Forum-Gewerberecht (https://www.forum-gewerberecht.de/index.php)
- Medienschau (https://www.forum-gewerberecht.de/board.php?boardid=34)
-- Sportwetten/Glücksspiel (https://www.forum-gewerberecht.de/board.php?boardid=35)
--- Glücksspiel in Deutschland: Zur rechtlichen Situation (https://www.forum-gewerberecht.de/thread.php?threadid=2894)


Geschrieben von anders am 19.11.2007 um 08:52:

  Glücksspiel in Deutschland: Zur rechtlichen Situation

Egon Stengl (18.11.2007) - Mit einem neuen Staatsvertrag soll Glücksspiel in Deutschland zum Beginn des Jahres 2008 auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden.

Interview mit Professor Johannes Dietlein, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Leiter des dortigen Zentrums für Informationsrecht, über die Veränderungen, die der Staatsvertrag mit sich bringen wird, die aktuelle Rechtslage und mögliche Gefahren einer Kommerzialisierung des Glücksspielmarktes. (Quelle: Münchner Merkur)

Wie ist die rechtliche Situation in Deutschland:
Wer darf Glücksspiel anbieten?

Weite Bereiche des Glücksspiels in Deutschland unterliegen einem sogenannten "Staatsvorbehalt". Danach dürfen die betreffenden Glücksspiele grundsätzlich nur von staatlichen Veranstaltern angeboten werden. Hierzu zählen vor allem die Glücksspiele in Spielbanken, die Sportwetten und die großen Lotterien. Allerdings handelt es sich nicht durchgängig um ein geschlossenes System: Bei den Sportwetten etwa finden sich einzelne private Anbieter, die sich auf Konzessionen der ehemaligen DDR berufen. Wirksamkeit, Inhalt und Reichweite dieser Konzessionen sind hochumstritten. Die neuere Rechtsprechung geht etwa davon aus, dass diese Konzessionen allenfalls im Gebiet der ehemaligen DDR Geltung beanspruchen können. Ein generell geöffneter Markt besteht dagegen im Bereich des gewerberechtlichen Automatenspiels einschließlich der Spielhallen, aber auch im Bereich der Pferdewetten.

­Auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht diese Regelung?

Die vielfältigen Rechtsgrundlagen gleichen einem Flickenteppich. Gerade die föderale Verteilung der Glücksspielgesetzgebung zwischen Bund und Ländern ist vielfach nur historisch erklärbar und bedürfte nach meiner Auffassung dringend einer Revision. Vereinfacht kann man immerhin sagen, dass die Staatsvorbehalte dem Gefahrenabwehrrecht zuzuordnen sind, für das nach dem Grundgesetz die Länder zuständig sind. Folgerichtig handelt es sich bei den Spielbanken, Sportwetten- und Lotteriegesetzen um Gesetze der Länder. Für die nicht gefahrenabwehrrechtlich regulierten Bereiche des Automaten-und Pferdewettenrechts existieren dagegen Bundesgesetze, die sich auf die Vorranggesetzgebung des Bundes für das Recht der Wirtschaft gründen.

Was wird sich durch den neuen Staatsvertrag ändern?

Die wesentliche Zukunftsaufgabe für den Gesetzgeber besteht darin, eine glaubwürdige und inhaltlich geschlossene Glücksspielregulierung hervorzubringen. Wenn der Staat, was sein gutes Recht ist, das Glücksspiel aus Gründen der Suchtprävention eindämmen will, so müssen Gesetz und Gesetzesvollzug auch tatsächlich zu einer Verminderung der Gelegenheit zum Spiel beitragen. Dagegen dürfen Staatsvorbehalte nicht dafür zweckentfremdet werden, die Staatskasse aufzufüllen. Für den Sportwettenbereich hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 28. März 2006 Defizite des bislang geltenden Rechts festgestellt. Hier muss der Gesetzgeber bis Ende 2007 nachbessern. Zu diesem Zweck haben die Länder einen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen vereinbart, der derzeit in den Landtagen diskutiert wird. Quintessenz dieses Vertrages: Der Staatsvorbehalt im Sportwettensektor besteht fort, allerdings werden die staatlichen Anbieter deutlich strengeren Bindungen unterworfen. Diese Bindungen betreffen vor allem die Bereiche Werbung und Vertrieb sowie den Jugend-und Spielerschutz.

Welche Vorteile ergeben sich aus dem staatlichen Glücksspiel-Monopol im Hinblick auf Suchtprävention und Jugendschutz und was wären die Folgen einer Liberalisierung des Glücksspielmarktes?

Den Monopolregelungen zum Beispiel des Sportwettenrechts liegt die Einschätzung zu Grunde, dass jede Marktöffnung zu einer erheblichen Ausweitung des Glücksspieles und damit auch zu einer vermehrten Anzahl von Problemspielern führen würde. Diese Einschätzung ist vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligt worden. Sie entspricht überdies allgemeinen ökonomischen und suchtpsychologischen Gesetzmäßigkeiten. Alle Untersuchungen belegen,dass mit der zunehmenden Präsenz des Glücksspiels auch die Zahl der Problem-und Suchtspieler ansteigt. Mit den Monopolregelungen soll also ein spielanheizender Wettbewerb um die Kunden verhindert werden. Welche massive Expansion des Glücksspiels in einem geöffneten Markt drohte, zeigt im Ubrigen ein Vergleich des jährlichen Pro-Kopf-Einsatzes für Sportwetten in Europa. Hier liegt Deutschland nach Studien aus dem Jahre 2005 gerade einmal bei bescheidenen 33 Dollar pro Kopf, während in Großbritannien längst ein Pro-Kopf- Einsatz von 626 Dollar erzielt wird. Zugleich muss davon ausgegangen werden, dass die bei einer Marktöffnung zu erwartenden Mehrumsätze vor allem durch die Ansprache der jüngeren und einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten getätigt würden, weshalb besonderes Augenmerk sicher auch auf die sozialen Folgen eines derartigen Systemswechsels zu richten ist. Nicht von ungefähr lautet ein bitterer Erfahrungssatz, dass schlechte Zeiten gute Zeiten für das Glücksspiel sind!

Wie ist die Rechtslage in anderen europäischen Ländern?

Die europäischen Staaten haben im Detail sehr unterschiedliche Glücksspielregulierungen. Allerdings wäre es unzutreffend, das deutsche Recht als "Sondermodell" zu bezeichnen. Traditionell gehören scharfe Beschränkungen und monopolartige Grundstrukturen zum Standardrepertoire vieler, wenn nicht sogar der meisten europäischen Staaten. Und der Trend geht keineswegs in Richtung einer pauschalen Öffnung des Glücksspielsektors. Hinzuweisen ist etwa auf den Staatsvorbehalt für Glücksspielautomaten, wie der unlängst in Norwegen angeordnet und von den Gerichten gebilligt wurde. Die dortige Regulierung geht weit über die im deutschen Recht geltende Regulierung hinaus. Denn das deutsche Gewerberecht lässt Glücksspielautomaten in den Händen privater Betreiber bislang durchaus zu, obgleich dies von Suchtexperten heftig kritisiert wird.

Gefunden unter: http://net.infocomma.de/?a=show&n=18961


Forensoftware: Burning Board 2.3.6 pl2, entwickelt von WoltLab GmbH