die Rechtsprechung des BVerwG in 8 C 16.12, 14.12 und 8 B 36.14 auf den Prüfstand unionsrechtlicher Grundsätze. In Rn. 29 heißt es beim EuGH:

29 Auf der einen Seite sind manche deutschen Gerichte, darunter die oberen Verwaltungsgerichte, wie auch manche Verwaltungsbehörden der Ansicht, dass allein § 10 Abs. 5 GlüStV, der den Ausschluss privater Veranstalter vorsehe, mit dem Unionsrecht unvereinbar sei, wohingegen die in § 4 Abs. 1 GlüStV aufgestellte Erlaubnispflicht grundsätzlich damit vereinbar sei. Diese Gerichte haben folglich die Bestimmung über den Ausschluss privater Veranstalter aufgrund des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts unangewandt gelassen. Sie waren sodann der Auffassung, dass für solche Veranstalter die materiellen Voraussetzungen gelten müssten, die nach dem Glücksspielstaatsvertrag und den Ausführungsgesetzen der Länder für die Erteilung von Erlaubnissen an staatliche Veranstalter vorgesehen seien.

Somit ist nach diesen Gerichten in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein privater Anbieter nach einem fiktiven Erlaubnisverfahren eine Erlaubnis unter den Bedingungen bekommen kann, die für die staatlichen Monopolträger und ihre Vermittler vorgesehen sind (im Folgenden: fiktives Erlaubnisverfahren).

In diesem fiktiven Erlaubnisverfahren, welches die Untersagungsbehörde und nicht etwa die Erlaubnisbehörde rein fiktiv durchführt, ohne dass dem Anbieter darin jemals eine Erlaubnis erteilt werden könnte, hat – wie der EuGH in Rn. 31 hervorhebt – selbstredend niemals ein Anbieter eine Erlaubnis erhalten. Es geht den Behörden auch nicht darum, eine Erlaubnis zu erteilen, sondern darum, das Monopol über den Umweg der fingierten Erlaubnismöglichkeit zu perpetuieren.

Die dem Bundesverwaltungsgericht entgegenstehende Auffassung deutscher Gerichte und Behörden legt der EuGH zusammengefasst in Rn. 32 dar. Jene Auffassung sieht zu Recht den Erlaubnisvorbehalt als die eigentliche Monopolregelung an und versteht – wie das BVerwG in 8 C 14.09 und 15.09 (Rn. 60) nicht das an die Behörden gerichtete Verbot des § 10 Abs. 5 bzw. Abs. 6 als den legitimationsbedürftigen Eingriff in Grundfreiheiten.

In Rn. 32 führt der EuGH aus:

„32 Auf der anderen Seite sind sonstige deutsche Gerichte der Auffassung, dass es, da sich eine Verletzung des Unionsrechts aus dem Zusammenwirken der Erlaubnispflicht und des Ausschlusses privater Veranstalter, die im Glücksspielstaatsvertrag und in den Ausführungsgesetzen der Länder vorgesehen seien, ergebe, für eine Behebung der festgestellten Rechtswidrigkeit nicht ausreiche, den Ausschluss privater Veranstalter unangewandt zu lassen und stattdessen das Erlaubnisverfahren zu fingieren.Für diesen Ansatz führt das vorlegende Gericht an, dass das Verfahren und die Erlaubniskriterien, die nach dem Glücksspielstaatsvertrag und den Ausführungsgesetzen dazu vorgesehen seien, allein auf die staatlichen Veranstalter von Sportwetten und ihre Vermittler zugeschnitten seien.“

Der EuGH musste sich zwischen zwei Seiten entscheiden. Die eine Seite – so z.B. das VG Stuttgart oder auch das VG Köln in seiner früheren Besetzung – versteht zu Recht als „Monopolregelung“ den Erlaubnisvorbehalt in Verbindung mit dem an die Behörden gerichteten Verbot, anderen als staatlichen Anbietern eine Erlaubnis zu erteilen. Aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols ist daher der Erlaubnisvorbehalt unanwendbar und darf in Verbotsverfahren dem EU-Anbieter nicht entgegengehalten werden.

Die „andere Seite“ sieht als die Monopolregelung lediglich das an die Behörden gerichtete Verbot, anderen als staatlichen Anbietern eine Erlaubnis zu erteilen an, nicht aber den Erlaubnisvorbehalt. Dann fingiert diese „andere Seite“ im Rahmen von Untersagungsverfahren zu Lasten des EU-Bürgers, das an die Erlaubnisbehörde (und natürlich nicht an die Untersagungsbehörde) gerichtete Verbot des § 10 Abs. 5 bzw. Abs. 6 sei nicht anwendbar. Anschließend prüft die Untersagungsbehörde in diesem fiktiven Erlaubnisverfahren anhand der auf das Monopol zugeschnittenen (oder von der Behörde aus dem Hut mit sog. Checklisten gezauberten) Erlaubnisanforderungen, fiktiv die Einhaltung der Monopolanforderungen. Das Vorliegen aller Monopolanforderungen wird stets verneint, weil ein privater Anbieter selbstverständlich legitime fiskalische Ziele im Rahmen der strengen Regularien seines Ursprungslandes verfolgt und nicht systematisch und kohärent allein auf die Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist.

Der EuGH hat sich unmissverständlich für die „eine Seite“ entschieden und die „andere Seite“, namentlich insbesondere BVerwG 8 C 16.12, 14.12 und 8 B 36/14 als unionsrechtswidrig beurteilt. Das in Rn. 29 der EuGH-Entscheidung definierte fiktive Erlaubnisverfahren gehört daher der Vergangenheit an. EU-Anbieter, die sich an die strengen regulatorischen Vorgaben ihrer EU-Erlaubnis halten, dürfen durch die deutschen staatlichen Stellen nicht bei der Ausübung ihres Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr behindert werden.

https://www.isa-guide.de/isa-law/articles/149169.html
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